Max Verstappen: Favorit? "Da mache ich mir keine Gedanken!"
Was Formel-1-Titelverteidiger Max Verstappen vor der Saison 2024 über seinen Red Bull RB20 denkt und wie er die aktuellen Aerodynamik-Trends bewertet
(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen hat im Red Bull RB20 zwar nicht die Bestzeit bei den Formel-1-Wintertests 2024 in Bahrain erzielt. Trotzdem gilt er für viele als der große Favorit auf den WM-Titelgewinn. Dabei sagt er selbst: "Nur die Zeit kann zeigen, [wie gut das Auto ist]. Ich weiß es derzeit nicht."
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Max Verstappen bei der Formel-1-Pressekonferenz vor Saisonstart 2024 Zoom Download
Ein Blick in die Testdaten hilft bei der Bewertung der Red-Bull-Chancen: Vor allem auf den Longruns scheint der RB20 seine Stärken ausspielen zu können, drehte schnelle und konstante Runden selbst auf abgenutzten Reifen, und das bei insgesamt geringem Reifenverschleiß. Und dabei war der Topspeed noch nicht mal überzeugend. Was den Schluss nahelegt: Red Bull hat womöglich noch nicht alles gezeigt.
Zumindest hat es das Team beim Testabschluss am dritten Tag "nicht auf die reine Rundenzeit angelegt", wie Verstappen erklärt. "Wir wollten uns mehr auf Longruns ausrichten und das Auto besser kennenlernen. Das war unser Fokus." Und es sei "alles recht positiv" gelaufen aus seiner Sicht.
Verstappen: "Ich war ziemlich zufrieden damit, wie sich das Auto verhielt. Wenn wir dann [nächste Woche] ins Rennwochenende gehen, geht es [nur noch] um das Feintuning der Balance für die jeweiligen Umstände an dem Wochenende."
Und natürlich um die Frage, wer Red Bull dann gefährlich werden kann. Doch Verstappen winkt ab: "Darüber mache ich mir eigentlich keine Gedanken. Ich kümmere mich nur um das, was wir hier machen. Und man hat immer genug Arbeit, denn du willst immer noch besser sein."
"Wir hatten aber einen sehr guten Test und haben viel gelernt von jeder einzelnen Änderung am Auto. Wir wissen jetzt auch, was wir nächste Woche machen wollen. Und darauf konzentrieren wir uns."
Verstappen: Der Fahrzeug-Look ist "egal"
Deshalb sei ihm auch "egal", wie der RB20 aussehe, ob sein Team sich habe inspirieren lassen von technischen Ansätzen bei Ferrari oder Mercedes. "Solange es schneller ist", nimmt Verstappen das gerne in Kauf, wie er sagt.
"Ganz ehrlich: Ich vertraue jedem Einzelnen im Team, dass sie wissen, was sie tun. Natürlich ist es immer sehr interessant, die Ideen zu sehen. Und das Auto sieht gut aus. Aber für alles andere: Ich bin kein Ingenieur. Ich bin hier, um meinen Teil im Auto zu tun. Das Team ist dazu da, das Auto zu bauen und vorzubereiten."
Als Fahrer könne er nur festhalten, dass der RB20 bisher "sehr gut" den Erwartungen entspreche. "Das ist immer ein kleines Fragezeichen, wenn man an die echte Rennstrecke kommt. Aber schon in den vergangenen Jahren war das eine gute Stärke von uns."
Eine Stärke, in der sich Red-Bull-Sportchef Helmut Marko bestätigt fühlt, wenn er die weiteren Autos im Feld besieht: "Was soll ich sagen? Alle Autos sehen so aus wie unseres aus dem Vorjahr!" Zumindest gibt es bei vielen Fahrzeugen technische "Zitate", die man dem RB19 von 2023 zuordnen könnte.
"Ich verstehe das schon", sagt Verstappen. "Wenn es ein Auto gibt wie unseres, dann gehen die anderen Teams ein bisschen in diese Richtung. Das war ja zu erwarten."
Wer hat welches Auto (teilweise) nachgebaut?
Von einer "Red-Bull-Kopie" will aber niemand reden. Mercedes-Teamchef Toto Wolff etwa meint, die einzelnen Rennställe seien viel zu sehr auf ihre eigene Entwicklungsrichtung bedacht. "Man versucht virtuell mittels Simulationen oder im Windkanal etwas dazuzugewinnen. Das schraubt man dann ans Auto, und zwar unabhängig davon, was andere Teams tun."
Doch die Vermutung liegt nahe, dass sich Red Bull ein Beispiel genommen hat an Mercedes bei der Gestaltung der Seitenkästen und der "Wülste" seitlich der Motorhaube. Und Lufteinlässe am Ferrari dürften ebenfalls als Vorbild für den RB20 gedient haben.
Fotostrecke: Formel-1-Technik: Was sich Red Bull bei Mercedes abgekuckt hat
Besonders interessant ist hier der Seitenkasten und die Gestaltung des Lufteinlasses. Denn davon war bei der Präsentation des Red Bull RB20 sehr wenig zu sehen: Das Team kaschierte die entscheidenden Bereiche, aber ... Fotostrecke
Hat Mercedes also einen Fehler gemacht, indem es die Designrichtung der vergangenen zwei Jahre aufgegeben hat? Wolff meint: "Wir haben uns vorm Zero-Pod-Konzept und anderen Dingen verabschiedet, weil wir nicht den Eindruck hatten, dass es der Leistung des Fahrzeugs dient."
"Deshalb haben wir uns für etwas entschieden, was auf den ersten Blick nach einem konventionellen Bodywork aussieht. Wir halten das für eine bessere Plattform."
Vasseur: Wer kopiert, der ist im Nachteil
Und diese Plattform sieht teilweise so aus wie der RB19 aus dem Vorjahr, was Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur aber ebenfalls nicht als eine Kopie versteht. "Es ist eher so: Je mehr Zeit du im Windkanal verbringst und je mehr du das Auto weiterentwickelst, umso näher kommen sich die unterschiedlichen Konzepte. Wir reden hier ja von zwei, drei Jahren. Über diese Zeit nähern wir uns [Red Bull] an."
Es bringe aber nichts, einfach Ideen von anderen Teams zu übernehmen, sagt Vasseur. Begründung: "Wenn du mit dem Kopieren anfängst, bist du immer zu spät dran und einen Schritt zurück."
Red Bull wiederum ahnte schon, dass seine Ideen von 2023 im Jahr 2024 Nachahmer finden würden. Deshalb entschied sich das Team zu einem Konzeptwechsel, "weil wir es für den nächsten Schritt halten", so formuliert es Verstappen. "Aber dazu hat jeder seine eigene Meinung. Wir müssen einfach abwarten, bis jeder seinen wahren Speed beweist."
Was 2024 im Hintergrund passiert
Denn vielleicht haben manche Teams noch etwas in der Hinterhand. Mercedes zum Beispiel: Der ungewöhnliche Frontflügel mit einem teilweise sehr dünnen vierten Flügelelement sorgte in der Testwoche für Aufsehen. Zweifel an der Legalität der Konstruktion bestehen aber nicht (mehr).
"Was auch immer wir ans Auto bringen, dem geht ein Austausch mit der FIA voraus", erklärt Teamchef Wolff. "Wenn man eine clevere Idee hat, setzt man sie nicht einfach um und wartet, ob sie beanstandet wird oder nicht. Über den Winter haben wir einen intensiven Dialog mit der FIA geführt. Deshalb glauben wir, es passt alles."
Ähnlich sieht Verstappen die Situation auf dem Personalmarkt. Auch dort erfolgt ein reger Austausch, einige teils prominente Formel-1-Funktionäre wechseln - mitunter weg von Red Bull und hin zur Konkurrenz.
Ein Grund zur Sorge? Nicht für Verstappen: "Das passiert ständig und vor allem, wenn man gerade Erfolg hat. Wir haben unser eigenes Motorenprojekt für 2026 und bekommen dafür ebenfalls Zulauf von anderen Teams. So war es schon immer in der Formel 1 und so wird es immer sein. Da mache ich mir keinen Kopf. Es ist einfach normal."