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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Vor der Weltöffentlichkeit für "totale Scheiße" zur Sau gemacht: Für Renault wird die selbst heraufbeschworene Schlammschlacht mit Red Bull zu einem PR-Debakel
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
erinnern Sie sich, wie Renault ein weiteres PR-Debakel als Folge des vergifteten Verhältnisses zu Red Bull verhindern wollte? Richtig! Man einigte sich mit den Österreichern darauf, die Antriebe mit dem Namen seines Sponsors TAG Heuer zu bepflastern. Damit niemand auf die Idee kommt, Christian Horner und Helmut Marko würden Renault in Grund und Boden schimpfen. Was für ein Käse! Amtlich verbrieft, dass es sich um eine Schnappsidee handelte, ist es seit dem Ungarn-Grand-Prix in Budapest am Sonntag. Danach dürfte Renault-Sportchef Cyril Abiteboul kein Auge zugetan haben.
Das dieser Tag-Heuer-Trick nicht funktionieren würde, dachte ich mir schon, als die Renault-Schriftzüge Ende 2015 abgekratzt wurden. Als ob es etwas ändern würde, dass ein nobler Schweizer Uhrenhersteller, der für Hochtechnologie, Zuverlässigkeit und Präzision steht sowie Glanz aus der goldenen McLaren-Ära der Achtzigerjahre transportiert, seinen Namen verleiht. Renault-Motor bleibt eben Renault-Motor, und zwar auch leistungsmäßig.
Als Max Verstappen seinen Antrieb nach einem weiteren MGU-H-Defekt am Sonntag vor einem Millionenpublikum mehrfach als "scheiße" - wahlweise auch "total scheiße" - bezeichnete, wird kein betuchter Manager seine Tag Heuer Monaco (je nach Version zwischen 1.600 und 7.000 Euro teuer) in den Container für Alt-Elektro gefeuert haben. Auch Hollywood-Ikone Steve McQueen, der das Modell und die Marke einst weltberühmt machte, wird sich nicht im Grabe herumgedreht haben.
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Vielmehr könnten in Renaults PR-Abteilung Einrichtungsgegenstände zu Bruch gegangen sein, weil natürlich die Würdenträger der Marke herhalten mussten. Weil jeder weiß, was für ein Triebwerk im Red Bull steckt. Es wird problematisch, ein Formel-1-Engagement vor Aktionären zu rechtfertigen, wenn es sein einziger Nutzen ist, vor den Augen der Weltöffentlichkeit ordentlich zur Sau gemacht zu werden.
Konzernchef Carlos Ghosn muss sich fragen lassen, ob er Ende 2015 nicht selbst die Ehe mit Red Bull vor den Scheidungsrichter hätte bringen sollen. Ich meine: Schon damals war absehbar, dass die nächste sportliche Krise eine neue Eskalationsstufe auslösen und man immer geneigt sein würde, dem glitzernden Weltmeisterteam Red Bull mehr zu glauben als Renault. Exakt das ist in Budapest passiert
Nicht erst im Rennen: Als die Strecke im Qualifying nass war und die Formel 1 auf den Husarenritt Max Verstappens wartete, ging das als Regengott verschrieene Supertalent baden. Und moserte anschließend über fehlende PS, die auf rutschiger Bahn doch angeblich nichts zählen. Egal, wie viel Wahrheit in solchen Worten steckt - es ist für Red Bull einfach geworden, sich hinter Renault zu verstecken. Es ist eine Analogie zu der Situation zwischen McLaren und Honda im vergangenen Jahr.
Dass Teamchef Horner während des Rennens live im Fernsehen erklärte, er wolle Renault-Geschäftsführer Abiteboul wie einen Schuljungen antanzen lassen, damit er sich für den Defekt entschuldigt, war zweifelsohne Höhepunkt der Demütigungen. Gefolgt von der Tatsache, dass sich das Werksteam der Franzosen nach Anfängerfehlern am Samstag (Nico Hülkenberg hatte im Qualifying nicht genügend Sprit im Tank und im Training die falschen Reifen auf den Achsen) von Red Bulls B-Mannschaft mit Honda-Power bügeln ließ.
Klar, Red Bull ist in solchen Situationen der Aggressor. Aber Renault unternahm zuletzt alles, um Horner und Co. zu provozieren. Schon Anfang 2018 bekannte man sich dazu, dass das Werksteam oberste Priorität genießen würde. Dann setzte man Red Bull mit einem Ultimatum für die 2019er-Motorenwahl unter Druck. Schließlich verweigerte man dem Team in Hockenheim neue Komponenten für das Auto von Daniel Ricciardo und suchte fadenscheinige Ausreden. Mehr als ungeschickt.
Es war logisch, dass bei dem nächsten rauchenden RB14 die Fetzen fliegen würden. Ihre Trennung lösten McLaren und Honda eleganter und wahrten ihre Gesichter. Bei den Kollegen bricht nun der Rosenkrieg aus - um nicht von einer Schlammschlacht zu sprechen. Für das Kerngeschäft Renaults ist das nur ein Problem, wenn man der alten Weisheit "win on Sunday, sell on Monday" Glauben schenkt.
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Ich bin bei Mercedes-Sportchef Toto Wolff: ein linearer Zusammenhang zwischen sportlichem Erfolg und Absatzzahlen von Pkw existiert nicht. Wenn ein millionenteurer Prototyp, der mit den Logos eines Energydrink-Herstellers zugekleistert ist, ausrollt, wieso sollte Otto Normalbürger zurückschrecken, einen Renault Twingo zu kaufen? Hybridsysteme zur Energierückgewinnung wird es bei 18.000 Touren und 300 km/h nicht zerreißen, wenn der stolze Besitzer zwei Kästen Mineralwasser vom Supermarkt nach Hause transportiert. Aber sagen Sie das den Aktionären.
Übrigens: Sicher wird auch "Wingman" Valtteri Bottas schon besser geschnarcht haben als vergangene Nacht. Da er nach dem Rennen in Hockenheim aber schon unser Schlechtschläfer war, vermuten wir, dass er sich an seine Rolle als Nummer 2 bei Mercedes zumindest gewöhnt haben dürfte.
Wenn Sie weiterlesen möchten: Wir wollen nicht nur nörgeln (auch wenn es mehr Spaß macht). Daher gibt es zu dieser Kolumne das Schwesternformat "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat" auf de.motorsport.com. Was meinem zweckoptimistischem Kollegen Norman Fischer eingefallen ist, können Sie hier nachlesen.
Merci beaucoup für's Lesen
Dominik Sharaf
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