Warum Lance Stroll in der Formel 1 nicht das Handtuch wirft
Immer wieder wird Lance Strolls Motivation für die Formel 1 infrage gestellt, doch der Kanadier hat nicht vor, der Königsklasse so schnell den Rücken zu kehren
(Motorsport-Total.com) - Lance Stroll steht am Wochenende vor seinem bereits sechsten Heimrennen in Montreal. Und wieder einmal kommen Fragezeichen über seine langfristigen Formel-1-Ambitionen auf. Doch die wischt der Aston-Martin-Pilot einfach beiseite.
Stroll ist schon lange eine umstrittene Figur in der Formel 1. Für einige Gründe ist er dabei selbst verantwortlich, andere sind einfach erblich bedingt. Als Sohn von Milliardär Lawrence Stroll wurde er immer mit dem besten Material ausgestattet und bekam auch die beste Vorbereitung auf seinen Formel-1-Einstieg 2018.
Wenig überraschend wurde er daher von der Öffentlichkeit kritisch beäugt. Und weil die Formel 1 auf nur 20 Plätze begrenzt ist und viele talentierte Fahrer den Sprung nicht schaffen, hat sich diese Wahrnehmung durch mäßige Leistungen und uninspirierte Auftritte in den Medien nicht wirklich gewandelt.
Wann immer in den letzten Wochen und Monaten über den lebhaften Fahrermarkt des Jahres 2025 gesprochen wurde, gab es immer die stillschweigende Übereinkunft, dass der zweite Sitz im Aston-Martin-Team seines Vaters nicht zur Disposition steht.
Da Aston Martin ein Projekt ist, das auf dem Ehrgeiz der Familie Stroll basiert, ist es eine ausgemachte Sache, dass der Platz ihm gehören wird, solange er ihn will.
Aber wie lange will er ihn? Es ist nicht weit hergeholt, wenn man annimmt, dass acht Jahre im Mittelfeld der Formel 1 seine Motivation gedämpft haben, aber Stroll selbst dementiert, dass sein Interesse in irgendeiner Weise nachgelassen hat.
Die Zukunft sieht rosig aus
Er besteht darauf, dass das Superteam, das sein Vater in seinem brandneuen Hauptquartier in Silverstone aufzubauen versucht, das Warten wert sein wird. Es wäre schade, jetzt auszusteigen, bevor das Team die Chance hat, von der Regeländerung 2026 und der Honda-Werkspartnerschaft zu profitieren.
"Es ist erstaunlich zu sehen, wie weit wir als Team in den letzten fünf Jahren gekommen sind, seit wir in rosa Farben unterwegs waren", sagt er. "Wir haben eine unglaubliche Anlage, in die wir letztes Jahr eingezogen sind. Viele Teile des Puzzles haben sich in den letzten Jahren zusammengefügt."
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"Neben den talentierten Leuten, die schon seit vielen Jahren in Silverstone arbeiten, sind auch viele neue talentierte Leute dazugekommen, was dieses Projekt sehr aufregend macht", so Stroll.
"Wir sind von einem Team mit 350, 400 Leuten im Jahr 2019 auf die 1.000er-Marke gekommen. Ich bin also auf jeden Fall engagiert und freue mich, Teil dieses Projekts zu sein. Ich denke, ich bin definitiv für die Zukunft hier, das ist es, woran ich denke."
Berechtigte Kritik
Die Tatsache, dass er nicht wie andere Fahrer um seinen Platz kämpfen muss, wird mit einigem Recht als Kritik an ihm geäußert. Das Gleiche gilt für seine Leistungen, die nur selten echten Speed aufblitzen lassen, wodurch er sich oft unter dem wahren Potenzial des Aston qualifizierte und ins Ziel kam.
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In der Matrix der Superzeiten für 2024, die auf der schnellsten Einzelrunde jedes Fahrers an jedem Rennwochenende basiert, um den reinen Speed zu messen, liegt Strolls durchschnittlicher Rückstand auf Teamkollege Fernando Alonso bei 0,233 Sekunden, womit er im Vergleich zu Sergio Perez, Daniel Ricciardo und sogar Carlos Sainz näher an seinem Teamkollegen liegt.
Aber auch die Tabelle lügt nicht, und weil er im schwieriger zu balancierenden AMR24 nicht immer alles zusammenbringt, geht Stroll mit elf Punkten in sein Heimrennen - ein Drittel von Alonsos Punktestand.
Stroll: Bin der Erste, der hart zu mir selbst ist
Ähnlich wie bei der Vertragsverlängerung von Perez bei Red Bull gibt es einen offensichtlichen Konflikt zwischen Aston Martins ultimativem Ziel, die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft zu gewinnen, und Strolls Fähigkeit und Beständigkeit, dem Team zu helfen, die nötigen Punkte zu sammeln, um dieses Ziel zu erreichen.
Obwohl er nicht wie andere Fahrer unter Druck steht, seinen Platz zu behalten, sagt Stroll, er sei der "wettbewerbsorientierteste Mensch, den ich kenne" und hasse es, Probleme zu haben, wie jeder andere auch.
"Ich mag es, wenn ich selbst super gut performe", erklärt er. "Ich bin die erste Person, die hart zu sich selbst ist, wenn es nicht gut läuft, und ich bin immer noch so aufgeregt und glücklich wie immer, wenn ich einen großartigen Tag habe, seit den letzten sieben, acht Jahren, die ich in der Formel 1 bin."
"Dieses Gefühl treibt mich immer noch an, weiter zu pushen, weiterzumachen. Und ja, ich hasse es, schlechte Tage zu haben, so wie es sicher jeder in diesem Fahrerlager tut. Auf jeden Fall."
Comeback nach Fahrradunfall als positives Beispiel
Es spricht für Stroll, dass seine Rückkehr von einem Fahrradunfall zu Beginn der Saison 2023 Bände darüber sprach, wie es um seinen Geist bestellt ist.
Beim Großen Preis von Bahrain wurde er Sechster, obwohl er sichtlich Schmerzen hatte, nachdem er 90 Minuten lang mit zwei gebrochenen Handgelenken und einem gebrochenen Zeh in einem Formel-1-Auto gefahren war.
In einem Sport, in dem Leistung wichtiger ist als persönliche Interessen, wird Stroll die Frage nach seinem Dasein wohl nie ganz loswerden, auch wenn ihm das egal sein sollte.
Aber Momente wie sein Durchhaltevermögen in Bahrain zeigen seine Motivation mehr als jede PR-Linie. Man darf also nicht erwarten, dass er in nächster Zeit seine Rennschuhe gegen Tennisschuhe oder seinen Helm gegen Golfschläger tauschen wird.