Ann Bradshaw: So steuerte sie Williams' Pressearbeit in Imola 1994
Ann Bradshaw ging mit Frank Williams durch Höhen und Tiefen und gibt einen Einblick in ihre Pressearbeit in den 80er- und 90er-Jahren
(Motorsport-Total.com) - Sie ist eine Pionierin der Pressearbeit in der Formel 1 und kam 1985 zu Williams: Ann Bradshaw arbeitete mehr als ein Jahrzehnt lang für das Team von Frank Williams und sah zu, wie die besten Fahrer des Teams Meisterschaften gewannen.
Sie arbeitete mit Fahrern wie Keke Rosberg, Nigel Mansell, Nelson Piquet, Alain Prost, Damon Hill und Jacques Villeneuve zusammen und kreuzte auch die Wege von Ayrton Senna gleich zwei Mal: erst bei Lotus zum Start seiner Karriere, und dann noch einmal 1994 beim tragischen Ende. Hier ist ihre Geschichte - in ihren eigenen Worten:
Frank liebte das Laufen. Wenn wir mit der Arbeit fertig waren, dann kam er aus dem Motorhome, Shorts, T-Shirt - und weg war er. Es gab diesen Typen, der für unseren Titelsponsor Canon gearbeitet hat, David Warren. Er war mal Sportler.
Er repräsentierte Großbritannien bei den Olympischen Spielen in Moskau 1980, die alle guten Leute boykottierten. Aber er war dabei und schaffte es ins Finale. Er war also kein schlechter Läufer! Und ich erinnere mich an einen Test in Imola. Wir haben mit David vereinbart, zusammen Abendessen zu gehen, aber er sagte, er würde erst mit Frank laufen gehen.
Ich habe gesagt: "Okay, ich komme und sammle euch dann auf."
Ich fuhr also in meinem Mietwagen und sah diese beiden Personen vor mir neben der Straße laufen. Einer vorne, die Schultern gerade, der Kopf nach oben und die Pace vorgebend. Der Zweite hatte einen roten Kopf, war leicht nach vorne gebeugt und versuchte, nicht zurückzufallen. Der vorne war Frank.
Fotostrecke: Die Williams-Story
Auf geht's ins Abenteuer Formel 1: Nach zwei erfolglosen Anläufen in der Königsklasse gründen Frank Williams (70 Prozent) und Patrick Head (30 Prozent) ihr eigenes Team. Mit einem March-Chassis steigt man beim Grand Prix von Spanien in die Weltmeisterschaft ein. Fotostrecke
Er war ein brillanter Läufer. Wenn Frank etwas gemacht hat, dann zu 100 Prozent. Er lief jeden Abend. Shorts, T-Shirt - und weg war er. Doch als seine Verletzung passierte, schaute er nie zurück und bemitleidete sich. Er hat sich davon nie abschrecken lassen.
Ich erinnere mich an eines seiner Interviews nicht einmal ein Jahr nach dem Unfall: Frank saß im Rollstuhl und man konnte sehen, dass der Journalist Mitleid mit ihm hatte. Und Frank sagte nur: "Weißt du was, ich sitze lieber in diesem Rollstuhl als unter der Erde. Ich kann immer noch tun, was ich möchte."
So eine Kleinigkeit wie ein Rollstuhl würde ihn nicht aufhalten.
Er hatte nie Mitleid mit sich selbst oder mit anderen Menschen. Und er liebte sein Team. Er hat seine komplette Zeit darin investiert. Und er hasste es, wenn wir Urlaub oder freie Tage hatten. Das Team war sein Leben und hat alles andere ausgeschlossen.
So fing es mit Ann Bradshaw an
Ich war Journalistin. Ich bin ziemlich sicher, dass ich die allererste weibliche Journalistin bei Autosport war, wo ich hauptsächlich über Rallyes schrieb.
Quentin Spurring war damals Redakteur, und wir haben immer darüber gelacht, dass er zu allem, was ich verlangte, "Ja" sagte. Die Jungs sagten: "Zu uns würde er nie ja sagen", und er antwortete: "Ich habe nur Angst, dass sie in Tränen ausbricht, wenn ich nein sage" - was natürlich ein Witz war. Ich habe gerne mit ihm gearbeitet.
Danach war ich Leiterin der Presse- und PR-Abteilung der RAC Motorsport Association, dem Motorsportverband in Großbritannien. Ich habe den Britischen Grand Prix als Pressesprecherin geleitet, den Kart-Grand-Prix, einen Rallycross-Grand-Prix, den Oldtimer-Lauf von London nach Brighton, die RAC-Rallye und ähnliche Dinge.
Und dann kam '85 eine Agentur namens CSS auf mich zu, die früher PR für JPS und Marlboro in der Formel 1 gemacht hat. Sie sagten: "Wir haben diesen Vertrag mit Williams, um ihre Sponsoren zu betreuen, wir haben Canon an Bord und brauchen einen Pressesprecher. Hätten Sie Lust darauf?" Und ich sagte: "Warum nicht?"
Pressesprecher gab es damals nicht wirklich. Das war eine komplett neue Rolle. Es gab nur ein paar von uns im Fahrerlager, und zwei haben für CSS gearbeitet: Tony Jardine hat JPS gemacht, ich Canon. Die meisten Teams hatten gar keinen Pressesprecher, und Bernie Ecclestone wusste nicht einmal, dass wir überhaupt existieren.
"Wofür braucht ihr denn einen Pressesprecher?", fragte er. Wir hatten zu Beginn nicht einmal Pässe.
Medienwelt ohne Internet und Social Media
Es war eine andere Welt. Es gab nicht diese enormen Motorhomes von heute, nur ganz kleine, und keine Hospitality abgesehen von einem Sandwich. Ich arbeitete damals hinten in einem Truck, wo sich die Fahrer umgezogen haben, wo die Ingenieure ihre Debriefs gemacht haben und all diese Dinge.
Ich stand mit meiner tragbaren Schreibmaschine und einem Fotokopierer neben einem Kerl, der sich um das Getriebe gekümmert hat.
Einen Medienzeitplan gab es nicht. Wir haben das einfach spontan gemacht. Journalisten haben manchmal stundenlang auf ein Interview gewartet, aber sie haben es gerne getan. Denn niemand hat ihnen wie heute gesagt: "Du hast zehn Minuten." Sondern sie konnten im Grunde sprechen, so lange sie wollten.
Und die Fahrer haben sich geöffnet. Sie hatten keine Angst davor, dass sie etwas sagen, was dann falsch ausgelegt oder verdreht werden könnte oder so. Es gab keine Breaking News, es gab keine Webseiten und kein Social Media.
Was Social Media noch am nächsten kam, war BBC Ceefax. Das war eine Art Webseite, die man sich am TV ansehen konnte. Es gab rund 20 Seiten, Formel 1, Golf, Fußball, whatever. Man konnte eine Geschichte von 50 Wörtern haben und das war's. Der Rest war Print. Und wir haben immer gesagt: Was heute eine Story ist, wird morgen zur Verpackung von Fish and Chips.
Wenn etwas in einem Magazin in Brasilien aufgetaucht ist, hat es in Europa keiner mitbekommen. Niemand würde etwas darüber schreiben, wer etwas gesagt hat, und die gleiche Aussage dann hunderte Male reproduzieren.
Heute hingegen ist es so, dass sobald etwas leicht kontrovers ist, der Journalist seine Geschichte ins Internet stellt und sie sich wie ein Lauffeuer verbreitet.
'85 hatten wir Keke Rosberg und Nigel Mansell. Ich kannte Keke, seit er in der Formula Super Vee war. Ein Freund von mir namens John Thornburn, der in der Formel 5000 bei McKechnie Racing gearbeitet hatte, erzählte mir von diesen beiden Fahrern, Nigel und Keke, schon lange, bevor diese in die Formel 1 gekommen waren. "Du musst auf diese Jungs achten, Ann, sie sind brillant." Und das waren sie.
Nigel Mansell "war nicht einfach"
Keke war ein echter Finne. Egal, wie das Wetter war, egal, was los war, er stieg aus dem Auto, zog seine dicke Jacke an und steckte sich eine Kippe in den Mund. Das Auto war in jenem Jahr nicht sehr zuverlässig, denn Honda stand erst am Anfang, und so ging es ständig kaputt.
Aber Keke war immer cool. Ich liebe ihn, er ist immer noch derselbe Mensch, wenn sich unsere Wege kreuzen, aber das passiert leider nicht mehr allzu oft.
Und Nigel ... Nigel war nicht einfach. Denn nichts war für Nigel immer einfach gewesen. Er hatte kein Geld und seine Frau hat alles getan, damit er Autorennen fahren kann. Sie haben ihr Haus verkauft, alles, damit er weitermachen konnte. Also musste er immer kämpfen und hatte das Gefühl, die ganze Welt sei gegen ihn. Das war natürlich falsch. Aber so war Nigel.
Wenn irgendjemand etwas geschrieben hatte, war er echt sauer. Fragt mal Maurice Hamilton. Er wird euch darüber erzählen, wie er ins Motorhome gezerrt und zurechtgewiesen wurde.
Ich erinnere mich, dass sich Nigel in Monaco 30 Minuten vor dem Rennen bei ihm darüber beschwert hat, was er geschrieben hat. Ist das zu glauben? 30 Minuten vor dem Start in Monaco hat er sich bei einem Journalisten beschwert!
Ich erinnere mich, dass er ziemlich wütend wurde, wenn Leute geschrieben haben, dass sein Haus auf der Isle of Man "wie ein Gefängnis" war. Er hatte das Haus gebaut, und es gab eine Art Mauer oder Hügel, die angeblich den Wind abhalten sollte. Aber alle sagten, dass sie vor neugierigen Blicken schützen sollte und dass es wie ein Gefängnis aussah. Das hat ihn besonders verletzt.
Aber selbst die kleinste Sache, die leichteste Form von Kritik, machte ihn wütend. Und das haben Leute wie Nelson Piquet natürlich ausgenutzt ...
1986 verließ Tony Jardine das Unternehmen, also haben sie mich darum gebeten, mich für ein Jahr um JPS zu kümmern, und so arbeitete ich mit Ayrton Senna und Johnny Dumfries zusammen. Aber am Ende des Jahres ging JPS und Frank sagte: "Können wir Ann bitte zurückhaben?" So ging ich zurück zu Williams, worüber ich sehr glücklich war.
Kindergarten mit Mansell und Piquet
Aber Nigel und Nelson zusammen ... Es war so, als ob wir mit Kindern umgehen mussten - Schulkindern. Es gab zwei Seiten der Garage, und Nelson hat immer gerne Dinge gemacht, um Nigel zu ärgern.
Als Nigel seinen Unfall in Suzuka hatte und sich am Rücken verletzte, gewann Nelson den Titel und sagte gegenüber den Medien, dass es "ein Sieg von Intelligenz über Dummheit" gewesen sei. Er war gerne so. Er sagte Dinge wie: "Nigel hat die hässlichste Frau" oder "Ayrton ist schwul" und solche Sachen. Aber das war noch die Zeit ohne Social Media.
Heutzutage sind sich die Fahrer dessen bewusst. Sie leben in einer anderen Welt und wissen, dass sie Sponsoren haben und es nicht gut ankommen würde, wenn sie frauenfeindlich oder rassistisch sein würden. Und das ist eine gute Sache. Natürlich gibt es hier und da mal Geschichten wie mit Nikita Masepin und dem Mädel im Auto. Das ist eine gute Lektion für alle Fahrer. So etwas geht nicht.
Aber Nelson ... Wir waren in Monaco und drei oder vier Frauen waren bei ihm. Und dann haben sie sich in die Haare bekommen, weil eine ein besseres Appartement als die andere hatte. Und er versteckte sich im Motorhome und bat mich, ihnen zu sagen, dass er nicht hier sei. Und ich ging hin und sagte: "Ich weiß nicht, wo er ist" - aber natürlich wussten sie es. Heute wären wir entsetzt!
Ich habe meine Zeit aber nicht damit verschwendet, zu Frank zu gehen und zu sagen: "Oh, Nelson hat dies gemacht" oder "Nigel hat jenes gemacht". Frank liebte seine Fahrer. Ich weiß, es sah nicht so aus, so wie er sie rausgeschmissen hat, aber er liebte seine Fahrer. Ihn interessierte das nicht. Ihn interessierte nur, dass sie seine Autos fahren. Die Medienseite war meine Aufgabe.
Ich war nicht im Team, als er seinen Unfall hatte. Als ich wieder zurückkam, saß er schon in einem Rollstuhl. Aber er war immer noch derselbe. Die größte Veränderung war, dass er zuvor zu Leuten hingehen und mit ihnen reden konnte, aber danach mussten die Leute zu ihm kommen.
Er bestellte mich immer zu sich, und ich musste alle Pressemitteilungen vorlesen. Und am Ende jeden Tages wollte er wissen, was der neueste Klatsch ist.
"Ann, ich habe Nigel Roebuck und Alan Henry nicht gesehen, geh und hol sie". Und ich ging und holte sie. Und sie liebten es - Roebuck, Henry, David Tremayne, Joe Saward - sie waren alle um ihn herum und redeten stundenlang mit ihm. Und er war so glücklich wie zuvor, weil sie ihm erzählten, was los war.
Dann hatten wir diese Saison mit Judd, von der man sagen könnte, dass sie schlecht war. Aber wenn man jetzt zurückblickt, dann stand Nigel mit diesem Auto auf dem Podium. Aber das war Nigel! Er konnte noch einmal ein bisschen mehr herausholen. Er war zwar manchmal ein bisschen schwierig im Umgang, aber er war ein fantastischer Fahrer.
Das Regenrennen in Silverstone, wo er Zweiter wurde, das war einfach unglaublich. Und er war ein Fanliebling. Sie liebten ihn, und er liebte sie.
Zwischen Gurkensandwich und Rotwein
Und dann kam Renault, und es war großartig. Die Franzosen haben uns immer ausgelacht, weil wir ihnen Käse- und Gurkensandwiches - diese braunen Gurken! - zum Mittagessen gaben.
Es waren zwei so gegensätzliche Kulturen... Das Frühstück. Alle Briten saßen da und aßen ihre Eier und ihren Speck. Die Franzosen, ein Croissant und einen Kaffee. Mittagessen. Käse- und Gurkensandwiches für die Briten - ein Vier-Gänge-Menü und ein Glas Rotwein für die Franzosen. Aber es hat funktioniert.
Frank, Patrick Head und Bernard Dudot kamen so gut miteinander aus, weil sie gleichgesinnt waren. Das Team war nur einmal sauer, als sie ihre Motoren an Benetton gaben. Als der Deal gemacht wurde, machte Patrick seinen Unmut in den Medien deutlich, von daher wurde er zu Renault zitiert und bekam einen Anschiss.
"Sie haben mir gesagt, dass ich ein PR-Albtraum sei, Ann!" Aber so war Patrick. Er hat immer zu mir gesagt: "Das hätte ich vermutlich nicht sagen sollen." Und dann habe ich gesagt: "Nein, Patrick, das hättest du wirklich nicht."
Journalisten. Patrick Head. Eine Flasche Rotwein. Käse. Oh mein Gott.
Ich saß da und immer wieder dachte er an etwas und sah mich an: "Ich denke, dass ich Probleme mit Ann bekomme, wenn ich das sage. Mir wurde gesagt, dass ich so etwas nicht sagen soll." Aber dann hat er es trotzdem gesagt. Und die Jungs haben gelacht. Und niemand hat etwas geschrieben, weil es eine echte Beziehung war. Sie haben sich großartig verstanden.
Und ja, diese Jahre mit Renault haben eine Menge Spaß gemacht. Wir haben auch immer französische Journalisten eingeladen, und sie haben uns nach Paris eingeladen. Sie haben immer ein Boot auf der Seine gemietet und wir haben dort zu Abend gegessen. Es war einfach die beste Zeit.
Und dann kam der Erfolg. Nigel hat endlich den Titel gewonnen. Er hat bekommen, was er wollte. Und trotzdem hatte er immer noch diesen Verfolgungswahn. Er dachte, die Welt sei gegen ihn. Wenn sein Motor kaputt ging, dann dachte er: "Sie wollen mich sabotieren."
Plötzlich verkündete Mansell den Abschied
Und natürlich hatten wir dieses Drama Ende 1992. Würde er bleiben? Würde er gehen? Das wusste niemand. Die Leute sagen, dass er zu viel verlangt hat.
Es gab diese große Geschichte, dass eine von Nigels Bedingungen für seinen Verbleib bei Williams nach dem Gewinn der Meisterschaft darin bestand, dass das Team ihm während des Rennwochenendes fünf Hotelzimmer zur Verfügung stellen musste. Ich weiß nicht, ob das wahr ist ... Es könnte sein!
Aber die Medien hatten eine Menge zu schreiben. Und an jedem Wochenende kam er am Donnerstag an die Strecke, traf die Journalisten und warf ihnen einen Köder aus.
Dann kam Monza. Wir hatten am Sonntag ein Warm-up, und ich ging für gewöhnlich rüber in die Kommentatorenbox von Eurosport, wo ich bei Allard Kalff und John Watson saß, das Warm-up mit ihnen schaute und zuhörte, was sie sagen.
Als ich an diesem Sonntag zurück in die Garage kam, saßen alle um den Fernseher. Ich fragte: "Was ist los?" Und sie zeigten auf den Fernseher, wo Nigel im Pressekonferenzraum zu sehen war. Ich rannte hin, und da war er und verkündete, dass er das Team verlassen würde.
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Plötzlich kam ein Mann namens Gary Crumpler vom Team rein. Er ging zu ihm hin und flüsterte Nigel etwas ins Ohr. Es war offensichtlich eine Nachricht von Frank, in der Art "du kannst haben, was du willst". Aber das hat Nigel nicht interessiert. Manchmal war er so dickköpfig. "Nein, es ist zu spät!" Und dann machte er mit der Pressekonferenz weiter.
Dann hatten wir Alain Prost. Was soll ich sagen? Mit ihm konnte man einfach arbeiten. Sehr schön. Und schnell. Jeder sagt, dass er politisch war. Aber wir haben nie etwas davon gesehen. Natürlich erinnern wir uns alle daran, was 1989 bei McLaren passiert war, aber wir waren es gewohnt, dass sich die Fahrer gegenseitig nicht mochten, nicht wahr?
Ich finde, Alain war großartig. Professor ist einfach ein perfektes Wort, um ihn zu beschreiben. Er stieg ins Auto, hat getan, was er tun musste, und ging. Natürlich wollte er Ayrton nicht neben sich in der Garage haben. Aber wer will das schon?
Und Ayrton wusste, wie er ihn anstachelt. Er ging zur Presse und sagte so etwas wie: "Ich fahre im nächsten Jahr kostenlos für Williams" und solche Sachen. Und natürlich gab es keine Chance, dass man diese beiden jemals zusammen in das Team steckt. Aber Frank wollte einfach Senna.
Williams' Traum wird wahr: Senna kommt!
Es war 1994 und Franks Traum war wahr geworden. Senna und Williams. Sie haben viel miteinander geredet. Beide liebten Flugzeuge. Sie redeten stundenlang, selbst bevor Senna zu uns kam. Und dann hatte ihn Frank endlich im Team. Und Senna kam zu uns, um das zu erreichen, was auch Nigel und Alain zuvor geschafft haben, nämlich einen weiteren Titel mit uns zu gewinnen.
Aber plötzlich hatten wir ein Problem mit dem Auto. Es war einfach nicht so gut wie das von Benetton. Ayrton hat das Auto durch pures Können auf die Poleposition gestellt, aber er fühlte sich darin nicht wohl. Von daher mussten wir einige Anpassungen vornehmen. Die ersten Rennen waren ein Albtraum.
Ich kannte Ayrton seit 1986, als ich ein Jahr für JPS bei Lotus verbrachte. Schon damals war er sehr entschlossen, sehr motiviert und sehr fokussiert. Man sieht einige Fahrer und denkt sich: "Nein, du wirst nie Weltmeister sein", weil sie zu entspannt sind.
Ich kannte viele solcher Jungs und habe sie geliebt, aber man hat einfach gedacht: "Sei doch etwas eigensinniger." Und dann sieht man so Jungs wie Max Verstappen und weiß, warum er Weltmeister ist.
Bei Ayrton wusste man schon damals, dass er Weltmeister werden würde. Als er den Titel gewann, wurde er ein wenig entspannter, denke ich. Er war ruhig, fast spirituell, und dachte sehr tief über Dinge nach und hatte eine hervorragende Arbeitseinstellung. Aber er war auch nett und freundlich. Und er liebte gute Witze. Es war ein Privileg, mit ihm zu arbeiten.
Niemals kritisierte er das Auto oder das Team. Wir haben nur versucht, weiterzukommen. Ich war bei den meisten Tests dabei, aber wir haben nicht viel Presse gemacht, weil wir wussten, dass wir zuerst das Auto in Ordnung bringen mussten. Und er hatte viel Zeit in der Fabrik verbracht, um die Dinge durchzugehen.
Nach dem zweiten Rennen in Aida, als er in der ersten Runde von Mika Häkkinen abgeschossen wurde, kam er direkt zurück in die Fabrik. Ich erinnere mich, dass ich auf dem Rückflug neben Brian Hart saß, einem guten Freund von Ayrton aus den Tagen bei Toleman.
Er kam rüber, setzte sich neben uns auf den Boden und wir haben die meiste Zeit des Fluges einfach geredet - über das Auto, über die Probleme. Und dann fuhr er direkt in die Fabrik und blieb dort bis Imola.
Und dann kam Imola 1994 ...
Das Wochenende war von Anfang an eine "Shitshow", oder? Der Crash von Rubens [Barrichello] am Freitag. Dann Roland [Ratzenberger]. JJ Lehto am Start.
Die Leute sagen, dass Ayrton mit dem Rennsport aufhören wollte, dass er an diesem Wochenende sehr emotional war. Er hat mit Professor Watkins über gemeinsames Angeln gesprochen und so weiter. Aber ich weiß nicht so recht ...
Ja, er war emotional. Aber er hatte gerade einen anderen Fahrer sterben sehen. Ein Freund hatte einen großen Unfall. Jeder war emotional. Das war einfach so ein Wochenende, wo man sich denkt: "Lasst uns das einfach hinter uns bringen." Vom Start weg war es einfach ein Horrorfilm. Und man konnte ihn nicht schreiben.
Irgendjemand hat gesagt: "Gott hat sich an diesem Wochenende von uns abgewandt." Ich weiß es nicht. Wenn man religiös ist, könnte man denken, dass er einfach gesagt hat: "Nun, ihr benehmt euch nicht. Also lasse ich euch ein Wochenende allein, und dann komme ich wieder und sehe, was ihr angerichtet habt". Aber ich habe das Gefühl, dass so etwas manchmal passiert.
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Manchmal geht einfach alles schief. Natürlich möchten die Fans den Grund wissen. Es gibt die Medien. Warum ist Ayrton gestorben? Und wir wissen, warum er gestorben ist. Weil wir das Glück nicht auf unserer Seite hatte. Es gab dieses kleine Stück Metall, das einfach durch das Visier ist.
Aber warum war er in dieser Position? Warum hatte er den Unfall? Ist die Lenksäule kaputtgegangen? War es der Reifen, der nach dem Safety-Car die Luft verloren hat?
Es ist jetzt fast 30 Jahre her, und wir wissen es immer noch nicht. Und wir werden es auch niemals wissen. Wir wissen nur, dass Motorsport gefährlich ist. Und dieses Wochenende hat einfach gezeigt, wie gefährlich es sein kann. Und es hat wohl gezeigt, wie viel wir noch daran arbeiten müssen, ihn weniger gefährlich zu machen. Aber rein von der Beschreibung her ist das, was wir tun, gefährlich.
Der Umgang mit Sennas Tod
Frank gab mir an dem Tag einen sehr guten Rat. Wir waren alle sehr emotional. Noch hatte niemand gesagt, dass er gestorben war. Aber wir wussten, wie schlimm es war. Frank saß in einem Rollstuhl, er hatte so etwas schon mitgemacht. Er hatte Piers Courage verloren.
Und ich erinnere mich, dass ich in sein Motorhome gegangen bin und er einfach zu mir gesagt hat: "Ann, wenn du denkst, dass du weinen musst, dann setz deine Sonnenbrille auf und mach einfach weiter." Und wir mussten weitermachen.
Wenn ich eine Zoowärterin wäre, könnte ich nicht einfach sagen: "Ich werde das an diesem Wochenende nicht machen, weil ich glaube, dass diese Tiger gefährlich sind." Nein, deine Aufgabe ist es, auf diese Tiger aufzupassen. Wir alle wussten, was wir taten. Wir akzeptieren dieses Risiko. Und niemand nimmt es mehr in Kauf als der Fahrer.
Wir mussten uns alle zusammenreißen. Wir mussten uns mit den Medien auseinandersetzen, wir mussten uns mit den Ereignissen auseinandersetzen, aber wir hatten auch Mechaniker, die in der Garage standen und sich fragten, ob sie etwas falsch gemacht hatten.
Wir mussten da durch. Wir hatten ein Rennen zu fahren. Wir hatten noch einen anderen Fahrer. Damon [Hill] - und das muss man ihm zugutehalten - stieg zurück ins Auto und wusste nicht, ob Ayrtons Auto kaputtgegangen war, und er fuhr. Er hat an diesem Tag und in diesem Jahr eine Menge für das Team getan. Er war eine Säule. Eine absolute Säule der Stärke.
Wir mussten uns um die Jungs kümmern, die an dem Auto gearbeitet hatten. Die Medien waren in heller Aufregung und versuchten herauszufinden, was passiert war. Und diese Leute standen da und dachten über das Auto nach. Die Leute taten ihre Arbeit für ihren Fahrer, und plötzlich standen sie da und fragten sich: "War ich das?" Und sie haben das Auto nie zurückbekommen.
Es ging mehr darum, die Medien von ihnen fernzuhalten. Wir flogen in dieser Nacht alle zurück - und Damon war dabei -, mit dem Wissen, dass Ayrton gestorben war. Die Besatzung des Flugzeugs teilte mir mit, dass der Flughafen voll mit Fernsehteams war.
Als wir also in Gatwick ankamen, ging ich direkt zu ihnen und sagte: "Hören Sie, ich werde mit Ihnen reden. Ich werde alles tun, was ihr wollt, so lange ihr wollt. Aber bitte versuchen Sie nicht, einen dieser Jungs aufzuhalten. Bitte."
Und sie waren sehr respektvoll. Ich weiß nicht, ob sie das heute noch tun würden, aber damals waren sie sehr respektvoll. Sie ließen sie alle gehen, und ich blieb und unterhielt mich mit ihnen.
Und dann haben sich Damon und Frank und DC (David Coulthard; Anm. d. Red.) zusammengerissen und sind zurückgekommen und haben wieder gewonnen. Es hat eine Weile gedauert, bis sie wieder eine Meisterschaft gewinnen konnten, Michael Schumacher und seine Jungs waren nicht gerade hilfreich, aber zwei Jahre später kamen wir zurück.
Damon kam zum Team, um einen großartigen Fahrer zu unterstützen, arbeitete dann mit einem anderen großartigen Fahrer zusammen und wurde dann selbst zum Champion.
Das Leben nach Williams
Aber natürlich war es zwischen Frank und seinen Fahrern vorbei. Er hatte wohl schon lange bevor Damon seine Meisterschaft geholt hat entschieden, Heinz-Harald Frentzen zu holen. Und Damon konnte nichts anderes tun, als zu Arrows zu gehen.
Ich habe auch bei Arrows unterschrieben, fast zur gleichen Zeit wie Damon. Ich wollte ein bisschen mehr machen als nur F1. Und ich kannte Tom Walkinshaw schon viele Jahre. Er hatte ein Sportwagen-Team, ein Tourenwagen-Team, ein Engineering-Unternehmen, ein Design-Unternehmen, und er hat Motorrad-Motoren für Kenny Roberts gebaut.
Nach so langer Zeit mit nur Formel 1 wollte ich einfach ein bisschen mehr machen. Ich liebe Motorsport, ich bin nicht nur ein Formel-1-Mensch. Mit Tom konnte ich Le Mans mit dem R390-Projekt machen, Tourenwagen mit Volvo, Formel 1 mit Arrows und vieles mehr.
Wir hatten Pedro Diniz, Mika Salo, Pedro de la Rosa, Jos Verstappen. Und '97 war da natürlich Damon, mit dem ich gerne zusammengearbeitet habe. Neulich schrieb er mir und fragte, ob es schlimmer gewesen sei, mit ihm zu arbeiten als mit Nigel. Das war es natürlich nicht! Aber so ist Damon eben.
Ich schätze, er hat einen Scherz gemacht. Aber bei ihm ist man sich nie sicher, weil er manchmal sehr vage ist, in seiner eigenen Damon-Welt.
Montoya nennt sie "Oma", sie ihn "Monster"
2001 kehrte ich kurz zu Williams zurück, um den Mutterschaftsurlaub von Silvia Hoffer zu vertreten. Ich war also eine Zeit lang wieder im Team, als sie mit BMW waren. Wir hatten Ralf Schumacher und Juan Pablo Montoya.
Ralf konnte schwierig sein, und ich hatte irgendwie erwartet, dass Juan Pablo auch schwierig sein würde, denn ich hatte gehört, dass er und Silvia nicht gut miteinander auskamen. Und ich sage Ihnen, es ist unmöglich, sich mit Silvia nicht zu verstehen.
Ich erinnere mich an eine der ersten Begegnungen, bei der er etwas ziemlich Unhöfliches sagte, worauf ich antwortete: "Sei vorsichtig, junger Mann, ich bin alt genug, um deine Mutter zu sein." Und er sah mich an und sagte: "Nein, meine Großmutter." Und ich sagte: "Weißt du was, du bist ein Monster."
Und von diesem Moment an bis zum heutigen Tag hieß es immer Oma und Monster - und wir haben die beste Freundschaft.
Wenn ich zu einem Rennen fahre, an dem er teilnimmt, schickt er mir immer eine Nachricht: "Hey, Oma, was machst du gerade? Ich habe dich gerade gesehen. Komm mal her." Und wenn die Leute uns reden hören, sind sie verwirrt, weil wir uns gegenseitig "Monster" und "Oma" nennen, und meistens benutzen wir auch das F-Wort vor diesen Namen.
Dann bekam ich einen Job bei BMW. Guido Stalmann, der jetzt mit Audi zurückkommt, war Leiter der Motorsportkommunikation bei BMW, als sie noch Motoren für Williams bauten. Und er fragte mich, ob ich bereit wäre, für sie als Pressesprecherin in der Tourenwagen-Europameisterschaft zu arbeiten.
Also kam ich nach München, hatte ein Vorstellungsgespräch und arbeitete die nächsten 16 Jahre mit ihnen zusammen.
Sie kamen bald als Werksteam zurück in die Formel 1, sie hatten Tourenwagen, Sportwagen, Rallye, DTM, Formel BMW. Das waren großartige und spaßige 16 Jahre. Ich liebte die Formel BMW, und meine Kids sind immer noch in der Formel 1: Nico Hülkenberg, Carlos Sainz ... Irgendwann hatten wir mal zehn frühere Formel-BMW-Fahrer in der Boxengasse, und der berühmteste war natürlich Sebastian Vettel.
Lance Stroll "unfair" behandelt
Und dann war ich zurück bei Williams, jetzt als Pressesprecherin von Lance Stroll. Und ich habe wirklich gerne mit ihm zusammengearbeitet. Ich mag Lance und finde, dass er in seinen frühen Jahren unfair behandelt wurde. Viele Leute haben ihn einfach dafür kritisiert, dass er der Sohn seines Vaters ist. Aber deinen Vater kannst du dir nicht aussuchen.
Er ist sicherlich nicht der beste Fahrer der Welt, aber auch nicht der schlechteste. Aber einige Kommentare über ihn schossen einfach über das Ziel hinaus. Und natürlich mochte Lance die Medien wegen all dieser Dinge nicht. Aber er hat immer gesagt, dass ich ihm den Rücken gestärkt habe, und das habe ich auch gemacht.
Ich habe ihm immer gesagt: "OK, es ist hart. Sie werden dir eine harte Zeit bereiten. Aber wenn du vor ihnen wegläufst, werden sie dir die schlimmste Zeit bereiten. Lass uns hingehen und sie konfrontieren." Und es ist ihm hoch anzurechnen, dass er tat, was er tun musste.
Jetzt arbeite ich mit Rennorganisatoren. Das ist ein wenig anders. Ich habe den Grand Prix von Abu Dhabi hin und wieder ein paar Mal betreut. In diesem Jahr war es Katar. Ich habe viele unterschiedliche gemacht: Australien, Indianapolis, Indien, Austin, Malaysia, Mexiko. Nächstes Jahr werde ich Saudi-Arabien machen.
Es ist schön, um die Welt zu reisen und neue Leute kennenzulernen, die ebenfalls Leidenschaft für den Motorsport besitzen. Denn am Ende des Tages ist es das, was wir alle gemeinsam haben.
Fahrer, Ingenieure, Journalisten, Pressesprecher. Wir alle lieben einfach den Motorsport.