Flexi-Wings in der Formel 1: Illegal, kontrovers, ganz normal?
Trickst McLaren mit seinem Heckflügel oder hat das Team einfach nur clever entwickelt? Im Formel-1-Fahrerlager gehen die Meinungen dazu weit auseinander
(Motorsport-Total.com) - Der McLaren-Heckflügel ist ein großes Gesprächsthema in der Schlussphase der Formel-1-Saison 2024. Seitdem Aufnahmen aus Baku ein "Mini-DRS" offenbart haben, rätselt das Fahrerlager, was genau es damit auf sich hat. Nur die McLaren-Fahrer Lando Norris und Oscar Piastri ficht die Diskussion darüber nicht an.
Norris betonte in Singapur: "Alles ist getestet worden, alles ist legal. Wir tun, was wir können. Darum geht es ja in der Formel 1: Du nutzt alles aus, was die Regeln hergeben. Deshalb bin ich stolz auf das, was das Team tut. Es geht ans Limit, und so muss das auch sein, wenn du an der Spitze kämpfen willst - gegen Leute, die ebenfalls dafür bekannt sind, alles Mögliche auszunutzen."
Denn McLaren ist nicht das erste Team, das durch ungewöhnliche technische Maßnahmen auffällt. Viele Topteams ecken an mit innovativen Lösungen, die von der Konkurrenz kritisch gesehen werden.
Oder wie es Norris formuliert: "Es gibt so viele Regeln und so viele Beschränkungen, aber manche Teams - und jetzt auch wir - finden immer Wege, Details umzusetzen, an die andere gar nicht gedacht haben."
"Und nur, weil man es bei uns sieht: Es gibt viele andere Teams, die etwas Ähnliches machen, aber das sieht man halt nicht im Fernsehen." Die Formel 1, und das dürfe man nicht vergessen, sei auch "ein großes Spiel", meint Norris.
Sein McLaren-Teamkollege Piastri wirkt leicht genervt, als er ebenfalls in Singapur auf das Thema angesprochen wird: "Machen wir ein zu großes Theater wegen ein paar Millimetern? Es ist ja legal, wenn es alle Tests besteht. Und wir werden häufig getestet. Jedes Mal geht das gut. Aber es ist sicherlich nicht das magische Elemente, weshalb wir konkurrenzfähig sind. Es ist auch kein Graubereich [in den Regeln]." (Hier lesen, weshalb die FIA trotzdem einschreitet!)
McLarens Heckflügel werde "jede Woche aufs Neue getestet und ist legal", sagt Piastri. "Du versuchst im Sport immer jedes bisschen Leistung zu finden, ohne dabei gegen die Regeln zu verstoßen. Genau so gehen auch wir vor. Und das braucht es auch, wenn du ein WM-Auto haben willst."
Wer vorne ist, steht in der Kritik
Und weil der McLaren MCL38 inzwischen das Spitzenauto der Formel-1-Saison 2024 ist, schaut man ganz genau hin. "Das ist doch normal", meint Piastri. "Ein erfolgreiches Auto wird immer besonders kritisch beäugt."
"Man denke nur mal an Mercedes vor ein paar Jahren und an den Heckflügel, dessen Berührung 50.000 gekostet hat. Oder wie die Teams seit Jahren versuchen, den DRS-Effekt von Red Bull herauszufinden. In der Vergangenheit gab es schon flexible Frontflügel und dergleichen."
"Die Leute sind dann halt neugierig, warum ein Auto so schnell ist. Ich finde, das ist nichts Persönliches gegen McLaren. Man schaut sich immer an, was die anderen Teams tun. Das ist nur natürlich. Und wenn du an der Spitze bist und ein Auto 30 Sekunden lang direkt hinter dir hast und deine Heckkamera das zeigt, dann fällt es natürlich auch mehr auf."
Welche Reaktion sich Verstappen wünscht
Aufgefallen ist es. Aber laut Red-Bull-Fahrer Max Verstappen war es auch schwierig, sich der ganzen Diskussion zu entziehen. "Das ist doch das Schöne an den sozialen Netzwerken, oder? Jeder hat das Video zur Hand, und dann wird diskutiert", sagt Verstappen mit einem Hauch Ironie in der Stimme.
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Ernsthaft fügt er hinzu: "Es ist ziemlich klar, dass sich was bewegt [am Heckflügel]. Es könnte clever sein oder nicht, aber unterm Strich muss die FIA über die Legalität befinden. Und Baku war ja nicht das erste Mal, dass es verwendet wurde. Es ist auch auf anderen Strecken zum Einsatz gekommen."
"Wichtig wäre eine Klarstellung", meint Verstappen, will diese aber nicht nur auf den konkreten Fall zum McLaren-Heckflügel beschränken: "Es geht auch um den Frontflügel. Was darf man? Wie sehr darf sich ein Flügel verbiegen? Solche Dinge. Deshalb müssen wir einfach abwarten."
Warum eine Klärung notwendig ist
Denn Klärungsbedarf herrscht auch anderswo. Red-Bull-Fahrer Sergio Perez zum Beispiel gibt sich "ziemlich überrascht, weil ich dachte, das ist nicht erlaubt. Es scheint aber erlaubt zu sein." Und es sei "definitiv ein gewaltiger Vorteil" für McLaren, was das Thema für Ferrari-Fahrer Charles Leclerc "mindestens kontrovers" macht.
Haas-Teamchef Ayao Komatsu wiederum sieht genau das "eigentlich nicht". Flexi-Flügel seien in der Formel 1 nichts Ungewöhnliches. "Jeder macht das", sagt Komatsu. "Auch wir. Aber wir sind da noch nicht unter den Besten und müssen es besser lösen."
Gelöst wurden etwaige Unstimmigkeiten zwischen Red Bull und McLaren übrigens im direkten Dialog ohne Zuhilfenahme des Automobil-Weltverbands (FIA) auf dem Rückflug von Singapur: McLaren-Boss Zak Brown postete ein Bild von sich und Red-Bull-Teamchef Christian Horner aus dem Flieger und kommentierte dazu: "Auf dem Heimflug haben wir wieder Frieden gestiftet in der Formel 1." Nachsatz: "Wo ist Netflix, wenn man es braucht!"