Wenn Formel-1-Teamkollegen ungleich behandelt werden
Ob durch Stallregie oder Komponenten am Auto: In der Geschichte der Formel 1 kam es wegen der Ungleichbehandlung von Teamkollegen schon oft zu Spannungen
(Motorsport-Total.com) - Für Logan Sargeant war das Formel-1-Wochenende in Melbourne vorbei, ehe es richtig begonnen hatte. Nach dem Unfall seines Williams-Teamkollegen Alexander Albon im FT1 war der US-Amerikaner zum Zuschauen verdammt.
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In Melbourne musste Logan Sargeant sein Auto an Alexander Albon abtreten Zoom Download
Albons Auto wurde bei dem Crash irreparabel beschädigt, und das Team hatte kein Ersatzchassis, sodass es für den Rest des Wochenendes nur ein Auto einsetzen konnte. Williams entschloss sich Albon in Sargeants Auto zu setzen, was Sargeant für den Grand Prix von Australien vorzeitig aus dem Rennen nahm.
Sargeant sagte, es sei der "schwerste Moment" seiner Formel-1-Karriere, und Williams-Teamchef James Vowles lobte den Amerikaner für dessen Umgang mit der Situation. Er habe "sein Engagement für das Team bewiesen" und sei "ein echter Teamplayer".
Dass ein Team einen Fahrer dem anderen vorzieht, hat es in der Geschichte der Königsklasse immer wieder gegeben, was für einige dramatische Formel-1-Momente sorgte.
Mark Webber und Sebastian Vettel - Frontflügel-Tausch (2010)
Red Bull sorgte in der Formel-1-Saison 2010 für eine Kontroverse, als Teamchef Christian Horner entschied, den neuen Frontflügel von Mark Webber zu nehmen und ihn Sebastian Vettel für das Qualifying beim britischen Grand Prix zu geben.
Horner sagte, es sei eine "schwierige Entscheidung" gewesen, Vettel den Vorzug vor Webber zu geben, in der Hoffnung, den dritten Platz des Deutschen in der WM zu halten.
Red Bull hatte zwei der verbesserten Frontflügel, von denen aber einer beschädigt wurde, als er sich im Abschlusstraining plötzlich von Vettels Auto löste. Damit blieb nur noch ein neu konstruierter Frontflügel für die beiden Autos übrig. Aufgrund von Vettels Trainingsleistung wurde beschlossen, ihn an dessen RB6 anzubringen.
Vettel holte sich im Qualifying die Poleposition vor seinem Teamkollegen, und auf die Frage nach der Situation sagte er: "Ich denke, das Team ist mit dem heutigen Ergebnis zufrieden." Webber war wütend und nahm sofort Gespräche mit dem Team auf, um seine Position zu klären, obwohl Horner versuchte, die Entscheidung herunterzuspielen, indem er sagte: "Wir stehen als Team mehr zusammen als je zuvor."
Fotostrecke: Mark Webbers bewegte Karriere
1999: Der 22-jährige Mark Webber tritt mit Mercedes bei den 24 Stunden von Le Mans an. Der erhoffte Triumph endet in einem Drama: Die Mercedes-Boliden bekommen auf den Geraden Unterluft, heben ab und fliegen wie Spielzeug-Autos durch die Luft. Webber, den es in Qualifying und Warm-Up gleich zweimal erwischt, entkommt wie durch ein Wunder unverletzt, doch der Traum vom Le-Mans-Sieg bleibt. Fotostrecke
Webber erklärte gegenüber der Presse, dass er "niemals einen Vertrag für das nächste Jahr unterschrieben hätte", wenn er gewusst hätte, dass das Team diese Entscheidungen treffen würde. Er sei "enttäuscht", werde aber "weiterhin das tun, was ich tue".
Am Ende gewann den Australier den Grand Prix von Großbritannien 2010 deutlich vor seinem Teamkollegen Vettel, der Siebter wurde. Über den Teamfunk reagierte er mit den Worten: "Nicht schlecht für einen Fahrer auf Platz zwei", bevor er hinzufügte: "Ich will keine Bevorzugung, nur einen fairen Deal."
Rubens Barrichello und Michael Schumacher - Tausch des ersten Platzes (2002)
Während des Grands Prix von Österreich 2002 wies Ferrari Rubens Barrichello an, seinen Teamkollegen Michael Schumacher vorbeizulassen, um das Rennen zu gewinnen. Die Entscheidung wurde kurz vor Ende des Rennens getroffen, und beide Fahrer waren über die Entscheidung des Teams unglücklich.
Barrichello weigerte sich zunächst, Schumacher vorbeizulassen, tat dies aber schließlich in der letzten Kurve der letzten Runde und ermöglichte es seinem deutschen Teamkollegen, den Sieg mit nur 0,182 Sekunden Vorsprung zu erringen.
Es war eine der knappsten Entscheidungen in der Geschichte der Formel 1. Viele waren über die Entscheidung verärgert, und bei der Siegerehrung ertönten Buhrufe.
Schumacher - der bereits vier der ersten fünf Rennen gewonnen hatte - verstieß gegen das Protokoll, als er sich weigerte, auf der obersten Stufe des Podiums zu stehen. Er bestand darauf, dass Barrichello an seiner Stelle stand, bevor er ihm auch die Siegertrophäe überreichte. Beide wurden dafür von der FIA mit einer Geldstrafe belegt.
Später im Jahr zog der Automobil-Weltverband Konsequenzen und entschied, dass "Teamanweisungen, die das Rennergebnis beeinträchtigen", verboten sind.
Fernando Alonso und Felipe Massa - "Fernando ist schneller" (2010)
Trotz des Verbots trafen viele Teams auch weiterhin Entscheidungen dieser Art, übermittelten sie ihren Fahrern aber in Form subtilerer Botschaften.
Ferrari versuchte bekanntermaßen, das Verbot der Teamorder beim Grand Prix von Deutschland im Jahr 2010 zu umgehen, als Felipe Massas Renningenieur Rob Smedley ihm am Teamfunk sagte: "Fernando (Alonso; Anm. d. R.) ist schneller als du. Kannst du bestätigen, dass du diese Nachricht verstanden hast?"
Kurz darauf ließ Massa, der das Rennen zum dem Zeitpunkt anführte, den Spanier vorbeiziehen, woraufhin Smedley dem Brasilianer sagte: "Okay, Kumpel, guter Junge. Bleib jetzt an ihm dran. Tut mir leid." Am Ende gewann Alonso das Rennen mit vier Sekunden Vorsprung vor seinem brasilianischen Teamkollegen.
Ferrari wurde später wegen der Teamorder mit einer Geldstrafe in Höhe von 100.000 Dollar belegt, aber die FIA ließ die Rennergebnisse gelten. 2016 teilte Smedley mit, dass er mit den solchen Teamanweisungen "nicht einverstanden" gewesen sei und sein anfängliches Zögern zu Problemen mit dem Rennstall aus Maranello geführt habe.
Der ehemalige Renningenieur sagte auch, dass Massa "es von da an schwierig fand" und fügte hinzu, dass es "schwierig war, weil es eine Art Wendepunkt war und man verstehen musste, wo der Fokus des Teams lag". Als Massa 2013 bekannt gab, dass er Ferrari verlässt, verriet er, dass es sein Selbstvertrauen erschüttert habe und der "härteste" Moment seiner achtjährigen Karriere bei dem Team gewesen sei.
Nelson Piquet jun. und Fernando Alonso - 'Crashgate' (2008)
Der umstrittenste Einsatz von Teamorder erfolgte während des Grands Prix von Singapur 2008, also in den acht Jahren, in denen ein Verbot von Teamorder bestand. Das Renault-Team wies Nelson Piquet jun. an, sein Auto in der 17. Runde absichtlich zu crashen, woraufhin das Safety-Car herausgeholt werden musste.
Alonso und Piquet hatten sich als 15. und 16. qualifiziert. Der Spanier war der erste Fahrer, der während des Grands Prix an die Box kam, was ihn ans Ende des Feldes zurückwarf.
Der anschließende Unfall ereignete sich an einer Stelle der Strecke, an der die Trümmer nicht schnell genug beseitigt werden konnten, sodass das Safety-Car zum Einsatz kam. Viele der führenden Autos kamen zum Boxenstopp, sodass sie sich hinter Alonso einreihten, der das Rennen dann auch gewann.
Als Piquet im darauffolgenden Jahr behauptete, er sei vom Team aufgefordert worden, absichtlich zu crashen, löste das eine Untersuchung aus. Diese führte dazu, dass Renault eine zweijährige Disqualifikation auf Bewährung erhielt und Teamchef Flavio Briatore sowie Renningenieur Pat Symonds gesperrt wurden, wobei beide letzten Endes fünf Jahre lang nicht in die Formel 1 zurückkehren durften.
2023 gab Massa bekannt, dass er die FIA, die FOM und Bernie Ecclestone verklagt, weil sie den Unfall nicht umgehend untersucht hätten. Der Brasilianer verpasste den Fahrertitel 2008 mit einem Punkt Rückstand auf Lewis Hamilton und ist der Meinung, dass das Ergebnis des Rennens hätte annulliert werden müssen.
Ecclestone, der zu dieser Zeit CEO der Formel 1 war, sagte gegenüber F1-Insider: "Wir wollten den Sport schützen und ihn vor einem großen Skandal bewahren."
"Wir hatten rechtzeitig genug Informationen, um die Angelegenheit zu untersuchen. Nach den Statuten hätten wir das Rennen in Singapur unter diesen Umständen annullieren müssen." Was auf eine mögliche Vertuschung durch die Formel 1 hindeutete.
Mick Schumacher und Nikita Masepin - Ungleiches Gewicht des Chassis (2021)
Haas hatte 2021 mit Chassis-Problemen zu kämpfen, da ein Auto schwerer war als das andere. Nikita Masepin hatte das Gefühl, dass ihm das schwerere Chassis gegeben wurde und er deshalb hinter seinem Teamkollegen Mick Schumacher zurücklag.
Zwar hielt Teamchef Günther Steiner fest, dass das schwerere Chassis unter den Fahrer getauscht worden sei, doch Masepin behauptete, er sei stärker benachteiligt worden.
Beim Grand Prix von Belgien erhielt der Russe dann ein neues, leichteres Chassis, musste aber nach einem Trainingsschaden wieder auf das schwerere Auto zurückgreifen. Vor der Saison 2022 drohte sein Vater Dmitry schließlich damit, dem Team wegen der Ungleichheit beim Gewicht des Chassis die Mittel zu entziehen.
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Steiner beharrte jedoch darauf, dass es nur einen geringfügigen Gewichtsunterschied gäbe. In "Drive to Survive" war zu sehen, wie er dem russischen Fahrer sagte: "Es ist dasselbe Auto, auch wenn du es mir nicht glaubst, es ist dasselbe Auto."
Damon Hill und Ralf Schumacher - Unstimmigkeiten bei der Teamorder (1998)
Während des Grands Prix von Belgien 1998 kam es bei Jordan zu Spannungen, als Ralf Schumacher angewiesen wurde, seinen Teamkollegen Damon Hill nicht zu überholen, um dem Briten den Sieg in Spa-Francorchamps zu ermöglichen.
Bei nassen Bedingungen war das Rennen nach einer Kollision mehrerer Autos unterbrochen worden. Weitere Unfälle führten dazu, dass beide Jordan-Fahrer führten.
Schumacher kämpfte in den letzten zwölf Runden mit Hill um den Sieg. Sein Renningenieur sagte dem Deutschen: "Du kannst ihn einholen, gib einfach Vollgas. Du kannst ihn einholen, du kannst gewinnen." Doch nach einer überzeugenden Botschaft von Hill traf das Jordan-Team die Entscheidung, seine Fahrer nicht gegeneinander antreten zu lassen und bat Schumacher, hinter Hill Platz zwei zu halten.
Teamchef Eddie Jordan gab zu, dass er sich damals zwar mitten in Vertragsverhandlungen mit Schumacher befand, sich aber schließlich dafür entschied, Hill den Sieg zu gönnen.
Zwischen Schumacher und seinem Renningenieur Sam Michael kam es daraufhin zu einer angespannten Reihe von Funksprüchen, bei denen sich der Deutsche weigerte, die Anweisungen des Teams zu bestätigen.
Nach dem Rennen stürmte Ralfs Bruder Michael Schumacher in Eddie Jordans Motorhome und sagte: "Du hast meinen Bruder beschissen. Er wird nie wieder für dich fahren, vergiss den Vertrag", bevor ihn Jordan an die Ausstiegsklausel im Vertrag erinnerte.
Diese nutzte der siebenfache Weltmeister dann auch und kaufte seinen jüngeren Bruders für zwei Millionen Pfund frei. Er erklärte Jordan, dass er nie wieder für sie fahren würde. Ralf beendete die Saison mit dem Team, bevor er 1999 zu Williams wechselte.