• 16. Oktober 2024 · 13:04 Uhr

Die Reifen richtig managen: Was es mit der "Pirelli-Magie" auf sich hat

Mit der "Pirelli-Magie" zu spielen, ist in der Formel-1-Saison 2024 zu einer unschätzbaren Fähigkeit geworden - Mario Isola erklärt die Hintergründe

(Motorsport-Total.com) - Da das Feld der Formel 1 immer enger zusammenrückt, werden kleinste Details in den Kämpfen um den Sieg immer wichtiger. Ein Bereich, der zunehmend Aufmerksamkeit erhält, ist das Verhalten der Reifen und insbesondere, wie sie über Rennstints hinweg besser gehandhabt werden können.

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Wie Fahrer kurz nach dem Stopp mit den Reifen umgehen, kann entscheidend sein Zoom Download

Teams und Fahrer haben schnell erkannt, dass spezielle Kniffe nötig sind, um das zu meistern, was Ferrari-Pilot Carlos Sainz als "Pirelli-Magie" bezeichnet hat.

Er spricht damit eine Besonderheit der aktuellen Reifengeneration an: Die Art und Weise, wie sich die Reifen über einen kompletten Stint verhalten, hängt vollständig davon ab, wie sie in den ersten Runden nach dem Boxenstopp behandelt werden.

Wenn man zu früh zu stark pusht, können die Reifen überhitzen und verlieren an Leistung. Startet man jedoch zu behutsam aus der Box, um die Reifen sanft aufzubauen, riskiert man, möglicherweise die Position auf der Strecke zu verlieren.

Ein Paradebeispiel hierfür war der Grand Prix von Aserbaidschan. Die Reifen von Charles Leclerc ließen in der Schlussphase nach, nachdem er gezwungen war, zu Beginn seines letzten Stints hart zu pushen, um sich gegen Oscar Piastri zu behaupten. Im Gegensatz dazu kamen die Reifen von Sainz und auch George Russell am Ende des Stints erst richtig in Schwung, nachdem sie sie anfangs geschont hatten.


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Sainz beschreibt dieses Dilemma: "Es ist ein schmaler Grat, eine sehr präzise Methode. Man muss ein bisschen mit der Pirelli-Magie spielen, je nach Streckenlayout, Asphalt und den Mischungen, da einige Mischungen empfindlicher sind als andere."

"Man muss die Strategie genau abwägen und sich überlegen, ob sich das Risiko lohnt, oder ob der Undercut/Overcut zu wichtig ist, um das zu riskieren. "In den ersten drei Runden des Stints gibt es so viele Dinge zu bedenken: Will man sein Pulver in diesen Runden verschießen oder später im Rennen", erklärt Sainz.

"Es ist sehr leicht, sich zu verschätzen, weil man nie weiß, was in der Zukunft passieren wird. Und man könnte sein Pulver für etwas verschwendet haben, das es nicht wert war."

Das Schlüsselelement dieser "Pirelli-Magie" liegt in der Reifentemperatur, die stark von der Art und Weise beeinflusst wird, wie mit frischem Reifengummi umgegangen wird.

Isola erklärt: "Es geht hauptsächlich um Chemie"

Pirelli-Rennchef Mario Isola erklärt: "Es ist eine Frage des thermischen Verhaltens der Mischung. Der Übergang zwischen 70 Grad (Ausgangstemperatur; Anm. d. R.) und dem Betriebsdruck ist ziemlich wichtig, weil man die chemischen Bindungen der Mischung verändert, was thermischen Abbau verursachen kann."

"Wenn man den Reifen in den ersten paar Runden sanft einführt, schockt man den Reifen weniger, belastet ihn weniger und hat somit weniger Abbau", weiß der Experte.

Eine sanftere Einführung des Reifens bedeutet, dass die Temperatur der Oberfläche nicht in die Höhe schnellt, und das hat langfristige Vorteile für die noch wichtigere Temperatur der Karkasse. "Es geht hauptsächlich um die Chemie. Wenn man dem Reifen viel Energie und Wärme zuführt, verändert man die chemischen Verbindungen, und das führt zu einer stärkeren Zersetzung", sagt Isola.


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Doch die Umsetzung dieser "Pirelli-Magie" ist alles andere als einfach. Es reicht nicht aus, dem Fahrer zu sagen, dass er es in den ersten Runden nach dem Verlassen der Box ruhig angehen lassen soll. "Manchmal muss man sogar ein bisschen mehr pushen, um die Vorderreifen aufzuwärmen", betont Isola.

"Es hängt also von der Abstimmung des Autos ab. Es kommt darauf an, wie sehr man die Hinterreifen schonen will. Wenn man die Hinterreifen sehr schont, muss man die Vorderreifen aufwärmen, also muss man etwas mehr pushen."

"Wenn man es zu langsam angehen lässt, riskiert man, dass die Reifen nicht einsatzbereit sind. Es ist eine Herausforderung für die Teams", so Pirellis Formel-1-Chef. "Sie haben Ingenieure, die sich damit beschäftigen, wie die Reifen funktionieren und wie sie die maximale Leistung aus den Reifen herausholen können."

"Ich weiß, dass alle Teams ihre Fahrer instruieren, wie sie die Outlap fahren müssen, um das Beste aus den Reifen herauszuholen. Sie haben die Temperaturen am Lenkrad, sodass sie wissen, wie viel sie pushen müssen und wie viel sie zurücknehmen müssen, um die Reifen zum richtigen Zeitpunkt bereit zu haben."

Warum die Reifen plötzlich im Fokus stehen

Es überrascht daher nicht, dass Haas beim Vorsaisontest der Formel 1 in Bahrain viel Zeit darauf verwendete, diesen Aspekt der Rennperformance zu optimieren.

Der Teamchef von Haas, Ayao Komatsu, verrät: "An den ersten beiden Tagen haben wir uns intensiv darauf konzentriert, sowohl auf technischer als auch auf Fahrerseite, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was unterschiedliche Handhabungen bewirken. Das war eine Teamleistung, und wir lernen immer noch."

Doch obwohl die "Pirelli-Magie" jetzt ein zentrales Thema zu sein scheint, sagt Isola, dass das nur relevant geworden sei, weil andere Aspekte der Autos nicht mehr den großen Unterschied ausmachen: "Es geht darum, wie wettbewerbsfähig die Meisterschaft derzeit ist. Die Pirelli-Magie ist keine echte Magie."

"Wir verwenden dieselben Mischungen wie letztes Jahr, als noch niemand darüber sprach. Wenn man einen großen Vorteil hat, wie Max Verstappen vor ein paar Jahren, dann ist es egal, ob man den besten Grip hat oder nahe dran ist. Aber wenn man um Positionen kämpfen muss und vier Fahrer innerhalb einer Zehntelsekunde liegen, wird es entscheidend, sich im optimalen Gripbereich zu bewegen."

Dabei ist diese Aufgabe nie abgeschlossen, denn die "Pirelli-Magie" für ein Wochenende perfekt hinzubekommen, ist keine Garantie, dass es beim nächsten Mal genauso klappt.

Wie Tom McCullough, Performance-Direktor von Aston Martin, sagt: "Es ist das Gleichgewicht zwischen meinen Reifen- und Strategietechnikern und den Fahrern, mit dem ich die ganze Zeit jongliere. Es ist von Strecke zu Strecke, von Mischung zu Mischung, von Streckentemperatur zu Streckentemperatur unterschiedlich."

"Das ist es, was man an einem Freitag zu lernen versucht. Wir gehen also in den Freitag und sagen: Mr. Reifen will das und Mr. Strategie will das. Wie einigen wir uns darauf, dass dies der beste Plan ist? Und dann versuchen wir, das zu tun ..."

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