Siege vom schlechtesten Startplatz: Den Rekord kann Verstappen nicht knacken
Nur sechsmal schaffte ein Fahrer in der Formel 1 den Sieg von Startplatz 17 oder schlechter in der Startaufstellung - einem gelang das Kunststück dafür gleich doppelt
(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen gelang beim Großen Preis von Brasilien eine Fabelfahrt: Der Niederländer musste, nach Aus in Q2 und fünf Startplätzen Strafe für den Wechsel des Verbrennungsmotors an seinem RB20, von Position 17 in den Grand Prix starten - und gewann im Regen von Sao Paulo am Ende dennoch das Rennen! Doch wo ist Verstappens irre Aufholjagd historisch einzuordnen?
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John Watson und Niki Lauda feiern auf dem Podium in Long Beach 1983 Zoom Download
Unglaublich: Vor Verstappen glückte überhaupt nur drei Fahrern in der Formel 1 ein Sieg von noch weiter hinten in der Startaufstellung. Fakt ist aber auch: Einstellen können der Weltmeister und seine 19 Fahrerkollegen im Feld den Rekord aktuell nicht - dafür müsste die Formel 1 und Besitzer Liberty Media nämlich erstmal Andretti als elftes Team zulassen ...
Wer die gleiche Meisterleistung wie Verstappen vollbrachte, wer sogar eine noch größere Aufholjagd hinlegte, und wem das Kunststück gleich zweimal gelang - das verraten wir in unserem Ranking der Siege vom schlechtesten Startplatz in chronologischer Reihenfolge:
John Watson - 1982, Großer Preis von Detroit: Startplatz 17
Nur fünf Siege gelangen dem Nordiren John Watson in seiner Formel-1-Karriere, doch die beiden letzten davon hatten es in sich, schaffen sie es doch beide in diese Liste! Der erste Husarenritt Watsons kam 1982 auf den Straßen von Detroit, nachdem er im Qualifying mit dem Fittipaldi von Chico Serra kollidiert war, und deswegen nicht über Startplatz 17 hinauskam.
Doch im Rennen kam Watson, der nur einen Monat zuvor bereits den Grand Prix in Belgien gewonnen hatte, und sich in starker Form befand, überraschend schnell durchs Feld gepflügt. Sein Meisterstück folgte dann im 30. Umlauf, als er Niki Lauda, Eddie Cheever und Didier Pironi alle auf derselben Runde überholte.
Anschließend stampfte er in Windeseile die 15 Sekunden Rückstand auf Leader Keke Rosberg ein, der mit seinen Reifen zu kämpfen hatte, schnappte sich schließlich auch den Finnen - und damit den Sieg in Detroit. Doch es sollte nicht Watsons letzter Streich bleiben ...
Kimi Räikkönen - 2005, Großer Preis von Japan: Startplatz 17
Der letzte Pilot, dem vor Verstappen ein Sieg von Rang 17 oder weiter hinten in der Startaufstellung gelang, war 2005 Kimi Räikkönen in Suzuka. Obwohl McLaren-Mercedes in der zweiten Saisonhälfte des Jahres das stärkste Auto hatte und Seriensiege einfuhr, hatte Renault-Pilot Fernando Alonso bereits im Rennen zuvor in Brasilien den Fahrertitel klargemacht.
Gemäß dem Reglement fand das Qualifying damals als Einzelzeitfahren statt - bei Regenfällen, wie an jenem Wochenende in Suzuka, jedoch eine Lotterie, je nachdem welche Bedingungen die Fahrer gerade erwischten: Wie viele andere Favoriten auch, wurde Räikkönen deshalb nach hinten gespült, auf den 17. Startplatz.
Am trockenen Sonntag bahnte sich der Finne mit seiner starken Pace aber zügig den Weg durchs Feld, lag in Runde 30 immerhin schon wieder auf dem vierten Rang, wenn auch mit 17 Sekunden Rückstand auf den Führenden Giancarlo Fisichella. Nach den finalen Boxenstopps lag Räikkönen auf Platz zwei, mit neun Sekunden Rückstand bei noch acht Umläufen.
Zu Beginn der letzten Runde tauchte der McLaren-Mercedes dann im Windschatten seines Renault-Kontrahenten auf: Räikkönen zog vor Kurve eins mit einem spektakulären Manöver noch an Fisichella vorbei, entriss dem Italiener einen sichergeglaubten Grand-Prix-Sieg damit buchstäblich in letzter Minute.
Max Verstappen - 2024, Großer Preis von Brasilien: Startplatz 17
In der WM schmolz Max Verstappens großer Vorsprung auf Verfolger Lando Norris über Monate hinweg langsam, aber beständig dahin, hatte McLaren doch spätestens ab Sommer das stärkere Paket und war der letzte Sieg des Niederländers zu diesem Zeitpunkt schon vier Monate her.
In Brasilien waren die Vorzeichen umso schlechter, da Verstappen nicht nur eine Motorstrafe mit fünf Plätzen Rückversetzung absitzen musste, sondern im verregneten Qualifying auch schon in Q2 scheiterte.
Von Startplatz 17 aus machte der Red-Bull-Pilot jedoch bereits in der nassen Startrunde fleißig Plätze gut und fand sich umgehend in den Top 10 wieder. Seine Regenqualitäten in Sao Paulo hatte Verstappen bereits 2016 mit einer Aufholjagd von Platz 16 auf Rang drei unter Beweis gestellt, doch anno 2024 setzte er noch eins drauf.
Begünstigt durch eine rote Flagge, und einen damit geschenkten Reifenwechsel, wurde Verstappen auf Platz zwei vorgespült, vor allem aber vor Titelrivale Norris, der wie die gesamte Spitzengruppe zum Reifenwechsel gekommen war. Beim Restart nach einer weiteren Safety-Car-Phase fackelte er dann nicht lange, schnappte sich den Überraschungsführenden Esteban Ocon und enteilte dem Feld danach ungefährdet in Richtung Zielflagge.
Rubens Barrichello - 2000, Großer Preis von Deutschland: Startplatz 18
Die Tränen von Hockenheim gingen in die Geschichte ein: Doch bevor bei Rubens Barrichello alle Dämme brachen, galt das erstmal für den Himmel über den langen Waldgeraden des Hockenheimrings. Nach einem Problem mit der Elektrik seines Ferrari kam der Brasilianer im Qualifying nicht über den 18. Rang hinaus - nicht unbedingt die Vorzeichen, die auf einen ersten Grand-Prix-Sieg Barrichellos hätten tippen lassen.
Doch ein Raketenstart und eine starke Strategie brachten den Scuderia-Pilot zurück in die Verlosung. Schon am Ende der Startrunde war der damalige Teamkollege von Michael Schumacher Zehnter, während sein deutscher Stallgefährte nach einer Kollision mit Giancarlo Fisichella zum Leidwesen der Heimfans früh ausschied.
In den folgenden fünf Runden machte Barrichello indes weitere fünf Plätze gut. Mit schnellsten Rennrunde in Serie schob er sich bis Runde zwölf auf Platz vier, in Runde 15 schon auf Rang drei, ehe der Ferrari-Pilot zum Reifenwechsel abbog. Als in Runde 35 jedoch Regen einsetzte, und die Führenden zum Stopp kamen, zockte der Brasilianer und setze anders als die Gegner nicht auf Regenreifen.
Das zahlte sich aus, Barrichello gelang es trotz der wechselhaften Bedingungen seinen Ferrari auf der Strecke zu halten, und nach 123 Grand-Prix-Starts durfte er endlich jubeln - es war zudem der erste Sieg eines Brasilianers seit dem Tod von F1-Ikone und Barrichellos Idol Ayrton Senna, weshalb der emotionale Ferrari-Pilot auf dem Podium heulte wie ein Schlosshund.
Bill Vukovich - 1954, Indianapolis 500: Startplatz 19
Zugegeben, der Indy-500-Triumph von Bill Vukovich stellt in gewisser Weise eine Anomalie in dieser Liste dar, ist der Klassiker in der Steilwand doch nicht als klassischer Grand Prix zu werten - zwischen 1950 und 1960 gehörten die Indianapolis 500 aber dennoch zum Rennkalender der Formel 1.
Bereits im Vorjahr hatte der US-Amerikaner das legendäre Rennen auf dem Brickyard gewonnen, doch in einem bereits zwei Jahre alten Auto lief es in der Qualifikation zunächst überhaupt nicht für Vukovich, der nicht über Rang 19 hinauskam.
Die Gesetzmäßigkeiten im Oval waren allerdings auch damals schon andere, und in Runde 61 fand sich Vukovich ein erstes Mal kurzzeitig in Führung wieder, ehe er einen Boxenstopp einlegte. Das Szenario wiederholte sich in Runde 92, wieder fiel er durch einen Stopp anschließend zurück.
In Runde 150 übernahm Vukovich die Spitzenposition dann aber ein drittes Mal und gab sie bis zur karierten Flagge nicht mehr ab, wodurch er seinen Vorjahrestriumph verteidigte. Tragisch: Ein Hattrick blieb Vukovich verwehrt, nur ein Jahr später wurde er als Führender bei den Indianapolis 500 in eine Kollision von vier Autos verwickelt und kam dabei ums Leben.
John Watson - 1983, Großer Preis der USA West: Startplatz 22
Der König der Aufholjagden schlug ein weiteres Mal zu: Kein Jahr nach seinem wilden Ritt von Detroit war es erneut US-amerikanischer Boden, auf dem Watson sein Gustostück hinlegte. Zuerst lief es aber schlecht für ihn und sein McLaren-Team, das im Qualifying nicht über die Plätze 22 und 23 für Watson und Teamkollege Niki Lauda hinauskam.
Änderungen an der Streckenführung in Long Beach sorgten für viel Ärger bei den Fahrern und Rennställen, da der Kurs am Hafen von Los Angeles durch das modifizierte Layout extreme Bodenwellen hatte. Auch mit den Michelin-Reifen hatten die Piloten zu kämpfen, doch mit mehr Sprit an Bord konnten die McLaren-Fahrer zumindest im Renntrimm ihre Pneus besser auf Temperatur bringen.
Lauda war am Start zunächst an Watson vorbeigezogen, als Tandem bahnte sich das Duo danach mit überlegener Pace den Weg durchs Feld. In Runde 28 waren die McLaren bereits Dritter und Vierter, ehe Watson sich seine Position von Lauda am Ende des Shoreline Drives zurückholte.
Um die Führung kämpften derweil Jacques Laffite und Ricardo Patrese. Nach einem Ausrutscher beim Überholversuch musste Patrese das McLaren-Duo jedoch ziehen lassen, das sich danach an die Verfolgung des Führenden machte - und auch diesen schließlich einkassierte, weil Laffite seinerseits Probleme mit den Reifen hatte.
Für Watson war der Triumph von Long Beach sein letzter in der Formel 1 - und mit Sicherheit sein größter, wie der Umstand beweist, dass er damit noch über 40 Jahre später den Rekord für den schlechtesten Startplatz bei einem Sieg in der Königsklasse hält.