Streit um Satellitenteams: Warum Red Bull die Brown-Attacke kalt lässt
McLaren-CEO Zak Brown schießt derzeit scharf gegen die Kooperation der beiden Red-Bull-Teams, doch die wähnen sich mit dem, was sie tun, im Recht
(Motorsport-Total.com) - Hinter den Kulissen der Formel 1 nehmen die Verhandlungen über eine neue kommerzielle "Verfassung", gemeinhin bezeichnet als Concorde-Agreement, langsam Fahrt auf. Ende 2025 laufen die aktuellen Verträge zwischen der Formel 1, dem Automobil-Weltverband FIA und den zehn Teams aus, und nach und nach positionieren sich die beteiligten Player in Fragen, die ihnen wichtig sind.
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Beim Thema Satellitenteams nicht einer Meinung: Zak Brown und Christian Horner Zoom Download
Einer dieser Player ist Zak Brown, CEO des britischen McLaren-Teams, und ein Verfechter einer echten Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Dass Red Bull gleich zwei Teams besitzt und zwischen diesen beiden Teams auch technische Synergien zu maximieren versucht, ist ihm ein Dorn im Auge. Brown wünscht sich eine Formel 1 mit zehn voneinander unabhängigen Rennställen.
"Es gibt meines Wissens keinen anderen Sport in dieser Größenordnung, der es zulässt, dass ein Eigentümer zwei Teams besitzt, die gegeneinander antreten", sagt er und meint damit Red Bull Racing aus Milton Keynes auf der einen und die Racing Bulls aus Faenza auf der anderen Seite.
Ein Argument, dem Red-Bull-Teamchef Christian Horner widerspricht: "Red Bull besitzt auch zwei Teams, die in der Champions League spielen, und das ist einer der bedeutendsten sportlichen Wettbewerbe der Welt."
Selbst im Motorsport gibt es ein vergleichbares Beispiel aus jüngerer Vergangenheit. Es ist noch keine zehn Jahre her, da sind Audi und Porsche bei den 24 Stunden von Le Mans (und damit auch in der Langstrecken-WM WEC) gegeneinander angetreten. Und sowohl Audi als auch Porsche sind Marken aus dem Volkswagen-Konzern.
Warum Brown das Argument nicht gelten lässt
Doch Brawn lässt das Horner-Argument aus dem Fußball nicht gelten: "Das ist ein gutes Beispiel. In der Champions League war das auch ziemlich kontrovers, und sie mussten beweisen, dass die beiden Teams voneinander total unabhängig sind."
"Wenn du aber Anlagen teilst, wenn du Netflix schaust und da den Teamchef von Red Bull siehst, wie er entscheidet, welcher Fahrer bei AlphaTauri fahren soll, oder wenn man Helmut (Marko; Anm. d. Red.) sagen hört, dass alles getan werden muss, was durch die Regeln erlaubt ist, um die zwei Teams näher zusammenbringen, oder wenn der CEO sagt, dass die Teams die gleiche Radaufhängung verwenden müssen, weil das das zweitwichtigste Teil am Auto ist, dann macht das auf mich nicht gerade einen sehr unabhängigen Eindruck."
Gleichzeitig räumt er ein: "Sie halten sich ja an die Regeln. Aber ich habe ein Problem mit den Regeln, und das muss die FIA lösen. Wie Helmut schon sagt: Sie maximieren ihre Möglichkeiten. Das würde jeder tun, der zwei Teams besitzt, solange die Regeln so sind, wie sie heute eben sind."
Dass die Diskussion rund um den Saisonstart 2024 in erster Linie (aber nicht nur) von Brown angeheizt wird, lässt den Rückschluss zu, dass die Concorde-Verhandlungen langsam in die heiße Phase gehen. Denn erst mit einem neuen Concorde-Agreement könnte das Thema neu aufgestellt werden. "Ich glaube, 2026 ist der richtige Zeitpunkt dafür", sagt Brown.
Helmut Marko, Motorsportkonsulent von Red Bull und damit verantwortlich für beide Teams, verfolgt die Diskussion amüsiert: "Im ersten Training am Freitag war Ricciardo vor den beiden McLarens Erster. Ich denke, das hat die Leute ein bisschen aufgescheucht", sagt er und stellt klar: "Wir bewegen uns innerhalb der Regeln."
Umgeht Red Bull wirklich den "Gardening Leave"?
Ein Vorwurf, der Red Bull aus manchen Ecken des Fahrerlagers gemacht wird, ist, dass angeblich Personal zwischen Red Bull Racing und den Racing Bulls hin- und hergeschoben wird, und dass solche Ingenieure dann ohne einen konkreten Datenaustausch (der in der Formel 1 verboten ist) dafür sorgen können, dass zwischen Milton Keynes und Faenza ein Wissensaustausch stattfindet.
Doch Racing-Bulls-Teamchef Laurent Mekies hält dagegen: "Es gibt dafür klare Regeln. Wir können nicht einfach Personal und geistiges Eigentum technischer Teile bewegen. In der Praxis läuft das so: Wenn wir jemanden von Red Bull holen wollen, dann gehen wir zur FIA und sagen, dass wir das planen. Die FIA sagt dann, welcher 'Gardening-Leave'-Zeitraum angemessen wäre, und daran halten wir uns."
Als "Gardening Leave" wird jene Phase bezeichnet, in der ein Mitarbeiter einen Arbeitgeber verlässt, aber noch nicht für seinen zukünftigen Arbeitgeber tätig werden darf. Man könnte das, im Deutschen, auch als bezahlte Freistellung bezeichnen, oder eben als Zeit für Gartenarbeit - daher die englische Bezeichnung "Gardening Leave".
Mekies ergänzt: "Das Paradoxe ist ja, dass ich nicht zur FIA gehen muss, wenn ich jemanden von Mercedes oder Ferrari holen will. Das geht manchmal innerhalb eines Tages. Aber wenn ich jemanden von Red Bull holen will, muss ich zur FIA. Die sagen mir, was ein angemessener Zeitraum wäre - üblicherweise drei bis sechs Monate -, und den halten wir ein. Es stimmt also nicht, dass es kein 'Gardening Leave' gibt."
"Wir operieren zu 100 Prozent durch das Reglement gedeckt, und wir unternehmen jede nur erdenkliche Vorsichtsmaßnahme, um sicherzustellen, dass an unserer Legalität bei der FIA nicht der geringste Zweifel aufkommen kann. Und jeden, der Zweifel daran hat, dass wir die Regeln einhalten, lade ich ein, bei der FIA eine Untersuchung zu beantragen", sagt Mekies.
Zumal es seiner Auffassung nach zwei Gründe gibt, warum die Regeln so sind, wie sie eben sind: "Erstens wollten wir, als Sport, ein enger beisammen liegendes Starterfeld haben, weniger Rundenzeiten-Unterschied zwischen dem Sieger und Platz 10. Und man hatte das Gefühl, dass dieser Unterschied geringer werden könnte, wenn erlaubt wird, dass bestimmte Teile zwischen Teams ausgetauscht werden dürfen."
"Wenn wir die letzte WM nehmen und die Punkte der letzten vier Teams zusammenzählen, dann hatten die alle zusammen weniger Punkte als Alpine auf Platz 6. Da ist der Abstand zwischen dem mittleren und dem hinteren Mittelfeld also immer noch ziemlich groß."
Die Historie: Wie kam es eigentlich zu zwei Red-Bull-Teams?
"Zweitens wollte man sicherstellen, dass ein nachhaltigeres Geschäftsmodell möglich ist. Ja, es stimmt, die Formel 1 hatte jetzt ein paar gute Jahre, und das ist fantastisch. Aber es ist eine Realität, dass die meisten Eigentümer immer noch Geld in ihre Teams pumpen müssen", argumentiert Mekies.
Brown kontert: "Das ist faktisch falsch. [...] Die Hälfte der Teams sind profitabel. Was vor 15 Jahren passiert ist, ist eine Sache. Aber heute haben wir andere Rahmenbedingungen, und das sollte sich im Reglement abbilden. Mein Problem sind, wie ich gesagt habe, die Regeln."
Red Bull Racing und Racing Bulls sind übrigens nicht die einzige Team-Partnerschaft, die in diesem Kontext unter Beobachtung steht. Auch Haas und Ferrari, obwohl von unterschiedlichen Eigentümern kontrolliert, arbeiten im technischen Bereich sehr eng zusammen.
Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur gehört, vermutlich auch deshalb, zu denen, die das Thema entspannter sehen als Brown: "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir vor zwei, drei, vier Jahren sehr froh waren, dass Red Bull gleich zwei Teams finanziert hat, als die Welt in einer Krise steckte."
Horner: Formel 1 sollte Beifall klatschen und nicht meckern
Ein Punkt, bei dem Christian Horner anbeißt. Er holt aus und erzählt: "Wir müssen zurückgehen an den Punkt, wo das alles angefangen hat, und verstehen, warum die Eigentümerschaft so ist, wie sie ist."
"2005 sind Bernie Ecclestone und Max Mosley an Dietrich Mateschitz herangetreten und haben ihn gebeten, das chronisch marode Minardi-Team zu übernehmen, das damals am Rande der Insolvenz stand. Dietrich Mateschitz ist eingesprungen, hat das Team gekauft und hat signifikant in den Standort Faenza in Italien investiert."
"Dann hatten wir 2008 die Finanzkrise, und als vier Automobilhersteller die Gelegenheit nutzten, um aus der Formel 1 auszusteigen, blieb Red Bull resolut und trug zwei Teams durch diese schwierige Phase durch."
"Dann wurden die Regeln geändert, und Faenza musste ein eigener Konstrukteur werden. Also wurde am Standort nochmal investiert. Dann passierte COVID, und Red Bull unterstützte wieder beide Teams. Red Bull hat auch, mit zwei Rennen in Österreich, dafür gesorgt, dass die Formel 1 nach COVID wieder in die Gänge kam."
"Das Engagement von Red Bull in der Formel 1, mit diesen beiden Teams, ist außergewöhnlich, und ich finde, da sollte Beifall geklatscht werden und Dankbarkeit herrschen, statt zu versuchen, das Engagement zu erschweren und zu kompromittieren."
Horner lässt zudem das Argument nicht gelten, dass eine Konstellation mit zwei Teams bewusst eingesetzt werden könnte, um etwa einen Rennausgang zu beeinflussen: "Wir hatten schon mal ein WM-Finale, da parkte plötzlich ein Toro Rosso in unserer Box. Ich kann diese ganze Aufregung nicht verstehen. Für mich ist das alles ein Non-Thema."
Aber eins, in dem das letzte Wort wahrscheinlich noch nicht gesprochen ist ...