Ferrari: Red Bull und McLaren sind "uns überlegen, wenn sie aufdrehen"
Ferrari ist im Barcelona-Qualifying nur vierte Kraft: Carlos Sainz ist wegen der Streckencharakteristik nicht überrascht, für Charles Leclerc fehlt einfach die Pace
(Motorsport-Total.com) - Was ist nur los bei Ferrari? Zwei Wochen nach dem Doppel-Aus in Kanada befindet sich die Scuderia offenbar weiter auf Formsuche: "Wer mich ein bisschen enttäuscht hat, waren die Ferrari", wundert sich im Gespräch mit Motorsport-Total.com auch Formel-1-Experte Marc Surer nach der Qualifikation zu Großen Preis von Spanien, in der Charles Leclerc und Carlos Sainz nicht über die Plätze fünf und sechs hinauskommen.
Allerdings hat der Schweizer beobachtet: "Da kam eine große Wolke vor die Sonne, es wurde kühler, die Asphalttemperatur ist von 43 auf 35 Grad runter und ich glaube, das hat den Ferrari langsamer gemacht." Surer glaubt: "Ferrari hat sicherlich im Rennen über die Distanz eine Chance, weil die Reifen schonen. Also dürfen wir die noch nicht abschreiben, auch wenn sie jetzt nicht so gut ausgesehen haben."
Im Qualifying am Samstag sind die Roten aus Maranello nur vierte Kraft: Der extrem enge Abstand zwischen Leclerc und Sainz, von nur fünf Tausendsteln, legt überdies den Verdacht nahe, dass einfach mehr nicht drin war im SF-24: "Ich denke, das ist so. Leider haben wir um Q2 rum gemerkt, dass Red Bull und auch McLaren uns überlegen sind, wenn sie aufdrehen", bestätigt Sainz nach der Qualifikation.
Davon zeigt sich der Spanier beim Heimrennen natürlich "enttäuscht, denn nach dem Training dachte ich ehrlich gesagt, dass wir eine Chance haben dieses Wochenende um die Poleposition zu kämpfen." Dabei ordnet Sainz ein: "Klar, wir können jetzt hier sitzen und sagen, dass nur 0,03 Sekunden zu Platz drei fehlen. Aber die Realität ist, dass ich mehr auf die Lücke zu Lando schaue, als auf die zu Mercedes. Und da sind es dreieinhalb Zehntel - das ist eine Menge Zeit in Barcelona."
Kleiner Lichtblick für Ferrari: Immerhin zeigte bei McLaren und Red Bull nur ein Fahrer im Qualifying starke Leistung, ergebnistechnisch kam Ferrari deshalb noch halbwegs mit einem blauen Auge davon - die eigene Performance bereitet Sainz dennoch Sorgen: "Ich weiß nicht, was mit Checo und Oscar passiert ist, aber der Red Bull und der McLaren sahen etwas außer Reichweite aus, wenn wir ehrlich sind."
Sainz: Barcelona wie Suzuka oder China
Eine mögliche Ursache für die Probleme bei den Roten hat der Ferrari-Star allerdings auch ausgemacht: "Wenn wir uns Suzuka oder China anschauen, mittelschnelle Strecken mit langen Kurven, dann erinnert mich das an Barcelona. Und da waren wir eben auch ein gutes Stück weg."
Besonders die schnelleren Kurven hätten Ferrari "schon das ganze Wochenende über Probleme bereitet", räumt Sainz ein, der als Grund dafür das Hüpfen des Autos ausmacht: "Das killt eventuell auch im dritten Sektor ein bisschen die Reifen", glaubt Sainz, der sich wundert: "Wir sind im dritten Jahr mit den Regeln, und ich spüre in den schnellen Kurven bei Querlast immer noch Porpoising."
Ferrari tue sich schwer damit, das abzustellen, erklärt der Spanier, und lobt im Gegenzug die Konkurrenz: "McLaren und Red Bull hüpfen null, ich denke, die machen da einen guten Job."
Leclerc zwiegespalten: Fortschritt ja, Pace nein
Immerhin die Updates am Ferrari funktionieren nach Meinung des Lokalmatadors gut, wenngleich Sainz aufgrund des wieder angewachsenen Rückstands auf die Spitze fordert: "Wir müssen weiter graben und versuchen Dinge zu bringen." Schließlich sei nun auch Mercedes in den Kampf eingestiegen, "und McLaren hat das Upgrade aus Miami von einem Schritt hinter uns einen Schritt vor uns befördert."
Teamkollege Charles Leclerc, in Monaco vor wenigen Wochen noch der gefeierte Held, findet sich in Barcelona ebenfalls auf dem harten Boden der Tatsachen wieder: Vor allem der Trainingsfreitag sei ein schwieriger Tag gewesen, berichtet Leclerc, der wegen Vergleichstests mit dem alten Paket praktisch die erste Session opferte: "Dadurch bin ich bisschen spät in den Rhythmus gekommen", so der Monegasse, der sich auch im zweiten Training entsprechend schwer tat.
"Für heute haben wir nicht alles, aber schon ziemlich viel am Auto verändert. Im dritten Training hat es sich damit gleich einfacher angefühlt, die Pace ist aber trotzdem nicht da", räumt Leclerc bei aller Freude über eine verbesserte Fahrbarkeit ein: "Also ja, in gewisser Weise bin ich mit dem Fortschritt happy", sagt Leclerc, der hofft, dass dieser sich im Rennen noch auszahlt.
"Aber ich bin nicht happy, sondern enttäuscht mit der Pace, die das Auto heute im Qualifying hatte, weil wir weiter weg sind als erwartet", erklärt der Ferrari-Star. Zwar lobt auch Leclerc prinzipiell Ferraris Upgrades, der Monegasse weiß aber auch: "Es ist immer ein relativer Sport, andere Teams haben auch Upgrades gebracht, und dann hängt es davon ab, wer Wie viel Fortschritt gemacht hat."
Dabei stellt Leclerc klar: "Dieses Upgrade war ein Performance-Upgrades und keines in Sachen Fahrbarkeit." Und die Performance habe sich auch entsprechend verbessert, "zu 100 Prozent, das können wir in den Daten sehen", verrät Leclerc. Deshalb herrsche generell "mehr Optimismus mit diesem neuen Paket", so der Ferrari-Pilot, "aber das würde ich trotzdem nicht als Ausrede gelten lassen: Ich denke, dieses Wochenende fehlt uns einfach ein bisschen die Pace."
Dabei will Leclerc auch weniger auf die gewachsene Gegnerschaft schauen, als auf sich selbst und sein Team: "Ich denke, dass es mehr darum geht, dass wir dieses Wochenende nicht performen, wie wir sollten - und das müssen wir uns anschauen", kündigt Leclerc lange Sitzungen mit den Ingenieuren für die Nacht an.
Schließlich ist der Ferrari-Star überzeugt: "Es gibt etwas, das wir dieses Wochenende bis jetzt noch übersehen haben, deswegen werden wir es uns anschauen. Und ich bin sicher, dass wir es auch finden werden."