• 06. Mai 2024 · 07:30 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Daniel Ricciardo

Wie gewonnen, so zerronnen: Wie Daniel Ricciardos Kerze in Miami kurz aufgeflackert ist, insgesamt aber langsam das ganze Wachs wegzubrennen scheint ...

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Die Luft wird dünner für Daniel Ricciardo bei den Racing Bulls ... Zoom Download

nach dem Miami-Sprint am Samstag habe ich auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll" geschrieben: "Das war wieder der alte Daniel Ricciardo, der bisher einzige Fahrer, der Max Verstappen je herausfordern konnte. Ich bin mal gespannt, ob er den Rest des Wochenendes auch so überzeugend fährt. Vielleicht schon, denn ich glaube, Ricciardo ist ein Fahrer, bei dem sich viel im Kopf abspielt. Womöglich hat sich da jetzt ein Knoten gelöst, der seit 2021 immer fester zugezogen wurde. Mal schauen."

Tja, mal schauen.

Die Euphorie nach dem herausragenden vierten Platz im Sprintrennen währte nicht lang. Ungefähr drei Stunden, um genau zu sein. Denn dann war Ricciardo als 18. in Q1 des Qualifyings für den Grand Prix ausgeschieden, mit drei Zehntelsekunden Rückstand auf Yuki Tsunoda, der sogar noch in die Top 10 weiterfuhr.

Dabei hatte sich Helmut Marko vor Beginn des Qualifyings noch überzeugt gezeigt: "Jetzt, mit dem Chassiswechsel, geht es aufwärts." Und Peter Bayer, der CEO der Racing Bulls, sprach sogar vom "alten Daniel", der endlich wieder zu sehen war, als sich der Sonnyboy aus Perth gegen den überlegenen Sainz-Ferrari verteidigen musste.

Ricciardos Genieblitze: Sie sind zu selten geworden ...

Ricciardo hat sie noch, seine genialen Momente. So wie im Sommer 2023, beim Red-Bull-Test in Silverstone, als er aus dem Nichts eine Zeit fuhr, die für die erste Startreihe gereicht hätte. Vor Stammpilot Sergio Perez. Netflix widmete dem Test und seinen Implikationen in der 2023er-Staffel fast eine ganze Folge.

Es ist ja auch Hollywood-Stoff, der sich da anbahnte: Der verlorene Sohn kehrt zurück, er schien das Autofahren schon verlernt zu haben, und in der alten Familie geht's dann plötzlich doch wieder. Die kühnsten Optimisten unter den eingefleischten Ricciardo-Fans träumten von einer Neuauflage alter Duelle mit Max Verstappen.

Dann passierte der Crash in Zandvoort, die Zwangspause, und Ricciardos Comeback schien wieder aus der Bahn geworfen zu sein.

Beim zweiten Rennen nach der Verletzungspause, in Mexiko, stellte Ricciardo den AlphaTauri sensationell auf Platz 4 der Startaufstellung, und das Rennen beendete er immerhin als guter Siebter.

Helmut Marko dürfte innerlich aufgeatmet haben. Es wäre sonst schwer zu erklären gewesen, Liam Lawson für 2024 kein Cockpit zu geben, Ricciardo aber schon.

Warum Miami 2024 anders war als Monza 2021

Auf meine Minianalyse nach dem Sprint antwortete ein Facebook-User: "Ein Rennen macht noch keine Schwalbe. Sonst hätte man auch erwarten können, dass sich nach seinem Sieg in Monza 2021 der Knoten hätte lösen können."

Ich las den Beitrag mit großem Interesse, antwortete zwar nicht drauf, dachte mir aber: Lieber Freund Tobias, der große Unterschied zu Monza 2021 ist, dass Monza damals aus dem Nichts kam, mitten in die McLaren-Krise hinein. Dass Ricciardo rundherum nie Potenzial aufblitzen hatte lassen. Und dass ihm der Sieg letztendlich durch einen glücklichen Rennverlauf und einen teaminternen Nichtangriffspaket geschenkt wurde.

Der Sprint in Miami, dachte ich, sei etwas ganz anderes. Ricciardo war eher mühsam in die Saison 2024 gestartet, überredete seine Chefs dann, ihm ein neues Chassis zu geben, obwohl am alten kein Fehler gefunden wurde.

Das erzeugte eine ziemliche Fallhöhe. Würde er mit dem neuen Chassis nicht liefern, wäre er ganz schnell weg vom Fenster. Nyck de Vries (ausgerechnet!) kann ein Liedchen davon singen.


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Aber Ricciardo zog den Kopf aus der Schlinge, war in Schanghai plötzlich das ganze Wochenende über schneller als Yuki Tsunoda - und hatte im Rennen nur das Pech, das Lance Stroll für ein paar Sekunden sein Gehirn ausschaltete.

Dann Miami, bang, Vierter im Sprintqualifying, Dritter nach dem Start, Vierter am Ende des Sprints. Das muss doch der alte Ricciardo sein, der aus guten, alten Verstappen-Tagen, der vom Test in Silverstone, der, der auch in Mexiko zeigte, dass er es noch kann! Dachte ich.

"Wie bei einer zur Neige gehenden Kerze ..."

Doch irgendwie bleibt es stets bei einem kurzen Aufflackern, wie bei einer zur Neige gehenden Kerze, deren Docht immer wieder mal kurz hell erleuchtet, dann wieder fast erstickt, nochmal kommt - bis das Wachs dann irgendwann ganz weg ist.

Man muss vorsichtig damit sein, Ricciardos Miami zu bewerten. Den Sprint ebenso wie alles, was danach kam.

Miami war kein repräsentatives Rennwochenende, sondern "eine Lotterie", wie es Carlos Sainz am Samstag formulierte. Zu rutschig die Strecke, zu unberechenbar die Reifen, zu kurz die Vorbereitungszeit mit nur einem Freien Training. Einige der Favoriten strauchelten, und Ricciardo landete einen Volltreffer.

Liam Lawson: Die Frage ist nicht ob, sondern wann!

Liam Lawson scharrt schon mit den Hufen. In Miami hat er sich mit Red-Bull-CEO Oliver Mintzlaff unterhalten. Gut möglich, dass er vom großen Boss wissen wollte, wann er endlich ins Racing-Bulls-Cockpit steigen darf.

Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn der Miami-Sprint aus Ricciardos Sicht ein Strohfeuer bleibt, dann noch im Verlauf dieser Saison. Spätestens nach der Sommerpause.

Aber noch ist es nicht so weit. Totgesagte leben länger, manchmal auch in der Formel 1. Und sehr viel toter sagen als Ricciardo, das geht eigentlich gar nicht.

Wir wollen nicht vergessen: Das ist der Mann, der Sebastian Vettel 2014 bei Red Bull nach vier Weltmeisterschaften hintereinander seine Grenzen aufgezeigt hat, der einzige Teamkollege, der je ebenbürtig mit Verstappen war, einer der besten und spektakulärsten Überholer im gesamten Starterfeld.

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Aber mit seinem Wechsel zu Renault scheint irgendwas zerbrochen zu sein bei Ricciardo. Ist es die neue Fahrzeuggeneration, die seinem Fahrstil nicht entgegenkommt? Oder hat er einfach sein Mojo verloren? Die nächsten Wochen werden es vermutlich zeigen.

Es ist genau so, wie Helmut Marko vor knapp einem Jahr gesagt hat: Die Nummer mit dem Stammcockpit im kleineren der beiden Red-Bull-Teams, die ist auf den ersten Blick Ricciardos letzte große Chance.

Sie könnte aber auch das Ende seiner Formel-1-Karriere bedeuten.

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat, nämlich Donald Trump, und was das mit dem ersten Grand-Prix-Sieg von McLarens Lando Norris in Miami zu tun hat, das hat mein Kollege Frederik Hackbarth in der Schwesterkolumne aufgeschrieben, die ihr hier nachlesen könnt.

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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