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Der Trick mit wassergekühlten Reifen: Paranoia oder echter Vorteil?
Der Verdacht um Flüssigkeitszugabe in Reifen sorgte zuletzt für Spannungen in der Formel 1 - Aber was bringt der vermeintliche Temperatur-Trick wirklich?
(Motorsport-Total.com) - In einer Formel-1-Saison, die von technischen Intrigen zwischen den Topteams geprägt ist, zog der Grand Prix von Brasilien vor knapp zwei Wochen die Aufmerksamkeit durch Verdachtsmomente über einen möglichen Trick bei der internen Wasserkühlung von Reifen auf sich.
Die Spekulationen folgten auf wilde Gerüchte über asymmetrische Bremssysteme, flexible Frontflügel, McLarens "Mini-DRS" und Red Bulls verstellbaren Frontbib.
Wenn sich der Kampf zwischen den großen Teams der Formel 1 intensiviert und es an der Spitze eng wird, passiert es nicht selten, dass Leistung des Hauptkonkurrenten durch politisches Taktieren zu behindern versucht wird, anstatt selbst etwas Ähnliches zu verfolgen - was wesentlich mehr Ressourcen kosten würde.
Der aktuelle Verdacht
Die neueste Geschichte dreht sich um die Frage, ob einige Teams ihren Reifen womöglich eine sehr kleine Menge Flüssigkeit hinzufügen, um die Temperatur zu kontrollieren.
Während sich die Anschuldigungen auf mehrere nicht identifizierte Teams konzentrieren, wird vermutet, dass Red Bulls Hauptinteresse offensichtlich dem engsten Rivalen McLaren gilt. Dieser streitet jegliches solches Verhalten jedoch ab.
Interessanterweise ist Red Bull selbst mit dieser Taktik bestens vertraut, da man davon ausgeht, dass das Team diese in der Vergangenheit eingesetzt haben, bevor dies vor einigen Jahren durch eine Technische Direktive der FIA verboten wurde.
Grauzonen in den Regeln
Die Angelegenheit könnte jedoch in eine Grauzone fallen, da Technische Direktiven nur beratenden Charakter haben. Letztendlich liegt es nämlich an den Rennkommissaren, die Formulierungen der Vorschriften auszulegen, um festzustellen, ob Teams tatsächlich gegen die Regeln verstoßen haben oder nicht.
In diesem Fall befassen sich die technischen Vorschriften zur Reifenbehandlung nur mit der Entfernung von Flüssigkeit aus den Reifen - nicht mit dem Hinzufügen.
Artikel 10.8.4 lautet: a) Reifen dürfen nur mit Luft oder Stickstoff befüllt werden, und b) Jeder Prozess, dessen Ziel es ist, die Feuchtigkeitsmenge im Reifen und/oder im Füllgas zu reduzieren, ist verboten. Theoretisch scheint das Aufpumpen der Reifen mit feuchter Luft also nicht ausdrücklich verboten zu sein.
Pirellis Perspektive
Fotostrecke: Schwarzes Gold: Alle Reifenhersteller der F1
In der Geschichte der Formel 1 engagierten sich neun verschiedene Reifenhersteller: Zwei davon hatten oder haben ihren Ursprung in Großbritannien, zwei in den USA und jeweils einer in Deutschland, Japan, Belgien, Frankreich und Italien. Hochzeiten des später als "Reifenkrieg" bezeichneten Szenarios mit mehreren Zulieferern zum gleichen Zeitpunkt sind die Jahre 1954 und 1958, als sechs verschiedene Firmen ihre Produkte ins Rollen bringen. 1950 beginnt alles mit vier Marken... Fotostrecke
Pirelli liefert die Reifen an die Teams mit "trockener Luft" im Inneren. Mario Isola erklärt: "Wir haben einen Trockner, der an unser System angeschlossen ist, und die Teams erhalten alle Reifen mit trockener Luft, wie es in den Vorschriften steht."
"In der Technischen Direktive steht, dass jede Änderung daran verboten ist, und das ist ziemlich klar", hält der Motorsportchef des Formel-1-Reifenausrüsters fest.
Red Bulls Verdacht
Red Bull wandte sich dennoch an die FIA zu diesem Thema, da das Team glaubt, dass einige andere Teams durch die Veränderung der Luftzusammensetzung und das Einspritzen einer Kühlflüssigkeit - sei es Wasser oder eine andere Substanz - durch das Ventil in die Reifen einen Vorteil gesucht haben könnten.
Beweise für diese Taktik sollen angeblich gefunden worden sein. So seien Wasser und Wasserflecken im Inneren einiger Felgen entdeckt worden, nachdem Reifen in Pirellis Werk in Singapur nach dem Rennen demontiert worden waren.
Der mögliche Vorteil
Der Anreiz ist klar: Pirellis Reifen reagieren empfindlich auf Temperaturen und sind darauf ausgelegt, über ihre Lebensdauer thermisch abzubauen. Teams und Fahrer versuchen daher ständig, das richtige Gleichgewicht zwischen der Masse- und der Laufflächentemperatur des Reifens zu finden.
Wenn man die Reifen kühler halten kann als die Konkurrenz und sie nicht aus dem Arbeitsfenster herausfallen, resultiert dies in einer besseren Leistung und längeren Stints.
Aus diesem Grund wird von den Teams auch erheblicher Aufwand an Zeit, Geld und Ressourcen aufgebracht, um das Zusammenspiel der Komponenten, die die thermische Abnutzung der Reifen beeinflussen, bestmöglich zu verstehen.
Beschränkungen und Möglichkeiten
Die Felge ist mittlerweile ein standardisiertes Bauteil, das von BBS an alle Teams geliefert wird, was Tricksereien erschwert. Auch die äußere Radabdeckung und ein Großteil der Bremskanaldesigns sind vorgegeben, was ihre Nutzung für aerodynamische oder thermodynamische Vorteile weiter einschränkt.
Dennoch bieten die Bremsanlage und das Innendesign der Trommel - wenn auch begrenzter als früher - weiterhin Spielraum für Ingenieure, um die vom Bremssystem erzeugte Wärme und deren Übertragung auf die Reifentemperatur zu steuern.
Jedes Team hat seine eigenen Methoden zur Steuerung des Wärmeaustauschs zwischen den Komponenten, was bedeutet, dass einige dies besser können als andere.
Das mögliche Ziel
Es wird davon ausgegangen, dass die Einführung eines Kühlmittels in den Reifen diesen Prozess unterstützt, da es den Feuchtigkeitsgehalt verändert, was wiederum die Massetemperatur und den Druck im Reifen beeinflussen dürfte.
Wahrscheinlich wird die Temperatur niedriger sein, als wenn nur trockene Luft verwendet wird, aber es gibt parallel dazu auch einen Druckanstieg. Das mag kurzfristig wie ein Nachteil aussehen, da Teams traditionell versuchen, so nah wie möglich an dem von Pirelli vorgeschriebenen Mindestreifendruck zu arbeiten.
Da das Reglement jedoch ein Auto begünstigt, das weniger empfindlich auf Schwankungen in der Bodenfreiheit reagiert, aber auch verlangt, dass die Fahrzeuge so niedrig wie möglich sein müssen, um aerodynamische Vorteile zu erzielen, könnte es sinnvoll sein, mehr Druck zu haben, als sonst vielleicht ideal wäre.
Dieser Meinung ist auch Isola, der darauf hinweist, dass sich die Teams in der Vergangenheit für eine ähnliche Richtung entschieden, um die aerodynamische Leistung zu verbessern, auch wenn es kurzfristig zum Verlust an Reifenhaftung führt.
"Ich erinnere mich, dass vor ein paar Jahren die meisten Teams den vorderen Reifendruck erhöht haben, um einen steiferen Reifen zu haben und die Fahrhöhe zu senken."
"Sie nahmen eine kleinere Aufstandfläche in Kauf, weil das aerodynamische Set-up des Autos besser war. Bei der Balance zwischen den beiden ging es also um Performance - aufgrund des Abtriebs, den sie erreichen konnten", sagt Isola.
FIA-Inspektion
Es wird angenommen, dass die FIA die Reifen und Felgen beim Grand Prix von Brasilien genau inspiziert hat, um nach Spuren von zusätzlicher Flüssigkeit zu suchen.
Es wurde jedoch nichts gefunden. Und auch wenn dieser erhöhte Fokus sicherstellen dürfte, dass niemand mehr mit dieser Taktik spielen wird, bleibt die Frage, ob jemand damit früher im Jahr durchgekommen ist, weiterhin offen.