• 12. August 2019 · 07:09 Uhr

Kimi Räikkönen: "Mir sind so viele Dinge auf den Sack gegangen!"

Sauforgien waren "ganz normal" für ihn: Kimi Räikkönen im Interview über sein ambivalentes Verhältnis zum Rennfahren, zum Alkohol und zum Zigarettenqualm

(Motorsport-Total.com) - Mein erstes 1:1-Interview mit Kimi Räikkönen ist inzwischen ein paar Jahre her. Räikkönen fuhr gerade bei Lotus und hatte eine jener Phasen in seiner Karriere, in denen seine Lust auf Medientermine und Interviews besonders begrenzt war. 15 Minuten Gespräch waren mit Lotus-Pressesprecher Andy Stobart vereinbart, aber schon nach fünf stand der "Iceman" auf, knurrte noch ein rein rhetorisches "Are we done?" und ließ mich ziemlich verdutzt wie auch (momentan) enttäuscht am Tisch zurück.

Stobart blickte mich achselzuckend an: "Was soll ich machen?" Kimi Räikkönen, das war meine Lektion aus jener Begegnung, lässt sich nicht kontrollieren. Er macht nur das, was ihm Spaß macht, und er macht es nur zu seinen Bedingungen. Medienarbeit ist ihm heute noch ein Gräuel. Aber seither sind sechs Jahre vergangen, eine Ehe und zwei Kinder passiert - und gewisse Dinge haben sich geändert.

Unser Interview über "Kimis Leben und Kimis Buch", so die Definition meiner Anfrage ans Alfa-Romeo-PR-Team, hätte eigentlich schon in Baku stattfinden sollen. Weil ich mir den Termin aber schlauerweise in Österreich ins Handy gespeichert hatte und dieses Termine gebunden an Zeitzonen abspeichert, kam ich dort zu spät. Mir wurde berichtet, es hat Kimi nicht gestört. Er soll seine zusätzliche Freizeit sehr genossen haben!

Aber das passiert mir natürlich kein zweites Mal. Also der nächste Versuch. Von einer Alfa-Sprecherin erhalte ich noch den Tipp, nicht gleich zu direkt ins Interview einzusteigen. Kimi mag das nicht, werde ich gebrieft. Aber das ist mir jetzt mal egal. Unser Gespräch beginnt, indem ich Kimi unser Erlebnis von damals erzähle. Nicht vorwurfsvoll, aber doch ziemlich direkt genau so, wie ich es empfunden habe.

Eisblaue Augen hinter dunkler Sonnenbrille versteckt ...

Er muss schmunzeln. Erinnern kann er sich, da bin ich mir ziemlich sicher, nicht. Wie er sich generell an nicht allzu viel aus seinen wilden Lotus-Jahren erinnern kann. Aber dazu später mehr. Mein Einstieg bricht aber das Eis ein wenig. Kimi wirkt ein bisschen so, als hätte er schon zwei, drei Gläser Wein getrunken. Was am Medien-Donnerstag sicher nicht der Fall ist. Er ist einfach entspannt. Ganz "Iceman" eben.

Während ich meine ersten Fragen stelle, lässt er sich ganz lässig in den Stuhl im oberen Stock der Alfa-Hospitality zurückrutschen. Seine nordisch-kühlen Augen sehe ich leider nicht, sondern werden von einer schwarzen Sonnenbrille verdeckt. Die Arme sind hinter dem Stuhl verschränkt. Die Körpersprache signalisiert ein bisschen Gleichgültigkeit. So ist er halt, Kimi: Er pfeift sich einfach nichts. Man kann ihn dafür mögen oder auch nicht.

Ich würde nicht wollen, dass meine Kinder mal so werden wie er. Aber davon mal abgesehen ist er mir einer der liebsten Zeitgenossen im Fahrerlager der Formel 1. Denn Kimi ist ehrlich, spielt keine Spielchen - und man weiß, woran man bei ihm ist.

Das ist eine Qualität, die in einem geldverseuchten Sport sonst nicht viele haben ...

"Ich habe ja keine Wahl. Das ist das Problem!"Kimi Räikkönen
Frage: "Kimi, Sie scheinen in letzter Zeit im Umgang mit den Medien entspannter geworden zu sein. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, Sie haben daran mehr Freude als früher."
Kimi Räikkönen: "Nicht wirklich. Aber ich habe ja keine Wahl. Das ist das Problem! Ich habe da nicht viel zu sagen. Aber es gehört zu meinem Job."

Frage: "Hat sich Ihr Zugang zu Interviews wie diesem verändert?"

Räikkönen: "Ich sehe das mehr oder weniger gleich wie früher. Es sind immer noch die gleichen Leute, die als Journalisten in der Formel 1 arbeiten und meistens die gleichen Fragen stellen. Daran hat sich über die Jahre nicht viel geändert. Es kursieren so viele Geschichten, über die man gefragt wird. Die Journalisten schreiben diese Geschichten selbst und fragen dann unsere Meinung dazu ab."

Kimi & der Rallyesport: Warum ist er gegangen?

Frage: "Sie sagen immer, dass Sie am Fahren Freude haben, aber nicht an PR-Verpflichtungen und Medienarbeit. Sie hatten das ja, als Sie Rallye gefahren sind ..."

Räikkönen: "Stimmt. Vor allem im zweiten Jahr, als klar war, was ich tun würde - ob ich weiter Rallye fahre oder nichts tue. Da war ich in vielerlei Hinsicht sehr glücklich!"

Als ihm das "oder nichts tue" über die Lippen kommt, muss Kimi erstmals breit grinsen. Die Stimmung ist gut in den ersten Minuten unseres Interviews, die Chemie passt, das Eis ist gebrochen. Und der 39-Jährige lässt mich spüren, dass Interviews eigentlich eine unerträgliche Sache für ihn sind, er dieses hier aber einigermaßen erträglich findet. Was wahrscheinlich daran liegt, dass ich meine Fragen nicht medienkonventionell formuliere, sondern versuche, in ein Gespräch unter zwei Menschen zu finden.

Eine Sache habe ich mich immer gefragt: Als Kimi 2010 und 2011 Rallye gefahren ist, hatte er eigentlich ein schönes Leben. Zwar war er in der WRC der Superstar der Szene, aber nachdem sich der anfängliche Hype mal gelegt hatte, wurde er von den Journalisten und Kamerateams weitgehend in Ruhe gelassen. Und obwohl er behauptete, auf diesen ganzen Mist keine Lust zu haben, kehrte er doch 2012 zu Lotus in die Formel 1 zurück ...

"Ich habe ein bisschen NASCAR probiert. Was mir daran gefallen hat, war das Rennfahren."Kimi Räikkönen
Frage: "Warum haben Sie dann entschieden, aus dem Rallyesport wegzugehen und in die Formel 1 zurückzukehren? Sie hatten ja, was Sie wollten."
Räikkönen: "Ich habe ein bisschen NASCAR probiert. Was mir daran gefallen hat, war das Rennfahren. Rallye ist ja kein Rennfahren im klassischen Sinn. Im Rallyesport hast du keinen direkten Gegner, sondern du fährst gegen die Stoppuhr."

"Als ich in der NASCAR das Nationwide- und das Truck-Rennen gefahren bin, habe ich gemerkt, wie viel Freude ich am direkten Zweikampf gegen andere Fahrer habe. Ich dachte mir: 'Wäre vielleicht ganz nett, das wieder öfter zu haben.' Und die Formel 1 ist in den Augen der meisten Rennfahrer die Königsklasse. Also wollte ich wissen, ob das noch einmal klappt."

Kimi: Nichts Gutes kommt ohne etwas Schlechtem

Frage: "Aber Sie hätten ja auch EuroNASCAR fahren können, oder in einer anderen Rennserie mit weniger Medienaufkommen, wenn es Ihnen nur um das Rennfahren an sich geht. Oder war Ihnen die Herausforderung der Formel 1 so wichtig?"

Räikkönen: "Ja. das Rennfahren, das Fahren in der Formel 1, das macht mir schon Spaß. Ganz egal, was du machst: Es wird immer Positives und Negatives geben. Du kannst nicht nur das Positive haben, ganz egal in welcher Rennserie."

"Woanders sind es dann halt nicht die Interviews, sondern es sind andere Dinge, die einem nicht gefallen. Das gilt wahrscheinlich für alle Bereiche im Leben, dass es immer etwas Positives und etwas Negatives gibt. Es ist schwierig, etwas Perfektes zu finden, an dem gar nichts verkehrt ist. Nehmen wir zum Beispiel den nächsten Urlaub: Wenn du einmal dort bist, ist es vielleicht wunderschön. Aber die Anreise nervt."

Zeit für einen ersten Themenwechsel. Im Winter habe ich das Buch "Der unbekannte Kimi Räikkönen" (Sponsored Link: Kimi-Buch jetzt online bestellen und bequem nach Hause liefern lassen!) gelesen, verfasst vom Formel-1-fremden Autor Kari Hotakainen. Man merkt beim Lesen, dass der Autor keine Ahnung von der Materie hat, und ich habe an anderer Stelle schon rezensiert, dass es aus meiner Sicht eine der schlechtesten Formel-1-Biografien auf dem Markt ist.

Foto zur News: Kimi Räikkönen: "Mir sind so viele Dinge auf den Sack gegangen!"

Locker und lässig: Kimi Räikkönen findet langsam ins Interview hinein ... Zoom Download

Das Leben und die Karriere von Kimi Räikkönen ist wahrscheinlich der spannendste Stoff, den die jüngere Formel-1-Geschichte zu bieten hat, aber so viele spannende Geschichten werden darin nicht aufgearbeitet. Das kann nicht an Kimi liegen, denn wie ich in diesem Interview noch herausfinden werde, plaudert er ziemlich offen auch über Dinge, die anderen unangenehm wären. Das lässt nur den Schluss zu, dass nicht Kimi, sondern der Autor in den Interviews seinen Job nicht richtig gemacht hat.

Schade eigentlich.

Frage: "Reden wir über Ihr Buch. Haben Sie es gelesen?"

Räikkönen: "Ja. Normalerweise lese ich keine Bücher. Das ist mir zu sehr wie Schule. In der Schule musste ich ein paar Bücher lesen, aber ich glaube, ich habe kein einziges zu Ende gelesen! Das war mir zu langweilig. Nicht unbedingt wegen der Bücher an sich - aber das Lesen war mir zu blöd."

"Am Tag der Veröffentlichung gab es eine kleine Lounge-Veranstaltung, und am Abend davor habe ich es noch gelesen. Ich wusste ja ungefähr, was drinstehen würde, weil ich einzelne Abschnitte ausgedruckt und gelesen hatte. Aber das war das erste Mal, dass ich das ganze Buch vor mir hatte, so, wie es letztendlich wirklich aussehen sollte. Da habe ich es dann gelesen."

Kimi-Buch: Für den Autor gab es keine Tabus

Frage: "Gab es auch ein Thema, das Sie mit dem Autor besprochen haben, wo Sie dann aber zu ihm sagten: 'Aber das veröffentlichen wir jetzt nicht!' Oder gab es so etwas nicht?"

Räikkönen: "Nicht wirklich. Vielleicht eine Kleinigkeit, aber im Grunde nicht. Es war nicht so, dass ich versucht hätte, irgendwas zu verstecken. Es hätte natürlich noch haufenweise Geschichten gegeben, die man reinschreiben hätte können. Aber so ein Buch hat halt nun mal X Seiten. Da kannst du nicht alles reintun, sonst wird es zu dick."

"Und ich wollte nie ein Skandalbuch haben, in dem erzählt wird, dass dies und das so und so passiert ist. Es gab eigentlich kein Thema, bei dem ich gesagt habe: 'Das kann so nicht rein!' So etwas gab es nicht. Da war ich sehr offen."

"Es war nicht das erste Mal. Und es war ganz normal für uns."Kimi Räikkönen
Frage: "Es gab ein Kapitel, das fand ich sehr unterhaltsam - und es hat mich ehrlich gesagt in Ansätzen ein bisschen an meine eigenen wilderen Tage erinnert. Es ist das Kapitel 'Sechzehn Tage'. Es beschreibt, wie Sie zwischen Bahrain und Barcelona 2013 nonstop betrunken waren. Wie konnten Sie sich daran überhaupt erinnern?"
Räikkönen: "Konnte ich eh nicht. Die Hälfte davon mussten mir andere Leute erzählen. Wir sind halt quer durch Europa getourt und hatten ein bisschen Spaß. Es war nicht das erste Mal. Und es war ganz normal für uns."

Frage: "Ich glaube, das ist es, was die Menschen an Ihnen lieben: dass Sie sich einfach nichts scheißen! Ein anderer hätte vielleicht gesagt: 'Das geben wir nicht ins Buch.'"

Räikkönen: "Aber es ist ja nichts verkehrt daran. Wo soll das eine schlechte Geschichte sein? Steht ja nichts Schlimmes drin. Das war ganz normal, und es ist viele Male passiert. Das Kapitel im Buch ist nicht das einzige Mal, dass ich sowas gemacht habe. Ich hatte Spaß."

Frage: "Sie sind jetzt verheiratet und Sie haben zwei Kinder. Ich vermute, diese Art von Spaß hat sich in Ihrem Leben verändert."

Räikkönen: "Sicher. Jetzt gibt es andere Prioritäten. Damals hatte ich meine Arbeit, aber sonst ... Wenn ich wo hinfliegen wollte, bin ich halt hingeflogen. Da musste ich niemanden fragen. Ich war alt genug, das zu tun, was ich wollte."

Familie und Kinder heute wichtiger als irgendwelche Partys

"Wenn du eine Familie hast, ändert sich das. Ich will bei meinen Kindern sein. Ich bin mit der Rennfahrerei ohnehin schon viel von zu Hause weg. Ich genieße die Zeit bei meiner Familie. Manchmal gehe ich mit meiner Frau noch aus. Aber das ist etwas ganz anderes. Wir werden alle älter, nicht wahr?"

"Und nach 16 durchgesoffenen Tagen geht's mir heute auch nicht mehr so gut wie früher. Es gibt andere Dinge im Leben, die mir heute wichtig sind. Das bedeutet nicht, dass ich nicht mehr ausgehen kann. Natürlich kann ich das! Aber meine Zeit mit den Kindern und der Familie ist mir wichtiger."

Ich kann Kimi gut verstehen. Auch ich habe es in meinem Leben jahrelang krachen lassen und erinnere mich an das eine oder andere Wochenende, an dem ich auch mal zwei Tage lang nicht geschlafen habe, um jede Partyminute mehr oder weniger bei Bewusstsein aufzusaugen. Kimis Leben, als er noch jünger war, ist mir also nicht ganz fremd - auch wenn meine Sauforgien niemals über 16 Tage gingen und weniger mit Privatjets und Bahrainischen Prinzen zu tun hatten ...


Schanghai: Kimi lässt betrunken ein Glas fallen

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Trotzdem: Noch vor zwei Jahren hätte ich wahrscheinlich jeden für verrückt erklärt, der mir prognostiziert hätte, dass ich bald meinen sportlichen Audi S3 gegen einen biederen Mercedes GLC eintauschen und echte Freude daran finden werde, die lästigen Wiesenchampignons aus meinem frisch gesetzten Rasen zu zupfen, die Hecken zu trimmen und den Urlaub nicht an einer hippen Beach-Location zu verbringen, sondern in den Vorarlberger Bergen, um ein bisschen zu wandern.

Dinge ändern sich. Kimi muss diesbezüglich ganz ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich. Und genau wie ich noch manchmal bis in die frühen Morgenstunden durchfeiere, hat auch er nicht ganz darauf vergessen, wie es geht, unbeschwert und unbedacht Spaß zu haben ...

Kimi in Schanghai: War es wirklich Mineralwasser?

Eine typische Anekdote: Als nach dem Grand Prix von China im April ein YouTube-Video auftauchte, dass ihn etwas wackelig dabei zeigt, wie ihm ein Glas auf den Boden rutscht, bevor er ins Taxi steigt, soll Kimi der Alfa-PR augenzwinkernd erklärt haben, dass das eh nur Mineralwasser war ...

Was ihm übrigens auch keiner mehr übel nimmt. Kimi ist eben, wie er ist. Und die PR fährt besser damit, ihn so zu lassen und zu akzeptieren anstatt ihn ändern zu wollen.

Frage: "Wenn Sie sagen, Sie lassen es auch heute noch manchmal krachen: Ein so ein Abend war wohl die FIA-Gala 2018 in Sankt Petersburg. Ich muss sagen, das war die unterhaltsamste FIA-Gala seit Jahren!"

Räikkönen: "Sehen Sie! Das ist so verdammt langweilig, da ist es besser, sich einen umzuhängen. Vielleicht haben sie mich extra eingeladen, damit ich für die Unterhaltung sorge!"


FIA-Gala 2018: Kimi betrunken in Sankt Petersburg

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Frage: "Es war wirklich lustig anzusehen. Und ich muss sagen, ich bin beeindruckt, wie locker Ihre Frau das weggesteckt hat. Würde ich so auf eine Bühne torkeln, meine Freundin wäre stinksauer ..."

Räikkönen: "Ja, alles easy. Sie hat mit mir schon so einiges erlebt!"

Frage: "Hatten Sie danach eigentlich irgendwelche Anrufe von verärgerten FIA-Funktionären?"

Räikkönen: "Nichts. Nicht ein Anruf. Warum auch? Warum sollten Sie sauer sein? Unterm Strich ist es doch so: Sie haben mich eingeladen. Ist doch nicht mein Fehler! Ist ja nichts Schlimmes passiert."

Kimis Auftritt in Sankt Petersburg muss an dieser Stelle nicht rekapituliert werden - ich bin mir sicher, alle Kimi-Fans kennen die einschlägigen Videos. Nun kann man darüber streiten, ob er damit ein gutes Vorbild war oder nicht. Ich sehe das, rein subjektiv, ganz entspannt: Einerseits wünschen wir uns authentische Charaktere und wünschen uns Typen wie James Hunt zurück. Dann können wir aber nicht gleich aufschreien, wenn das mal einer beim Wort nimmt!

Ich möchte noch auf ein anderes Thema eingehen, das im Kimi-Buch leider ignoriert wird: Kimi und der Zigarettenrauch. Einer, der es eigentlich wissen muss, hat mir mal erzählt, dass Kimi im Sommer 2013 in vielen Lotus-Meetings getrunken und geraucht hat. Das Team schuldete ihm Geld, und so nahm auch er es mit dem mustergültigen Verhalten nicht ganz so genau ...

Offenes Geheimnis: Kimi und der Zigarettenqualm

Frage: "Es gibt eine Paddock-Legende aus der Zeit, als Sie noch mehr getrunken haben. Man erzählt, dass Sie damals in Lotus-Meetings geraucht haben. Stimmt das?"

Räikkönen: "Ich weiß nicht, ob das wirklich in Meetings war. Ich würde nicht Meetings dazu sagen. Ganz sicher bin ich mir nicht - kann schon sein. Ich habe geraucht, als ich jünger war. Ist jetzt schon ziemlich lange her."

Frage: "Haben Sie komplett aufgehört?"

Räikkönen: "Ich erinnere mich nicht einmal mehr daran, als ich zum letzten Mal geraucht habe. Im Buch steht glaube ich auch, dass ich geraucht und dann aufgehört habe. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Sicher bin ich mir wie gesagt nicht. Aber ich glaube nicht, dass ich in Meetings geraucht habe. Im Motorhome aber ganz sicher, auf der Terrasse. Manchmal mit meinem Chef!"

Frage: "Ihn hat das nicht gestört?"

Räikkönen: "Offensichtlich nicht. Ich glaube, einmal war nach Abu Dhabi - daran erinnere ich mich. Das war absolut nie ein Problem. Zumindest hat er zu mir nie was gesagt!"


FIA-Gala 2018: Kimi schreibt betrunken Autogramme

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Frage: "Es wird viel über Lewis Hamiltons Lebensstil geredet. Hatten Sie nie das Gefühl, dass es Ihre Performance verbessern könnte, wenn Sie mit dem Trinken und Rauchen aufhören?"

Räikkönen: "Nein, nicht wirklich. Vielleicht hat es mich sogar besser gemacht, so zu leben, wie ich wollte. Wenn du der Typ fürs Bücher lesen bist, solltest du Bücher lesen. Was halt zu dir passt."

"Das Wichtigste ist, dass du selbst weißt, was am besten für dich ist. Wenn du dazu gedrängt wirst, etwas zu tun, was irgendein anderer Fahrer tut, für den es gerade gut läuft, klappt das nicht. Du weißt selbst am besten, was gut für dich ist. Da hat jeder seine ganz eigenen Methoden. Das ist das Wichtigste. Ganz egal, was es ist."

"Ich bin mir sicher, jeder lebt sein Leben ein bisschen anders. Ich glaube, je älter man wird, desto besser lernt man sich selbst kennen und findet heraus, was gut für einen ist und was nicht. Und dann muss es auch noch Spaß machen. Wenn dir die ganze Zeit jemand vorschreibt, dies und das zu tun, was dir keinen Spaß macht, wird das auf Dauer nicht gutgehen."

Frage: "Würden Sie sagen, Sie sind heute ein ausgeglichenerer Charakter als vor zehn Jahren?"

Räikkönen: "Hm. In vielerlei Hinsicht ja. Aber mein Leben hat sich auch sehr verändert. Ich habe jetzt eine Familie. Mich stresst nichts mehr so leicht. Mein Leben ist heute sicher erfüllter als früher. Es gibt jetzt andere Dinge, die wichtig sind. Wichtigere Dinge."

Ferrari & McLaren: Zwei Dinge, die im Buch fehlen ...

Frage: "Es gibt ein paar Dinge, die habe ich im Buch schmerzlich vermisst. Zum Beispiel die Rückkehr zu Ferrari. Sie hatten Ihnen Ende 2009 einen Haufen Geld bezahlt, damit Sie nicht mehr für Ferrari fahren. Und dann kommen Sie wieder zurück. Von außen war das schwierig zu verstehen, weil wir davon ausgegangen sind, dass da auch Beziehungen kaputt waren. Wie war es, zu Ferrari zurückzukehren, und wer war der Erste, der auf Sie zugegangen ist?"

Räikkönen: "Sie sind auf mich zugekommen. Das war, als ich für Lotus gefahren bin."

"Mir sind so viele Dinge einfach auf den Sack gegangen."Kimi Räikkönen
"Ich hatte nie ein Problem mit Ferrari. Ich hatte 2009 zwar noch einen Vertrag, aber mir sind so viele Dinge einfach auf den Sack gegangen, auch in der Formel 1 insgesamt. So haben wir das beendet. Sie wollten etwas anderes im Team. Wir haben dafür eine Lösung gefunden - aber ich hatte nie ein Problem mit irgendjemandem von Ferrari."

"Wir hatten schon, zugegeben, Diskussionen mit ein, zwei Leuten dort. Aber das haben wir ausgesprochen. Ich hatte nie das Gefühl, dass man mich ungerecht behandelt hat. Die Leute schreiben die ganze Zeit irgendwas."

"Die Wahrheit ist: Ich habe mich um die ganzen Vertragsgeschichten damals nicht einmal groß gekümmert. Ich wollte einfach was anderes machen als Formel 1. Ich hatte immer noch Freunde bei Ferrari, und wir haben irgendwann angefangen zu reden. So kam dann eins zum anderen."

Mir war schon vor dem Interview klar, dass die 15 vereinbarten Minuten nicht reichen würden, um meine Fragen komplett abzuarbeiten. Wir sind gerade mal ein Drittel durch, als der Alfa-Pressesprecher zum ersten Mal auf seine Armbanduhr tippt. Insgeheim hatte ich gehofft, die Zeit ein bisschen stretchen zu können, denn Kimi scheint an unserem Gespräch Gefallen gefunden zu haben. Aber leider wartet hinter uns schon ein TV-Team. Also schnell noch das allerletzte wichtige Thema zumindest anreißen ...

Frage: "Die andere Sache, die ich im Buch vermisst habe, ist Ihr Verhältnis zu Ron Dennis. Er hat den Spitznamen "Iceman" erfunden. Aber über die Jahre ist Ihr Verhältnis abgekühlt, nicht wahr?"

Räikkönen: "Das würde ich so nicht sagen. Unser Verhältnis ist nicht in die Brüche gegangen. Ich rede heute noch mit ihm, wenn ich ihn sehe. Ich hatte nie ein persönliches Problem mit ihm."

"Es stimmt, dass wir über bestimmte Dinge gestritten haben. Was ich tun soll, was ich nicht darf, und so weiter. Aber das hat sich auf unser persönliches Verhältnis nie ausgewirkt. Sicher war er manchmal wütend, und ich war manchmal sauer, weil ich dies und jenes hätte akzeptieren sollen."

Kimi & Ron: Der Erfinder des Spitznamens "Iceman"

Frage: "Sie haben es geschafft, das Berufliche vom Persönlichen zu trennen."

Räikkönen: "Ja. Es gab nie ein Problem zwischen uns. Da haben wir gerade noch über was gestritten, und beim nächsten Mal haben wir uns wieder ganz normal unterhalten. Es ist nie persönlich geworden. Sicher war er nicht einverstanden damit, wie ich mein Leben gelebt habe. Aber mir hat es auch nicht gepasst, dass er sich in mein Leben einmischen wollte."

Foto zur News: Kimi Räikkönen: "Mir sind so viele Dinge auf den Sack gegangen!"

Kimi Räikkönen: Offen, kurz angebunden - und nicht immer politisch korrekt ... Zoom Download

"Ich habe kein Problem damit, mit Ron zu reden. Vor ein paar Jahren haben wir uns mal getroffen und ein bisschen geredet. Ich finde, er ist ein guter Kerl. Es ging wirklich immer nur ums Einmischen. Aber es war nie etwas Persönliches. Ich hatte eine tolle Zeit bei McLaren. Es gab dann und wann Diskussionen, die mich sauer gemacht haben. Aber das ist normal."

Für Kimis Aufarbeitung seiner Vergangenheit in der Formel 1, seiner Teamwechsel, seiner menschlichen Beziehungen zu Chefs und Teamkollegen, dafür bleibt leider keine Zeit mehr. Wir schütteln uns am Ende des Interviews die Hand, ich bedanke mich und versichere, seine ehrlichen Antworten nicht für eine moralische Verurteilung zu verwenden. Kimi lächelt. Ich habe den Eindruck: Es war auch für ihn eines der weniger schlimmen Interviews.

Ein paar Stunden später steigt dann im Medienzentrum die offizielle FIA-Pressekonferenz, die ich nutze, jetzt natürlich streng formell mit "Name and Publication", um noch eine Schlussfrage zu platzieren. Anders als zuvor in der Alfa-Hospitality kommt Kimi jetzt ziemlich miesmuffig daher. FIA-PK, das heißt für ihn: immer die gleichen Typen, immer die gleichen Fragen. Und, zugegeben: Wahnsinnig kreativ ist auch meine nicht ...

Frage: "Sie fahren jetzt wieder für Sauber, beziehungsweise Alfa Romeo - also für das Team, bei dem Sie 2001 in der Formel 1 begonnen haben. Da hat sich ein Kreis geschlossen. Werden Sie Ihre Karriere hier beenden oder können Sie sich vorstellen, noch einmal zu wechseln?"

Räikkönen: "Keine Ahnung. Ich habe einen Zweijahresvertrag, für dieses und nächstes Jahr. Danach sehen wir weiter. Ich habe keine genauen Pläne. Mehr gibt's dazu nicht zu sagen."

Ein schöner, typischer Schlusssatz für ein Kimi-Räikkönen-Interview: klar und kurz. So, wie er eben ist, der "Iceman".

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