Warum sich Red Bull für sein neues Konzept bei Mercedes bediente
Red-Bull-Technikchef Pierre Wache erklärt, was das Team dazu motivierte, sein Konzept zu ändern und warum es das Risiko wert war
(Motorsport-Total.com) - Red Bulls Entscheidung, Mercedes-Ideen in sein neues Formel-1-Auto einzubauen (Stichwort: "Zero-Pod"), hat in der Vorsaison für Furore gesorgt. Viele sehen darin den ultimativen Weg zu zeigen, dass man selbst glaubt, Designs erfolgreich umsetzen zu können, mit denen der Konkurrent gescheitert ist.
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Vertikalen Kühleinlässe und schmale Seitenkästen kennzeichnen den RB20 Zoom Download
Und basierend auf der Form, die der neue RB20 bei den Testfahrten in Bahrain vergangene Woche zeigte, deutet alles darauf hin, dass das Weltmeisterteam bereits eine Menge an Performance aus dem neuen Konzept herausgeholt hat.
Doch Red Bull ist nicht den Weg von Mercedes gegangen, um etwas zu beweisen, sondern hat sich anfangs sogar dagegen gesträubt, die früheren Ideen der Rivalen zu übernehmen.
Denn wie der technische Direktor Pierre Wache erklärt, seien emotionale Aspekte im Spiel, wenn es darum geht, Ideen anderer Teams zu kopieren, statt etwas zu tun, das man selbst entwickelt hat. Auf die Frage, ob er eine gewisse Ironie darin sieht, dass Red Bull die Ideen von Mercedes übernimmt, sagte Wache gegenüber Motorsport.com: "Ich sehe das nicht so, ich sehe es eher auf eine andere Art und Weise."
"Man versucht, nicht emotional zu sein, wenn es um Design-Entscheidungen. Denn die erste Reaktion ist: 'Ah, es ist besser, seine eigenen Ideen zu haben.' Aber an einem bestimmten Punkt muss man einfach einen Schritt zurücktreten und fragen: Sagt die Stoppuhr und unser System, was besser ist?"
"Also testet man Dinge und nimmt das, was besser ist", erklärt Wache. "Klar sagt man als Mensch: 'Ich würde am liebsten meine eigenen Sachen machen.' Aber das ist gefährlich, weil man sich an die eigenen Kriterien halten muss, und wenn das Kriterium 'was ist besser' lautet, entscheiden wir uns für das, was besser ist."
"Und außerdem", ergänzt der Technikchef, "ist es nicht genau dasselbe, es ist viel besser." Dabei habe sich Red Bull vor allem deshalb für eine radikale Überarbeitung des Autos entschieden, weil der dominante RB19 ein Leistungsplateau erreicht hatte.
Man war der Meinung, dass die einzige Möglichkeit, einen ausreichend großen Sprung zu machen, darin bestand, etwas ganz anderes zu tun. "Die Entscheidung basierte auf der Simulation und den Zahlen", erklärt Wache seine Beweggründe.
Fotostrecke: Formel-1-Technik: Was sich Red Bull bei Mercedes abgekuckt hat
Besonders interessant ist hier der Seitenkasten und die Gestaltung des Lufteinlasses. Denn davon war bei der Präsentation des Red Bull RB20 sehr wenig zu sehen: Das Team kaschierte die entscheidenden Bereiche, aber ... Fotostrecke
"Man weiß, dass man sich stark verbessern muss, weil die anderen die Lücke schließen werden, und man weiß, dass das eigene Konzept mehr oder weniger auf dem Plateau dessen ist, was man damit erreichen kann. Wenn man also ein anderes Entwicklungstempo will, muss man etwas mehr wagen und mehr Risiko eingehen. Deshalb haben wir schon früh beschlossen, mehr Risiko einzugehen", erklärt er.
Es sei eine Evolution der Art und Weise, wie man das Auto entwickelt hat, einhergehend mit "einer großen Änderung an der Gesamtstrategie". Doch Wache besteht darauf: "Wir zocken nicht. Wir gehen einfach ein Risiko ein. Das ist etwas anderes."
"Man tut nichts, was man nicht kennt. Man sagt: Ich will in diese Richtung gehen, was kann ich tun, um das zu erreichen? Was muss ich tun? Und die Lösung kommt dann von selbst."
"Es ist keine Lotterie. Stattdessen sagt man sich: 'Wenn ich das tue, ist es riskanter, als wenn ich es beibehalte.' Danach sagt man: 'Okay, wir minimieren das Risiko, indem wir mehr und mehr und mehr studieren.' Und um ehrlich zu sein, hat die Aero-Abteilung dabei einen sehr, sehr guten Job gemacht", so Wache.