Verstappen ratlos: "Kriegen es nicht hin, dem ein Ende zu bereiten"
Es ist Jammern auf hohem Niveau, aber: Max Verstappen scheint bei Red Bull nicht mehr so glücklich zu sein wie noch vor einem Jahr
(Motorsport-Total.com) - Bis China war die Welt für Max Verstappen in Ordnung. Er hatte jedes Qualifying und jeden Grand Prix gewonnen, mit Ausnahme des Ausfalls in Australien. Jeder, der für die WM 2025 gegen ihn gewettet hätte, wäre als Träumer abgestempelt worden. Doch dann kam irgendwie Sand ins bis dahin so reibungslos laufende Red-Bull-Getriebe.
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Max Verstappen spürt, dass die Probleme bei Red Bull gerade häufiger werden Zoom Download
In Miami verlor Verstappen erstmals auf der Strecke einen Grand Prix. Zwar mit Safety-Car-Pech, aber trotzdem: Lando Norris' McLaren war dort bereinigt das schnellste Auto. In Imola war's zwar ziemlich knapp, aber Verstappen lieferte ein letztendlich perfektes Wochenende ab. Und in Monaco verfestigte sich der Trend, dass die Zeit der Dominanz vorbei ist: Platz 6 in Qualifying und Rennen.
In Montreal sah es lang nicht so aus, als wären Verstappen und Red Bull polefähig. Doch Verstappen deklassierte seinen Teamkollegen Sergio Perez um eine ganze Sekunde und schaffte es irgendwie, die gleiche Zeit zu fahren wie George Russell im Mercedes. Plötzlich ist da neben McLaren und Ferrari noch ein Team, das aufschließt. Zeitenwende in der Formel 1.
"Ein schwieriges Wochenende", weiß Verstappen. "Wir hatten wieder zu viele kleine Probleme. Mercedes ist verdammt schnell. Da ist der zweite Platz für mich sogar ein sehr gutes Ergebnis. In Q3 waren wir exakt gleich schnell, aber in Q2 waren sie um drei Zehntel schneller. Ich glaube, für Mercedes wäre einiges mehr drin gewesen."
Verstappen beteuert, er sei "froh, dass hier Mercedes unser stärkster Gegner zu sein scheint und nicht Ferrari. Ferrari ist in der Weltmeisterschaft nämlich näher an uns dran." In der führt Verstappen aktuell mit 169 Punkten vor Charles Leclerc mit 138 und Lando Norris mit 113. Russell hat als WM-Siebter erst 54 Punkte angeschrieben.
Endet die dominante Ära von Red Bull?
Seit Abu Dhabi 2021 schien Red Bull "unstoppable" zu sein, unantastbar, und makellos. Doch seit im Winter die Horner-Affäre angefangen hat, für Unruhe zu sorgen, hat die Perfektion nachgelassen. Das muss nicht zwingend zusammenhängen, aber es ist auffällig. Und Verstappen hat noch immer nicht final entschieden, ob er 2025 bleiben oder doch zu Mercedes wechseln wird.
Es wird von Außenstehenden als Angebot an ihn verstanden, dass Christian Horner den Vertrag mit Sergio Perez um zwei weitere Jahre verlängert hat. Mit dem Mexikaner hat's zwar in der Vergangenheit auch geknirscht, aber das ist Schnee von gestern. Mit Perez an seiner Seite hat Verstappen die Gewissheit, dass sich das Team auch in Zukunft voll auf ihn konzentrieren wird.
Doch die Unzufriedenheit steigt. In Montreal murrte der dreimalige Weltmeister am Boxenfunk über Probleme beim Runterschalten, beklagte wenig Grip und musste dann auch noch, wegen eines ERS-Problems, die Powerunit wechseln. "Sowas sollte nicht passieren", sagt er und wundert sich: "Irgendwie läuft's momentan einfach nicht rund."
Ob solche Dinge jetzt öfter auftreten als 2022 und 2023, wird Verstappen gefragt. Antwort: "Absolut. Obwohl sich die Leute im Team ja kaum verändert haben. Alle geben ihr Bestes, aber irgendwo steckt der Wurm drin. Natürlich reden wir da drüber, versuchen es zu analysieren. Aber wir kriegen es nicht hin, dem ein Ende zu bereiten."
Verstappen spricht nicht aus, was andere denken, nämlich dass die politische Unruhe im Team jetzt möglicherweise erste Auswirkungen auf die sportliche Verfassung haben könnte. Stardesigner Adrian Newey ist erst seit ein paar Wochen weg. Das wird nicht der Grund dafür sein, dass das ERS kaputt geht. Aber es fällt auf, dass sich die Probleme häufen.
Nach Monaco: Meeting in der Fabrik
Verstappen hat das erkannt. Nach Monaco gab's ein Krisenmeeting in der Fabrik in Milton Keynes. Das Auto gleitet im Simulator wunderbar über die Randsteine und Bodenwellen, aber in der Realität sieht's ganz anders aus. Motorsportkonsulent Helmut Marko, seit der Horner-Affäre zunehmend außen vor gelassen, spricht von einem "Korrelationsproblem".
Ging es bei den Meetings auch darum, dass Verstappen sauer drüber ist, dass seit der Trennung von Newey und der zunehmenden Entmachtung von Marko die Dinge in eine falsche Richtung laufen? Offenbar nicht. Bei Red Bull drehe sich "alles um die Performance des Autos. Wir wissen, dass es über Bodenwellen und Randsteine nicht leicht ist für uns", versichert der 26-Jährige.
Wechselt Verstappen zu Mercedes?
Um den möglichen Wechsel zu Mercedes ist es in den vergangenen Wochen ruhig geworden. Red Bull hat Carlos Sainz abgesagt. Das spricht nicht dafür, dass man große Angst hat, Verstappen zu verlieren. Aber: Auch Toto Wolff hat die Option Sainz gestrichen. Dem Vernehmen nach wartet Mercedes nur noch auf Verstappen. Kommt der nicht, sitzt Andrea Kimi Antonelli 2025 im Auto.
Gerüchte, wonach Mercedes Stardesigner Newey ein finanziell hochattraktives Angebot unterbreitet haben soll, werden aus dem Team energisch dementiert. Die Variante, dass Marko kommen könnte, wenn Verstappen darauf bestehen sollte, weniger energisch. Beim Thema Verstappen für 2025 gilt Mercedes-intern angeblich: "Whatever it takes." Koste es, was es wolle.
Jos Verstappen, so hört man das im Paddock hinter vorgehaltener Hand schon seit ein paar Wochen, soll Wolff gesagt haben, Mercedes möge erstmal das Auto in Ordnung bringen, dann könne man vielleicht über einen Wechsel sprechen. Da kommt Russells Pole sehr gelegen. Wenn Russell auf Pole fahren kann, kann Max das allemal, ist das Selbstverständnis der Verstappens.
"Es ist momentan ein bisschen schwieriger für uns", sagt der Niederländer nach dem Qualifying in Kanada. "Wir müssen sicherstellen, dass wir das beste Team bleiben. Im Moment ist es ziemlich eng. Sieht man ja auch an Checo, der in Q1 rausfliegt. Es ist sehr schwierig, sich in unserem Auto wohlzufühlen. Das scheint bei anderen leichter zu gehen."