Punkte bis P12: Was Formel-1-Teamchefs zum neuen System sagen
Ab 2025 könnte es in der Formel 1 WM-Punkte bis Platz zwölf geben - Selbst Topteams halten das für eine gute Idee, um auch die Mittelfeldteams zu belohnen
(Motorsport-Total.com) - Ein Vorschlag zur Änderung des Punktesystems in der Formel 1 scheint auf dem besten Weg zu sein, die nötige Unterstützung zu erhalten. Denn die Topteams haben deutlich gemacht, dass sie die Idee ihrerseits nicht blockieren werden.
Sie sieht vor, das Punktesystem für die Formel-1-Saison 2025 zu überarbeiten, um Punkte bis zum zwölften Platz statt bisher nur bis zum zehnten Platz zu verteilen. Damit sollen Mittelfeldteams mehr Möglichkeiten haben zu punkten, während die fünf Spitzenteams die Top 10 meist komplett für sich beanspruchen.
Damit der Vorschlag für das nächste Jahr umgesetzt werden kann, muss er von den Teams mit einfacher Mehrheit unterstützt werden. Es müssen also fünf Teams zustimmen, außerdem braucht er die Unterstützung der FIA und der FOM.
Und obwohl es nicht unmöglich erscheint, dass Teams in der Öffentlichkeit das eine sagen und sich bei einer Abstimmung anders verhalten, deutet alles darauf hin, dass sich selbst die Topteams mit der geplanten Änderung anfreunden können.
Vasseur und Horner befürworten neues Punktesystem
So sagt Ferrari-Teamchef Fred Vasseur: "Ich bin nicht dagegen. Und da ich von Alfa Romeo komme, verstehe ich die Frustration, die manchmal aufkommt, wenn man ein Mega-Wochenende absolviert, aber wenn man keinen Ausfall vor sich hat, dann landet man auf P11 und die Belohnung ist gleich null."
"Man kann das Rennen auf P11 oder P20 beenden und es macht im Moment keinen Unterschied, also kann ich die Frustration verstehen", bekräftigt der Franzose.
Auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner betont: "Es fühlt sich so an, als gäbe es derzeit zwei Gruppen in der Formel 1, und die Teams weiter hinten kämpfen genauso hart wie die Top 5. Ich denke, es ist eines dieser Dinge, bei denen man einfach die Zahlen durchgehen und sich die Analysen ansehen muss, um zu sagen: Was würde es tatsächlich ändern? Ich bin da also unvoreingenommen."
Besonders gespannt auf die Änderung sind natürlich diejenigen Teams, die im Mittelfeld um die kleinen Punkteränge kämpfen. Laurent Mekies, Teamchef der Racing Bulls, sieht im neuen System eine Verbesserung für die gesamte Formel 1.
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"Natürlich werde ich das unterstützen", sagt er. "Es gibt keine Hinterbänkler mehr. Es gibt sechs Erstausrüster in der Formel 1, plus Red Bull Racing, also sind es sieben Topteams. Selbst die untersten fünf Teams sind jetzt große Organisationen."
"Und es ist sehr schwierig, der Außenwelt, unseren Partnern und unseren Fans zu erklären, dass wir um einen P11 kämpfen, der eigentlich keine Punkte bringt", so Mekies.
"Wenn man sich die Wettbewerbsfähigkeit der fünf Topteams und die Zuverlässigkeit der Autos ansieht, bedeutet das, dass man dahinter die meiste Zeit des Rennens theoretisch um null Punkte kämpft, und das halten wir nicht für richtig."
Punkte fürs Mittelfeld wären keine Ausnahme mehr
Das geplante Punktesystem hält der Racing-Bulls-Teamchef hingegen für leistungsorientierter: "Denn wenn man bis zu P12 Punkte sammelt, vermeidet man den Effekt, dass man, außer wenn etwas völlig Verblüffendes passiert und jemand im Regen auf P5 oder P4 landet, genauso gut zu Hause bleiben kann. Es bringt also praktisch keine Nachteile mit sich, also hoffen wir, dass es klappt."
Einen Nachteil sieht auch Haas-Teamchef Ayao Komatsu nicht. "So wie der Vorschlag gemacht ist, wird er sich nicht auf die Topteams auswirken. Wer davon betroffen sein wird, sind die fünf schlechtesten Teams, also Leute wie wir", hält er fest.
"Derzeit haben wir drei Teams mit null Punkten, und ich glaube nicht, dass das gut für den Sport ist. Wenn jemand für P11, P12 belohnt würde, gäbe es weniger Leute mit null Punkten. Zum Beispiel hätte Ocon hier in China zwei Punkte bekommen."
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Das mache es aus Sicht von Komatsu nicht nur für die Fans klarer, sondere steigere auch die Motivation in den betreffenden Teams. "Denn es ist viel besser, P12 zu belegen und dafür einen Punkt zu bekommen - oder zwei Punkte für P11. Das motiviert intern und kann für die Sponsoren der Teams gut sein."
Den Motivationsaspekt hebt auch Kevin Magnussen hervor: "Vielleicht wäre es besser, wenn es Punkte für alle gäbe, damit man immer etwas hat, um das man kämpfen kann."
"Es wird das Endergebnis in der Meisterschaft zwar nicht verändern", meint der Haas-Pilot, "aber ich denke, es bedeutet einfach, dass es ein interessanterer Kampf zwischen den letzten Fünf ist. Denn im Moment fühlt es sich oft sinnlos an."
"Es ist einfach uninteressant, wenn man so weit hinten liegt. Mit dem Auto, das wir dieses Jahr haben, ist es immer noch interessant, denn es ist schnell genug, dass wir - wenn etwas passiert, ein Safety-Car oder was auch immer - wieder in den Kampf einsteigen können. Aber letztes Jahr zum Beispiel war es völlig irrelevant."
Für Ocon nur "ein Pflaster auf einer großen Wunde"
Das Hauptproblem, nämlich, dass die Mittelfeldteams zu weit von den Topteams entfernt sind, würde mit dem neuen Punktesystem jedoch nicht gelöst, betont Esteban Ocon. "Es ist ein Pflaster auf einer großen Wunde, nennen wir es mal so."
Dennoch räumt er ein: "Es ist ein Weg, der aktuellen Situation zu helfen. Es würde definitiv funktionieren, denn wir hätten heute Punkte geholt. Aber ich würde es vorziehen, an der Spitze mitzufahren und alle Teams enger beisammen zu haben."
"Ich denke, man kann sagen, dass es ein kleiner Gewinn für das ist, was wir erreichen wollen: alle Autos näher zusammenzubringen", schätzt Ocon abschließend ein.