"Den Affen abgeschüttelt": Ricciardo atmet dank neuem Chassis auf
Ist der Fehlerteufel jetzt von Daniel Ricciardo zu Yuki Tsunoda übergesprungen? Neues Chassis wirkt Wunder, während beim Japaner plötzlich nichts mehr geht
(Motorsport-Total.com) - Findet Daniel Ricciardo ausgerechnet im Reich der Mitte seine Mitte endlich wieder - beziehungsweise sein breites Grinsen? Nach einem schwachen Saisonstart steht der Australier bei den Racing Bulls bereits gehörig unter Druck. Immerhin: Bei der Mission es seinen Kritikern zu beweisen, hat Ricciardo seit diesem Wochenende einen neuen Mitstreiter: ein neues Chassis.
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Daniel Ricciardo will sich in China mit neuem Chassis aus der Krise befreien Zoom Download
Und siehe da, auf Anhieb läuft es offenbar deutlich besser für den achtfachen Grand-Prix-Sieger: In allen vier Sessions liegt Ricciardo in Schanghai vor Teamkollege Yuki Tsunoda. Knapp ist es dabei nie: Sieben Zehntel Vorsprung im Training, fünf Zehntel im Sprint-Quali, immerhin noch drei Zehntel im Qualifying. Auch den Sprint beendet Ricciardo fünf Plätze vor seinem Stallgefährten.
Haben sich die Rollen bei Red Bulls Juniorteam mit dem Chassis-Wechsel jetzt über Nacht plötzlich vertauscht?
"Es fühlt sich eher wie ein normales Wochenende an. Und normal ist im Moment gut", zeigt sich Ricciardo erleichtert von den ersten Eindrücken und Ergebnissen mit seinem neuen Dienstwagen. "Seit gestern Früh, also wirklich von Beginn an, sind wir gefühlt einfach in einer besseren Position und alles kam, ich will jetzt nicht sagen einfacher ... weil das zu einfach klingt, aber alles kam ein bisschen mehr aus einem Guss."
Für den gebeutelten Ricciardo sind das fantastische Neuigkeiten: "Das ist natürlich ermutigend. Wir haben den Chassis-Wechsel vollzogen und ich will jetzt nicht sofort drauf springen und sagen: Das ist es definitiv! Ich denke, das müssen wir über die nächsten Rennen beweisen. Aber klarerweise gab es dieses Wochenende den Wechsel und bisher ist es mein bestes Wochenende."
Ricciardo will sich aber auch nicht zu früh freuen: "Ob es nun das ist, oder einfach daran liegt, dass ich mich hier immer ganz gut geschlagen habe, werden wir sehen - spätestens in Miami, Imola und den folgenden Rennen." Mit seiner Vorsicht trifft der Australier einen validen Punkt, denn in China war Ricciardo tatsächlich schon immer gut:
Bei acht Auftritten in Schanghai verpasste der Australier nur ein einziges Mal die Punkte, bei seiner Premiere 2012 im eher lahmen Toro Rosso. 2018 gewann er das Rennen für Red Bull, 2016 hätte das gut und gerne ebenfalls gelingen können, wäre ihm nicht in Führung liegend der Reifen geplatzt.
Die Strecke kennt Ricciardo also wie seine Westentasche: "Der Kurs ist etwas anders als die meisten Strecken, was das Set-up und so weiter betrifft. Aber ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass wir viel geändert haben dieses Wochenende", will er nichts von einem Griff in die Trickkiste wissen: "Klar, hier und da ein paar Kniffe, aber echt nichts Verrücktes."
Ricciardo von neuem Gefühl ermutigt
Was aber hat dann die plötzliche "180-Grad-Wendung" bewirkt, wie es Ricciardo nennt?
"Irgendetwas hat sich beim vorherigen Chassis offensichtlich nicht richtig angefühlt", meint Ricciardo, der seine Performance jetzt aber erstmal konsolidieren will: "Ich würde das gerne auch noch in fünf Rennen sagen können, weil das bedeutet, dass sich die Saison dann definitiv gedreht hat - und wir den Affen von unserer Schulter abgeschüttelt und ihn begraben haben, wenn man so will."
Das neue Chassis fühle sich definitiv anders an, bestätigt Ricciardo, "aber es ist eben auch erst eine Strecke. Wir werden sehen. Aber ich bin auf jeden Fall ermutigt von den zwei Tagen, die wir hier bisher hatten."
Ganz anders hingegen sieht die Gemütslage auf der anderen Seite der Garage aus: Teamkollege Tsunoda, bisher eine der positiven Überraschungen der Saison und zuletzt zweimal in Folge in den Punkten, kommt in China noch überhaupt nicht auf den grünen Zweig.
Tsunoda bedient: "Wir sind nirgends"
"Ich kämpfe einfach mit der Hinterachse das ganze Wochenende, wir sind wirklich nirgends", zeigt sich der Japaner nach Rang 19 im Qualifying niedergeschlagen - den gleichen Platz in der letzten Startreihe musste er am Freitag auch schon im Sprint-Quali hinnehmen. "Aber da habe ich es einfach nicht zusammengebracht, da war es mindestens zu 50 Prozent meine Schuld", sagt Tsunoda.
Im Kampf um die Startplätze für den Grand Prix hatte er sich aber durch die vorgenommenen Änderungen deutlich mehr ausgerechnet. "Ich war eigentlich ziemlich zuversichtlich davor, dass wir zumindest den besten Kompromiss für unser Set-up gefunden haben. Aber am Ende hat es einfach nicht funktioniert. Das Griplevel ist einfach sehr inkonstant."
"Auch, wenn ich die Lenkbewegungen der anderen Autos verfolge: Ich kämpfe einfach in jeder Kurve", ortet Tsunoda ein größeres Problem. Dass es mit den äußeren Bedingungen oder der Strecke zusammenhängt, glaubt der Japaner nicht: "Für mich ist es etwas, das mit meinem Auto vor sich geht", öffnet er den Spekulationen Tür und Tor, ob der Racing-Bulls-Gremlin jetzt etwa vom Boliden mit der Nummer 3 auf Auto 22 übergesprungen ist?
Marko nimmt Tsunoda in Schutz
Schließlich kommt bei Tsunoda am Samstag auch noch ein Problem mit dem DRS hinzu: "Das war auf meiner ersten schnellen Runde und ist eine Sache, aber das beeinflusst nicht wirklich das Fahren oder die Balance. Klar, es ist geschenkte Rundenzeit, also nicht ideal. Aber auf der zweiten fliegenden Runde hat das DRS wieder funktioniert", sucht Tsunoda nicht nach einer Ausrede.
Eine mögliche liefert ihm dabei selbst Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko: "Yuki ist das erste Mal auf dieser Strecke", nimmt der Grazer seinen Schützling in Schutz. "Das erste Training mit den harten Reifen war vielleicht auch nicht ganz glücklich", sieht Marko bei Sky auch das Team in der Pflicht, dem Japaner zu helfen.
Marko: "Generell klagt er über ein sehr instabiles Auto und er meint, dass hauptsächlich das die Ursache ist." Mit Freude sieht der Österreicher im Gegensatz dazu den Aufschwung bei Ricciardo: "Gott sei Dank, das Chassis hat scheinbar gewirkt. Ich hoffe, dass er morgen Punkte machen kann."
Auch Ricciardo ist zuversichtlich, die Erwartungen seines Chefs erfüllen zu können: "Wir hatten wahrscheinlich ein bisschen mehr Pace, als ich erwartet habe. Startplatz zwölf ist ziemlich nah an den Punkten. Das Rennen ist lange. Ich fühle mich gut. Also schauen wir mal." Ohne Affen, Gremlins oder sonstige Hindernisse, sieht die Welt eben gleich wieder ganz anders aus ...