Formel-1-Technik: Das Ferrari-Update, das kein Update ist
Was ein Frontflügel-Update mit den jüngsten Erfolgen von Ferrari in der Formel 1 zu tun hat und wie genau das italienische Team seinen Frontflügel verändert hat
(Motorsport-Total.com) - Ferrari hat den USA-Grand-Prix 2024 in Austin dominiert, und das ohne technische Updates und an einem Wochenende, bei dem die meisten anderen Teams mit Neuteilen angereist sind. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn Ferrari hat den SF-24 sehr wohl verändert.
Das offizielle Update-Dokument des Automobil-Weltverbands (FIA) gibt darüber keinen Aufschluss. Dort ist für Austin zu lesen, dass Ferrari keine Neuerungen gemeldet habe.
Hat Ferrari also falschgespielt? Mitnichten: Laut dem Sportlichen Reglement der Formel 1 müssen nicht alle Veränderungen am Auto im FIA-Dokument angegeben werden.
Artikel 19.1 c) beschreibt, was die Teams einreichen müssen, nämlich "alle großen aerodynamischen und Chassis-Komponenten und Konstruktionen, die bisher nie bei anderen Rennwochenenden oder Tests eingesetzt wurden und die ein Team für den Einsatz am Rennwochenende vorsieht".
Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur hat nach dem Doppelsieg in Austin außerdem mehrfach betont: Nur weil man keine Update-Angaben gemacht habe, bedeute das nicht, Ferrari sei ohne Updates gewesen. Was genau neu war am SF-24 in Austin, dazu sagte Vasseur aber nichts.
Mehr Aero-Elastizität für die Ferrari-Flügel
Spekulationen zufolge hatte Ferrari modifizierte Frontflügel dabei. Rein äußerlich ist kein Unterschied zu den in Singapur verwendeten Frontflügeln zu erkennen. Ferrari-nahe Quellen jedoch behaupten, das Team habe vor Austin die Konstruktion verbessert, um die Aero-Elastizität der Frontflügel besser ausnutzen zu können. Das wäre keine Überraschung, schließlich sind flexible Frontflügel ein beständiges Thema in der Formel-1-Saison 2024.
Die Theorie dazu: Wenn sich die Frontflügel während der Fahrt verbiegen, kann das positive Auswirkungen auf die Fahrzeugbalance haben. Konkret: Untersteuern bei geringer Geschwindigkeit und Übersteuern bei hoher Geschwindigkeit können dadurch abgemildert werden.
Ferrari könnte die Saison in dieser Hinsicht zu konservativ begonnen haben, während es andere Teams übertrieben haben, und deshalb sah sich der Weltverband zu einer Klarstellung gezwungen, was bei der Frontflügel-Konstruktion erlaubt ist und was nicht. Das hat es Ferrari ermöglicht, selbst einen aggressiveren Weg einzuschlagen.
Ferrari meint: Es kommt auf Details an
Ein optimierter Flexi-Frontflügel ist nichts, was ein Auto über Nacht dramatisch verbessert, aber in einer Saison, in der die Abstände zwischen den Teams so überaus gering sind, kann ein solches Detail einen Unterschied ausmachen.
Vasseur jedenfalls meint: "Es ist sicherlich nichts, was eine Trendwende einläuten kann. Doch wir befinden uns in einer Situation, in der es auf jedes Hundertstel ankommt."
"Im Qualifying hatten wir zwei oder drei Autos um weniger als eine Zehntelsekunde hinter uns. Wenn uns solche Details also ein paar Hundertstel einbringen, dann müssen wir das machen."
Wie Ferrari den Singapur-Flügel verändert hat
Das ursprünglich in Singapur eingeführte Frontflügel-Design von Ferrari versteht sich als Evolution des Frontflügels, den Ferrari bereits davor verwendet hatte. Viele Konstruktionsmerkmale hat das Team für die neue Ausbaustufe übernommen. An anderer Stelle wurde die Entwicklung forciert.
Was also war neu in Austin? Am auffälligsten sind die üblichen Anpassungen bei den einzelnen Flaps und deren Ausrichtung. Verändert präsentiert sich jedoch auch die zentrale Mulde im Hauptprofil vor der Nase des Fahrzeugs, womit die gesamte Frontpartie ein anderes aerodynamisches Profil erhält.
Interessant ist aber vor allem der äußere Bereich des Frontflügels mit den Stellen, an denen die einzelnen Flaps auf die seitliche Endplatte treffen. Dort wird die Luft nach hinten abgeleitet. Die aerodynamischen Komponenten in diesem Bereich geben also vor, wie der Luftstrom auf die Vorderräder und die Aufhängung trifft und, in einem zweiten Schritt, wie die Luftverwirbelungen an der Vorderachse ausfallen.
In der Austin-Version sind die einzelnen Flaps an ihrer Verbindung zur Endplatte nach oben gebogen und weisen eine Rundung auf, die es vorher nicht gab. Ferrari verzichtet zudem auf Verstärkungen aus Metall. Damit entfalten die neuen Komponenten eine ganz andere Wirkung als die bisherige Lösung.
Das bedeutet: Ferrari profitiert bei seinem neuen Frontflügel mehr als bisher von der Aero-Elastizität und scheint hier einen großen Fortschritt erzielt zu haben.