• 20. November 2024 · 12:36 Uhr

Ferrari blickt auf verpasste Chancen: Vasseur analysiert die Saison 2024

Eine verpasste Titelchance oder eine wertvolle Lektion? Ferrari-Teamchef Fred Vasseur spricht exklusiv über das Auf und Ab der Saison in Maranello

(Motorsport-Total.com) - Jetzt, wo die Formel 1 in ihren finalen Tripleheader geht, der den Ausgang beider Weltmeisterschaften entscheiden wird, kommen unweigerlich "Was wäre, wenn..."-Fragen auf. Das gilt besonders im Kampf um die Konstrukteursmeisterschaft.

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Ferrari-Teamchef Fred Vasseur trauert verpassten Chancen nicht hinterher Zoom Download

Denn es ist ein Kampf, bei dem alle drei Anwärter - McLaren, Ferrari und Red Bull - behaupten können, die Chance auf den Sieg in der eigenen Hand gehabt zu haben.

Sie wissen alle, dass wichtige Punkte auf der Strecke geblieben sind, die letztlich entscheidend sein könnten. Für jemanden wie Ferrari-Teamchef Fred Vasseur ist klar, dass die kostspieligen Fehler in der Mitte der Saison sich gerade jetzt rächen könnten - auch wenn sein Team vor dem Grand Prix von Las Vegas noch im Rennen ist.

Nach dem Erfolg von Charles Leclerc in Monaco, der Ferraris Titelambitionen beflügelte, fiel das Team in eine Durststrecke. Von einem katastrophalen Wochenende in Kanada bis hin zu den Problemen mit Bouncing, die den Tripleheader Spanien/Österreich/Großbritannien beeinträchtigten, verlor Ferrari an Boden.

Diese Schwächephase fiel mit McLarens Aufschwung im Kampf gegen Red Bull zusammen, was die Dynamik der Saison vollständig veränderte. Vasseur ist sich bewusst, dass Ferrari daraus lernen muss, um in Zukunft das beste Team zu werden.

"Mein Job ist es, die Schwachstellen zu erkennen, wenn ich die Leistung des Teams verbessern will", sagt der Ferrari-Teamchef im exklusiven Gespräch mit Motorsport.com Global, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com.

"In Kanada hatten wir Probleme mit Zuverlässigkeit und Ausführung. Dann kam eine schlechte Serie mit Spanien, Österreich, Großbritannien. Bei diesen drei Rennen hatten wir Schwierigkeiten mit dem Upgrade, aber wir haben uns zurückgekämpft."

Die verlorenen Punkte

Die Auswirkungen dieser Phase könnten sich am Ende als entscheidend erweisen, insbesondere wenn die Abstände in Abu Dhabi so knapp sind wie erwartet. Von Kanada bis Großbritannien erzielte Ferrari nur 50 Punkte, während Red Bull auf 97 kam und McLaren beeindruckende 111 Punkte sammelte.

Doch diese Zahlen kratzen nur an der Oberfläche. Die Realität auf der Strecke zeigt, wie klein die Unterschiede zwischen den Teams in dieser Saison waren. Ein winziger Fehler kann zwischen dem Sieg und einem Platz außerhalb der Top 6 entscheiden.

Wenn es um Hundertstelsekunden geht, die Woche für Woche gefunden werden müssen, erfordert dies ein Maß an Detailgenauigkeit und Präzision im Windkanal, auf das man sich in der Vergangenheit vielleicht noch nie verlassen musste.

"Wenn man nicht die Mittel hat, um diese Hundertstelsekunden während einer Woche im Windkanal zu messen, ist man verloren", sagt Vasseur. "Wenn es Störfaktoren gibt, die größer sind als die realen Entwicklungsschritte, ist man ebenfalls verloren." Winzige Unterschiede können also massive Konsequenzen haben.

"Das Hauptproblem ist der Druck von außen", weiß der Ferrari-Teamchef. "Denn wenn man über Rundenzeiten spricht, geht es um fast nichts." Als Beispiel nennt er Monza.

"Es war eng, aber ich würde sagen, wir hatten Norris im Griff, und dann gab es innerhalb einer Zehntelsekunde vier oder fünf Autos. Oder schaut man sich das Rennen zwischen Piastri und Charles in Baku anschaut, dann hätte wahrscheinlich ein einziger Punkt Luftwiderstand den Unterschied ausgemacht."

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Highlight der Saison: Ferraris Heimsieg mit Charles Leclerc in Monza Zoom Download

"Wir sprechen hier über Details. Und wenn sie dazu führen, dass man in Monza auf Platz fünf steht, wird das Ergebnis von außen ganz anders wahrgenommen. Wenn man in Monza Fünfter wird, ist das eine Katastrophe, aber wenn man gewinnt, ist man der Held. Und wir sprechen hier von einem Zehntel pro Runde."

"Manchmal ist es sehr schwierig, das intern zu managen, konzentriert zu bleiben und nichts drastisch zu ändern, wenn man ein Zehntel zurückliegt. Es geht nur um Details."

Die Wahrnehmung von außen

Vasseur bleibt zwar ruhig und gelassen bleibt, wenn es darum geht, diese Detailunterschiede zu verstehen. Aber es gibt ein Element, mit dem er umgehen muss, nämlich die Wahrnehmung innerhalb des Teams managen, wenn die Wahrnehmung von außen besagt, dass die Dinge viel schlechter laufen.

"Ich spüre nicht viel Druck, weil ich kein Instagram oder Twitter habe und die Rennen nicht im Fernsehen verfolge, da ich an der Boxenmauer bin", sagt der Franzose.

"Ich bin also nicht allzu empfänglich für Kommentare. Aber für 95 Prozent des Teams verfolgen die Rennen im Fernsehen. Und wenn zum Beispiel Sky Italia sagt, dass wir schlecht sind oder Fehler gemacht haben, dann ist die Wahrnehmung der Mitarbeiter am Montagmorgen, dass wir in Schwierigkeiten stecken."

"Manchmal sind es nur Details, und das ist der Punkt, an dem man jeden Tag ansetzen muss", betont Vasseur und weicht nicht von der Ansicht ab, dass Ferrari ein Auto und eine Chance auf den Gewinn der Weltmeisterschaft in den Händen hatte.

"Nicht während der gesamten Saison, aber das gilt für alle Teams. Es ist sehr, sehr eng, und jedes Mal, wenn jemand einen Schritt nach vorne oder nach hinten macht, verändert das die Startaufstellung und die Leistung komplett."

Das Comeback des Bouncing

Der vielleicht kritischste Punkt, der Ferraris Saison beeinflusste, war das Boden-Upgrade, das beim Grand Prix von Spanien zum Einsatz kam. Obwohl es theoretische Leistungsgewinne versprach, kehrte das Bouncing bei hohen Geschwindigkeiten zurück, was das Vertrauen von Charles Leclerc und Carlos Sainz beeinträchtigte.

Vasseur ist der Meinung, dass das Team dem gleichen Problem zum Opfer gefallen ist, mit dem viele andere konfrontiert sind: Dass die Konstrukteure bei der aktuellen Autogeneration an eine Leistungsgrenze gestoßen sind, was dazu führt, dass Upgrades das Auto über das Limit und damit Porpoising zurückbringen.

"Ich denke ich, wir sind am Limit der Entwicklung dieser Autos", erklärt er. ""Wenn wir versuchen, mehr Abtrieb zu erzeugen, gehen wir immer ans Limit, was Bouncing verursacht. Manchmal können wir das im Windkanal erkennen, manchmal aber auch nicht, und wir entdecken die Schwächen erst auf der Strecke."


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"Manchmal, und das war in den letzten zwei oder drei Jahren der Fall, braucht man auch ein oder zwei Rennen, um das richtige Set-up für sein Upgrade zu finden."

"Aber man hat keine andere Wahl, als zu versuchen, zu pushen und sich weiterzuentwickeln. Denn wenn man dort stehen bleibt, wo man in Bahrain (beim Saisonauftakt; Anm. d. R.) war, ist man tot", hält der erfahrene Formel-1-Teamchef fest.

Ein neuer Denkansatz

Vasseur hat wiederholt betont, dass Ferrari bereit sein muss, Risiken einzugehen und die Grenzen auszuloten, um bessere Leistungen zu erzielen. Aber was Ferrari seiner Meinung nach aus den Schwierigkeiten mit dem Spanien-Upgrade herausgeholt hat, waren die Einstellung und der Umgang innerhalb der Teams.

Jeder habe zugegeben, dass etwas schiefgelaufen ist und eine Lösung gefunden werden musste, ohne mit dem Finger auf andere zu zeigen: "Die Reaktion war gut, weil wir sehr ehrlich zu uns selbst waren, als wir in Schwierigkeiten waren."

"Es war gut, zurückzukommen, in den Windkanal zu gehen und nicht zu sagen: 'Okay, das Upgrade ist gut, blah, blah, blah.' Es war wichtig, in diesem Punkt streng zu sein."

"Ich denke, dass wir als Team eine sehr gute Richtung hatten, um uns alle zusammenzusetzen, die Entwicklung, die Aerodynamik, das Team an der Strecke, um den besten Kompromiss zu finden und in Budapest viel stärker zurückzukommen."

Und es ist genau diese Einstellung im Team, an sich selbst zu arbeiten, um Probleme zu lösen und sich aus allen Löchern zu graben, von der Vasseur glaubt, dass sie ein starkes Fundament gelegt hat, um in der Saison 2025 noch besser zu werden.

"Ehrlich gesagt, denke ich, dass diese Saison eine gute ist", sagt er. "Natürlich ist es manchmal frustrierend, wenn man am Ende der Saison zurückblickt und sagt: 'Okay, wir waren in dieser oder jener Phase schwach.' Aber wenn man zu McLaren geht, ist es das Gleiche. Wenn man zu Mercedes geht, ist es das Gleiche."

"Jeder wird das Gleiche sagen. Sogar Red Bull hatte Höhen und Tiefen. Aber jetzt müssen wir verstehen, warum wir Rückschläge hatten und wie wir uns verbessern können."

"Ich werde immer alle im Team pushen, aber ich habe irgendwie ein gutes Gefühl, dass es nicht nur meine Aufgabe ist, immer zu pushen. Es ist auch die Mentalität des Teams, zu versuchen, morgen einen besseren Job zu machen als heute. Und ich denke, das tun wir", bleibt der Ferrari-Teamchef zuversichtlich.

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