• 09. Januar 2022 · 13:13 Uhr

Günther Steiner exklusiv: Musste mich 2021 immerhin nicht aufregen!

Im Exklusivinterview spricht Haas-Teamchef Günther Steiner unter anderem über die Arbeit mit Mick Schumacher, die Rückschläge 2021 und die Hoffnungen für 2022

(Motorsport-Total.com) - Haas erlebte 2021 die schwierigste Saison in der noch jungen Geschichte des Teams. Zum ersten Mal bleib die US-Truppe mit den beiden Rookies Mick Schumacher und Nikita Masepin und einem Auto, das im Vergleich zum Vorjahr nicht weiterentwickelt wurde, ohne Punkte und belegte den zehnten und letzten Platz in der WM.

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Haas-Teamchef Günther Steiner will 2022 wieder um bessere Ergebnisse kämpfen Zoom Download

Beim Saisonfinale 2021 in Abu Dhabi haben wir exklusiv mit Teamchef Günther Steiner sprechen können. Unter anderem hat er uns verraten, wie die Zusammenarbeit mit Mick Schumacher gelaufen ist, warum 2022 für Haas eine Chance sein sollte und warum er die Saison 2021 vergleichsweise gelassen angehen konnte.

Frage: "Können Sie die Saison 2021 für uns in einem Wort zusammenfassen?"

Günther Steiner: "Das können Sie nicht schreiben! [Nach einer kurzen Denkpause] Schwierig. Das wäre ein zivilisiertes Wort für Sie."

Frage: "Welche Emotionen hat man nach so einem schwierigen Jahr?"

Steiner: "Zunächst einmal hat man in so einem Jahr das Gefühl, dass es niemals endet. Das ist die erste Emotion. Die andere Emotion kommt an einem Sonntagabend [nach einem Rennen], obwohl wir vorher wussten, dass das der Plan ist und dass es passieren wird."

"Aber wenn man [mit den Ergebnis] konfrontiert wird, selbst wenn man Kampfgeist besitzt, dann ist es ein Schlag. Es fühlt sich furchtbar an. Man muss motiviert bleiben und nach vorne schauen. Aber es gibt nichts, was man tun kann. [...] Man weiß, dass sich kurzfristig nichts ändern wird. Es ist eben so."


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"Man versucht einfach, weiterzumachen und alle bei Laune zu halten. Das ist gar nicht so schwer, weil alle Racer und realistisch sind. Wenn ich ihnen sage 'Das nächste Rennen wird großartig!', was soll ich ihnen dann am nächsten Wochenende sagen? Ich sage ihnen, dass es mit dem neuen Auto besser wird. Mehr kann man nicht tun."

Frage: "Wussten Sie gleich ab dem ersten Rennen, wo sie stehen?"

Steiner: "Absolut. Und dann muss man aufpassen, dass die Leute nicht selbstgefällig werden, dass sie sich daran gewöhnen und nicht mehr ihr Bestes geben. Man muss ihnen sagen: 'Ihr Jungs seid nicht dumm oder schlecht geworden. Es wird besser werden. Unser Auto wurde einfach nicht weiterentwickelt.'"

"Die Antwort ist ganz simpel. Wenn man in einem Jahr gar nichts macht, dann landet man eben dort. In den letzten beiden Rennen konnte ich daher gar nicht glauben, dass wir nur ein oder zwei Zehntel hinter dem Mittelfeld lagen. Das verstehe ich nicht, denn das Auto war [zu diesem Zeitpunkt] fast zwei Jahre alt."

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Frage: "Lag es also daran, dass die Fahrer gelernt und mehr Erfahrung hatten?"

Steiner: "Die anderen hätten weiter vorne sein sollen, weil sie ihre Autos weiterentwickelt haben. Die letzten beiden Rennen waren einfach sehr seltsam. In Saudi-Arabien, wo die Runde sehr lang ist, lagen wir nur anderthalb Zehntel zurück. Im Rennen haben wir mit einem Williams gekämpft."

Frage: "War das ein Ansporn?"

Steiner: "Sobald man um irgendetwas kämpfen kann, ist es gleich ein anderes Szenario, ein anderes Gefühl."

Frage: "Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Mick Schumacher?"

Steiner: "Man kann sehen, dass er sich in seiner Umgebung immer wohler fühlt. Er wächst und reift in allen Bereichen. Bei der Herangehensweise ans Wochenende ist er viel entspannter, es ist jetzt ganz normal. Viele Dinge sind nun automatisiert. Er muss nicht mehr über simple Dinge nachdenken und kann sich darauf konzentrieren, das letzte Quäntchen herauszuholen. Das macht dich normalerweise schneller."


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Frage: "War der Name Schumacher ein zusätzlicher Druck für ihn?"

Steiner: "Es ist wie bei allen anderen auch. Wenn man neu ist, dann schauen alle ganz genau hin. Wenn man nicht mehr neu ist, dann ist man nur noch einer von vielen."

Frage: "Und wie hat sich Nikita Masepin entwickelt?"

Steiner: "Er wird besser, aber es ist kein leichter Job, zu lernen, wie man in der Formel 1 fährt. Sie alle lernen, dass es hier nicht einfach ist. Auch er hat eine gute Entwicklung hinter sich. Schauen wir mal, wie er sich nächstes Jahr mit einem besseren Auto schlägt."

Steiner über Fahrer: "Irgendwann haben sie das verstanden"

Frage: "Wie war es für Sie, mit zwei Rookies zu arbeiten?"

Steiner: "Es war auf jeden Fall eine Erfahrung! Wir wussten vorher, was wir tun. Aber mir war nicht im ganzen Ausmaß klar, was passieren würde. Man lernt dazu und realisiert, wie diese jungen Kerle ticken. Wie unerfahren sie sind und wie viel Hilfe sie brauchen."

"Manche Dinge, die sie lernen müssen, kann man ihnen nicht beibringen. Man kann sie nur anleiten. Sie müssen selbst schwimmen oder sie gehen unter. Es ist ein Vollzeitjob, sie über Wasser zu halten. Und das möchte ich nicht. Es ist besser, wenn sie es auf die harte Art lernen. Dann haben sie es drin. Das ist besser, als sie zu verhätscheln."

"Weil das Auto nicht konkurrenzfähig war, war es leichter, weil wir keine Punkte brauchten. Nächstes Jahr wollen wir wieder punkten. Aber [2021] haben sie viel selbst gelernt, indem sie Fehler gemacht haben."


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Frage: "Und das hat sie nicht gestört?"

Steiner: "Das einzig gute an dem Jahr war, dass ich mich nicht aufregen musste, weil wir sowieso nichts zu verlieren hatten!"

Frage: "In den Nachwuchsklassen ist jeder ein Gegner, während man in der Formel 1 zusammenarbeiten muss. Wie haben die beiden diese Umstellung im Kopf gemeistert?"

Steiner: "Zu Beginn der Saison haben sie gegeneinander gekämpft. Da haben wir gesagt: 'Jungs, ihr kämpft da um Platz 19. Das bringt dem Team gar nichts.' Irgendwann haben sie das verstanden."

"In der Formel 1 geht es nicht darum, nur einen Fahrer zu schlagen. Wenn man im Training einen strategischen Job erledigen muss, kommt die Frage: 'Warum muss ich das machen und nicht der andere?' Weil es besser für das Team ist! Ganz einfach."

"Für uns sind sie nicht [Fahrer] A und B. Sie sind A und A. Beide bekommen die gleichen Möglichkeiten, sobald wir herausgefunden haben, was für das Team das Beste ist. Wir machen keinen Unterschied, beide haben den gleichen Status. So läuft es."

2022 als große Chance für Haas?

Frage: "Sind die neuen Regeln 2022 für ein Team wie Haas wichtiger als für andere?"

Steiner: "Ich wäre glücklich, wenn sie nur für uns eine Chance wären! Aber leider sind sie für alle eine Chance. Für uns ist es eine gute Möglichkeit, denn wenn wir mit diesen Regeln weitergemacht hätten, wäre es sehr schwierig gewesen, aufzuholen."

"So starten wir wenigstens fast auf dem gleichen Level. Die großen Teams werden immer mehr Momentum haben - besonders zu Beginn der Budgetobergrenze, weil sie vorher diese Ressourcen hatten. Aber es gleicht sich alles etwas an. Und wenn man [2022] zunächst etwas zurückliegt, hat man wenigstens eine Chance, aufzuholen, weil alle gleich angefangen haben."

"Selbst wenn man zurückfällt, liegt man nicht so weit hinten. Es fehlt dann nicht ein ganzes Jahr bei der Entwicklung. Ich denke, das sollte ein Vorteil sein. Hoffentlich erwischen wir direkt einen ordentlichen Start und können dann darauf aufbauen."

Frage: "Wird es Ihnen auch helfen, dass es technisch weniger Freiheiten geben wird?"

Steiner: "Da warte ich erst einmal ab, denn man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Wir haben noch nichts [von den neuen Autos] gesehen. Theoretisch sollte es ausgeglichener sein."

"Aber man kann noch immer in Bereichen entwickeln, die einen Unterschied ausmachen werden. Vielleicht wird die Lücke kleiner sein, aber es ist dann sehr schwer, diese kleine Lücke zu schließen. Hoffentlich wird sich alles über eine Periode von einigen Jahren angleichen."

Engere Zusammenarbeit mit Ferrari

Frage: "Was hat es mit dem Haas-Zentrum in Maranello bei Ferrari auf sich?"

Steiner: "Das war einfach eine Entwicklung. Als die Pandemie 2020 begann, haben wir bei Dallara alles etwas zurückgefahren. [...] Dann bot sich bei Ferrari die Möglichkeit, weil sie durch die Budgetobergrenze zu viele Leute hatten."

"Wir konnten einige dieser erfahrenen Leute holen, um in Maranello etwas aufzubauen. Ich denke, wir haben da eine gute Gruppe zusammen. Es sind auch weiterhin einige alte Leute [von Haas] dabei, es ist nicht alles neu. Die Aero-Gruppe ist fast noch so wie zuvor zusammen."

"Ich denke nicht, dass das für uns ein Vor- oder Nachteil ist. Es ist einfach eine Veränderung, wie wir die Dinge machen. Ich bin sehr zufrieden mit der Arbeit von Simone [Resta]. Er führt die Gruppe in Italien. Das ist gut und hoffentlich werden wir ein gutes Auto entwickeln."


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Frage: "Hat der immer größer werdende Kalender für eine höhere Fluktuation bei den Mitarbeitern gesorgt?"

Steiner: "Zehn bis 15 Prozent mehr als normalerweise würde ich sagen. Am Ende des Jahres gibt es immer eine gewisse Fluktuation, vor allem bei denjenigen, die auf Reisen gehen. Und dieses Jahr ist es etwas mehr."

"Ich denke, da gibt es nicht nur eine Antwort. Es war eine grausame Saison und nächstes Jahr haben wir noch ein Rennen mehr. Außerdem war unsere Performance nicht gut. Wenn man gewinnt, dann ist man automatisch motiviert. Es ist eine Kombination aus mehreren Dingen. Aber uns laufen die Leute auch nicht in Scharen davon."

"Viele wollen sich in ihrer Karriere einfach verändern. Manche bleiben nicht im Motorsport und nehmen Jobs außerhalb der Formel 1 an, weil der Jobmarkt momentan gut ist. Es gibt viele Möglichkeiten. Es ist nicht so, dass alle Haas verlassen wollen. [...] Es ist nicht so schlimm, dass wir sagen: 'Oh, jetzt haben wir gar keine Mitarbeiter mehr!'"

Steiner über Sprintrennen: Ja, aber ...

Frage: "Haben sie sich politisch 2021 aus allen Querelen herausgehalten?"

Steiner: "Die politischen Kämpfe wurden [2021] vorne zwischen Red Bull und Mercedes ausgetragen. Alle anderen hatten damit quasi nichts zu tun. [...] Es war ein ruhigeres Jahr [für uns als 2020]. Wenn man Letzter ist, dann kann man nur um eine Sache kämpfen, nämlich die Budgetobergrenze - sonst eigentlich um nichts."

Frage: "Wie stehen Sie zu den Sprintrennen?"

Steiner: "Wenn es uns sportlich oder wirtschaftlich nicht schadet und wenn wir versuchen, den Sport besser zu machen, dann bin ich immer dafür. Im Leben sollte es immer darum gehen, die Dinge besser zu machen."

Frage: "2022 soll es sechs Sprintrennen geben. Sind sie damit zufrieden?"

Steiner: "Es gibt viele Spekulationen, aber über gewisse Dinge wird noch gesprochen. Es wird Diskussionen darüber geben, wie sie für die Meisterschaft zählen. Grundsätzlich bin ich nicht dagegen, aber es muss Sinn ergeben."

"Niemand sollte wirtschaftlich einen Vorteil haben, sodass das Feld geteilt wird. Wenn wir es machen, dann sollte es für alle gleich sein. Geld, Budgetobergrenze, alles. Wir machen alle das gleiche - zusätzlich zu dem, was wir sowieso schon machen. Warum sollten die großen Teams also einen Vorteil haben, wenn es mehr Rennen gibt?"

"Um es interessanter zu machen, haben wir über Rennen mit einer umgekehrten Startaufstellung gesprochen. Und dann geht es plötzlich wieder in die Richtung, dass die Starken noch stärker werden. Wir helfen den Starken, deshalb denke ich nicht, dass das der richtige Weg ist."

"Mit der Budgetobergrenze haben wir einen großen Schritt gemacht. Aber jetzt versuchen wir, diesen großen Schritt zu untergraben, indem wir Wege finden, ihn zu umgehen. Wir müssen sicherstellen, dass Zahlungen und Ausnahmen beim Kostendeckel für die Sprintrennen für alle gleich sind."

Frage: "Was wäre für Sie das perfekte Sprintformat?"

Steiner: "Darüber habe ich noch nicht besonders viel nachgedacht. Man muss so kalkulieren, dass das Sprintrennen keinen zu großen Einfluss auf die Meisterschaft hat. Man muss Ideen finden, wie das passieren soll, damit [der Sprint] das Rennen zwar beeinflusst, aber auch nicht zu sehr."

"Denn wenn nur die ersten drei Fahrer Punkte bekommen, dann hat man [weiter hinten] keine echte Motivation, irgendetwas zu machen. Aber da habe ich noch keine Antwort. Wir werden aber sicher einige gute Ideen haben, um ein gutes Format zusammenzustellen."

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