"Verdienter Sieger" Hamilton stellt klar: "Ich wollte nicht stoppen"
Lewis Hamilton erbt nach George Russells Disqualifikation in Spa einen Sieg, den er seiner Meinung nach - ohne Russells Taktik-Coup - sowieso hätte einfahren müssen
(Motorsport-Total.com) - Aus Sicht von Lewis Hamilton dürfte die Disqualifikation von Teamkollege George Russell beim Großen Preis von Belgien die Dinge nachträglich wieder zurechtgerückt haben - denn der Brite machte am Sonntag nach der Zieldurchfahrt kein Geheimnis daraus, dass ihm durch die Überraschungsstrategie seines Stallkollegen ein sicherer Sieg denkbar unglücklich durch die Hände geglitten war.
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George Russell verliert den Sieg in Spa, Teamkollege Lewis Hamilton profitiert Zoom Download
"Ich hätte nicht viel anders machen können", äußert Hamilton im "Cooldown-Room" vor der Podiumszeremonie gegenüber Oscar Piastri seine Enttäuschung. In der Pressekonferenz wenig später nimmt der Brite, selbstverständlich noch nichtsahnend in Bezug auf Russells Ausschluss wegen Untergewicht, die Angelegenheit dann schon wieder mit Galgenhumor:
"Ich hatte eigentlich recht leichtes Spiel, hatte es voll unter Kontrolle, und viel Pace UND Reifen übrig", betont Hamilton, der dabei lachen muss: "Es ist dann nur nicht so geendet wie geplant."
Was der Rekordweltmeister, der in Bezug auf Russells Taktik-Coup von einem "Schock am Ende" spricht, damit meint: Dass Mercedes ihn trotz eigentlich entspannter Lage an der Reifenfront zum zweiten Stopp reinholte, und seinen Teamkollegen nicht, dagegen konnte er auch mit starker Pace nichts ausrichten.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff erklärt bei Sky jedoch die Notwendigkeit für die Hamilton-Taktik, die in jenem Moment "die richtige Entscheidung" gewesen sei: "Wir haben Leclerc und Piastri covern müssen, die hätten uns undercuttet. Zu dem Zeitpunkt war das Rennen für ihn von der Strategie entschieden." Bei ServusTV fügt der Österreicher hinzu: "Das mit George war ein echter Gamble, der zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht absehbar war."
"Am besten zwei Sieger": Wolffs Wunsch wird wahr ...
Für Hamilton wird der jedoch zum Nachteil, dagegen halfen auch die Gespräche mit dem Kommandostand am Funk nichts: "Man kann ja hören, was ich die meiste Zeit zum Team gesagt habe: Dass ich denke, dass die Reifen noch ziemlich gut waren. Ich hatte noch viel übrig und wurde schneller, ich wollte nicht stoppen", stellt Hamilton klar.
Der Brite räumt aber auch ein, kein klares Veto gegen einen Stopp abgegeben zu haben: "Nein, ich habe nur gesagt, dass die Reifen gut sind." Deswegen will er trotz aller anfänglichen Enttäuschung über den vermeintlich verlorenen Sieg auch keine große Sache daraus machen: "Ich bin zufrieden und freue mich jetzt einfach auf die Sommerpause", sagt Hamilton, noch im Glauben Zweiter zu sein.
"Ich habe mit ihm gesprochen, er ist okay, und als Fahrer hast du ja auch nicht das volle Bild", gibt es von Teamchef Wolff im Ziel warme Worte in Bezug auf den Rekordweltmeister: "Er hat das Rennen kontrolliert, er hätte es auch verdient. Am besten wäre es heute, zwei Sieger zu haben." Dass Wolff damit wenig später tatsächlich Recht bekommen sollte, eine Ironie des Schicksals ...
Nach der Entscheidung der Stewards, Russell den ersten Platz gut zwei Stunden nach Rennende wieder wegzunehmen, kommentiert der Wiener schlussendlich: "Lewis rückt dadurch auf den ersten Platz auf. Er war der schnellste Fahrer auf der Zweistoppstrategie und ist ein verdienter Sieger."
Mercedes: Drei Siege aus den letzten vier Rennen!
So oder so bleibt nach dem dritten Mercedes-Sieg aus den letzten vier Rennen aber die Erkenntnis, dass die Silberpfeile wieder voll da sind im Konzert der Großen in der Formel 1: Auch deshalb lässt sich Hamilton die Laune vom Schönheitsfehler mit der Strategie nicht wirklich verderben.
"Wir hätten nicht gedacht, dass wir zu diesem Zeitpunkt der Saison mit den McLarens oder Red Bulls kämpfen, so wie wir losgelegt haben. Jetzt haben wir aufgeschlossen, und es wird mit Sicherheit eine höllische zweite Saisonhälfte", freut sich der Brite, endlich wieder aus eigener Kraft um Siege kämpfen zu können.
In Spa habe er damit, vor allem nach dem schwachen Auftakt ins Wochenende, definitiv nicht gerechnet: "Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht heute", sagt Hamilton in Bezug auf die massiven Umbauten an seinem W15: "Am Freitag war es ziemlich katastrophal für uns beide, wir hatten beide große Probleme mit der Balance."
"Heute aber erwachte das Auto zum Leben, und ich war wirklich überrascht: Erstmal davon in Führung zu gehen, und dann auch noch von allen wegzuziehen. Es hat sich vollkommen unter Kontrolle angefühlt, und das hatte ich schon seit Jahren nicht mehr", sagt der nun doch noch 105-fache Grand-Prix-Sieger vor der Abfahrt in den Sommerurlaub.