Ricciardo für Fehlstart entlastet, Tsunoda räumt Fehler ein: "Ziemlich enttäuscht"
Frust bei Tsunoda nach weggeworfenen Punkten, Freude bei Ricciardo über starken Auftritt: Das war beim Frühstart des Racing-Bulls-Piloten in Montreal los
(Motorsport-Total.com) - Die Legende vom Honigdachs ist in Zusammenhang mit Daniel Ricciardo schon oft erzählt worden: Ein optisch possierliches Tierchen, "das aber komplett durchgeht, wenn jemand in sein Territorium eindringt", wie Ricciardo es einmal beschrieb. Dann greift es an - und rammt seine Zähne in den Gegner, an diesem Wochenende also wohl in Jacques Villeneuve.
Dieser hatte auf dem Kurs, der den Namen seines Vaters trägt, kein gutes Haar an Ricciardos Leistungen gelassen und dem Aussie empfohlen doch ganz einfach nach Hause zu gehen - nach der Jacques-Attacke packte der Racing-Bulls-Star dann tatsächlich den Honigdachs aus und schoss verbal mehr als angriffslustig zurück.
Noch wichtiger war aber natürlich, auch auf der Strecke die entsprechenden Taten folgen zu lassen - doch allem Anschein nach war Ricciardo zu heiß darauf, es allen Kritikern so richtig zu zeigen, wie sein Frühstart offenbarte, für er noch im Rennen eine Fünf-Sekunden-Strafe erhielt: Mehr als nur ein kleiner Schönheitsfehler und damit frischer Wind auf die Mühlen aller Villeneuves?
Mitnichten, denn das Team nimmt Ricciardo nach dem Rennen in Schutz: "Daniel erhielt zu Beginn eine Strafe, weil sich in der Startaufstellung leicht bewegt hat, bevor die Ampel ausging. Er hat die Prozedur aber korrekt befolgt, weshalb es so aussieht, als ob es am Auto lag", entlastet Guillaume Dezoteux, Leiter Fahrzeug-Performance bei den Racing Bulls, Ricciardo.
Der Ingenieur sagt: "Wahrscheinlich hat ein leichter Kupplungswiderstand das Auto ein paar Zentimeter nach vorne verschoben." Auch Ricciardo selbst wundert sich nach dem Grand Prix: "Ich war etwas verwirrt wegen der Strafe für den Frühstart, weil ich mir sicher war, dass ich nicht zu früh losgefahren bin. Ich erinnerte mich aber, dass ich während des Starts das Gefühl hatte, dass sich das Auto leicht bewegte. Mein Tipp wäre eine Kupplungsgeschichte."
Glück im Unglück: Auch die Stewards stellten das fest und sprachen für den Racing-Bulls-Pilot deshalb die "geringstmögliche Strafe" aus, also fünf Sekunden, die er beim ersten Boxenstopp hinter dem Safety-Car absitzen konnte, weil er, wie es in der Urteilsbegründung der Regelhüter heißt, durch den Vorfall "keinen sportlichen Vorteil" erzielt habe.
Ganz im Gegenteil, verlief der Start tatsächlich doch eher bescheiden: Vom fünften Platz aus fiel Ricciardo zunächst auf den siebten zurück, anschließend musste er auch noch die beiden Haas mit ihren Regenreifen passieren lassen. "Das Rennen schien uns aus der Hand zu gleiten, beim Start selbst bin ich nur gedriftet und habe einige Positionen verloren", sagt Ricciardo.
Tsunoda hadert: "Musst das Auto ins Ziel bringen"
Mit der Hypothek der Strafe und einem im Nachhinein wohl überflüssigen Stopp für neue Intermediates, während einige Gegner auf der Strecke blieben, ging es für Ricciardo zunächst immer weiter nach hinten - und auch hinter Teamkollege Yuki Tsunoda. "Ganz zum Schluss konnten wir uns mit den Slicks aber wieder an ein paar Autos vorbeischieben und zum Glück noch ein paar nette Punkte holen", freut sich der 34-Jährige.
Weniger gut ist die Laune indes bei seinem Stallkollegen, der vier Runden vor Schluss mit einem wilden Dreher durchs nasse Gras nicht nur seine Chance auf WM-Zähler wegwarf, sondern bei der Aktion um ein Haar auch noch Haas-Pilot Nico Hülkenberg übel mit ins Aus gerissen hätte: "Es war mein Fehler. Ich hatte ziemlich mit der Bremse zu kämpfen und habe mich verbremst, das war es", räumt Tsunoda ein.
Der Japaner ärgert sich: "Unsere Strategie war gut und deshalb war ich ziemlich enttäuscht, wie es geendet ist. So sollte es natürlich nicht sein, ich sollte ankommen, denn es war genau so ein Rennen, wo du das Auto einfach nur ins Ziel bringen musst", erklärt der Racing-Bulls-Fahrer mit Blick auf das Chaos bei den Mischbedingungen und die vielen daraus resultierenden Ausfälle.
Dabei war der Sonntag wohl einfach nicht Tsunodas Tag, hatte er doch schon damit begonnen, dass der Japaner für das Zuspätkommen zur kanadischen Nationalhymne vor dem Rennen eine saftige Geldstrafe über 10.000 Euro von den Stewards aufgebrummt bekam.
Teamchef Meckies lobt "wütenden" Ricciardo
Teamchef Laurent Mekies will die Köpfe im Team trotzdem nicht hängen sehen, "obwohl wir, basierend darauf, wo wir gestartet sind und auch noch bis einige Runden vor Schluss im Rennen lagen, natürlich auf mehr gehofft hatten", wie der Franzose einräumt: "Dennoch gibt es viel Positives aus diesem Wochenende mitzunehmen."
Vor allem für Ricciardo, dem Mekies ein Extralob ausrichtet: "Daniel hat ja über den Fakt gesprochen, dass Samstag das zehnjährige Jubiläum seines ersten Sieges in der Formel 1 auf dieser Strecke war - und scheinbar mag er diesen Ort wirklich, wie wir mit seinem spektakulären fünften Platz im Qualifying und Rang acht im Rennen sehen konnten!"
Ricciardo räumt bei all der guten Stimmung ein: "Es ist das erste Wochenende, wo ich von Anfang bis Ende gut unterwegs war. In Miami war ja nur die eine Hälfte wirklich stark, die andere nicht so."
Was ihn besonders am Montreal-Auftritt freut: "Ein Rennen wie dieses ist so hart, auch mental, einfach auslaugend. Man kann nicht erwarten, dass man bei diesen Bedingungen ein perfektes Rennen abliefert, man macht Fehler. Aber trotz dieser Verhältnisse und einiger Hürden heute, haben wir es geschafft ein ordentliches Resultat einzufahren."
Und so zeigt Ricciardo, bevor er Kanada verlässt und wirklich "nach Hause" fliegt, dann auch in Bezug auf die Villeneuve-Causa wieder eine etwas weichere Schulter: "Manchmal braucht man es vielleicht auch, wütend zu sein oder dass das Testosteron hochgeht. Ich denke, das hilft mir", bedankt sich Ricciardo durch die Blume fast schon bei seinem Kritiker, dass er den Honigdachs geweckt hat.