Daniel Ricciardo: "Denke nicht an den WM-Titel"
Warum Daniel Ricciardo trotz seines Schanghai-Sieges nicht an den Titel denkt und was sein Geheimnis ist, auch von mäßigen Startplätzen ganz nach vorne zu kommen
(Motorsport-Total.com) - Auch wenn Red Bull und Daniel Ricciardo in Schanghai von den Umständen profitiert haben, ist klar geworden: Kein Bolide geht so sorgsam mit den Reifen um - und auch beim Renntempo muss sich die österreichische Truppe mit Sitz in Milton Keynes keineswegs verstecken. Ricciardo liegt im WM-Klassement als Vierter nur 17 Punkte hinter Leader Sebastian Vettel. Hat der Australier genug gesehen, um an eine Titelchance zu glauben?
"Ich denke nicht an den WM-Titel", schüttelt der Australier im Vorfeld des vierten WM-Laufs in Baku (Formel 1 2018 live im Ticker) den Kopf. "Klar sagt man jetzt, wo ich gewonnen habe, dass ich um den Titel fahre, aber es ist noch immer sehr früh. Wir haben jedenfalls bewiesen, dass wir es umsetzen können, wenn wir vorne mitfahren. Und das ist der Plan für die nächsten Rennen."
Doch er will nicht nur bei seinen eigenen Team abwarten, ehe er das Kräfteverhältnis genau einschätzen kann: "Wahrscheinlich habe ich noch von niemandem genug gesehen." Da Ricciardo bereits den zweiten von nur zwei Energiespeichern im Auto hat und beim Antrieb bei den zweiten von drei Komponenten steht, rechne er früher oder später mit Strafen. Kurzfristig mache ich ihm das Thema Haltbarkeit aber keine Sorgen: "Dafür bin ich zu schnell unterwegs und zu fokussiert."
Warum der Schanghai-Sieg so wichtig war
Der Sieg in Schanghai habe eine große Bedeutung. "Für die Leute in der Fabrik und für ihre Motivation ist es wirklich wichtig, dass wir so einen guten Start hatten, denn die Saison ist lang", hofft er, dass dadurch zusätzliche Kräfte freigesetzt werden. "Und aus persönlicher Sicht ist es gut, dass die Saison gut begonnen hat, denn die Winterpause zieht sich. Da ist das ein guter Lohn."
Außerdem war die Freude so groß, weil es sich erst um den sechsten Grand-Prix-Triumph Ricciardos handelte: "Ich hatte noch nicht viele Siege, daher fühlt sich das immer noch sehr speziell an." Sein bis dahin letzter Sieg vor einem Jahr in Baku sei außerdem schon wieder eine Weile her.
Ricciardo erlebte "Höhen und Tiefen des Sports"
Außerdem habe er zuletzt "die Höhen und Tiefen des Sports erlebt". Was er damit meint? "In Bahrain erlebte ich mit meinem Ausfall, bevor es überhaupt losging, die größte Enttäuschung im Rennsport. Das ist hart, denn man arbeitet das ganze Wochenende für diesen Sonntag und dann endet es so."
Auch die Freude, nur eine Woche später in China das verpatzte Bahrain-Wochenende vergessen zu machen, war nicht von langer Dauer, als am Samstag-Vormittag der Turbolader hochging. "Das war ein weiterer Rückschlag. Umso cooler war es, dass es dann im Qualifying und im Rennen so gut gelaufen ist. Da waren viele Emotionen im Spiel."
Siege aus dem Nichts: Wie macht das Ricciardo bloß?
Auffällig ist, dass Ricciardo ein Mann für besondere Rennen ist: In Schanghai triumphierte der Red-Bull-Pilot von Startplatz sechs. In den 72 Rennen davor gab es nur ein weiteres Rennen, bei dem der Triumphator außerhalb der Top-5-Startplätze ins Rennen gegangen war: Baku 2017. Sieger: Daniel Ricciardo.
"Ich würde es im Qualifying gerne in die erste Reihe schaffen, aber das passiert eben nicht immer", stellt er klar, dass er auch mit souveränen Siegen von der Spitze weg kein Problem hätte. "Das Qualifying ist in diesem Sport superwichtig, aber am Ende geht es um den Sonntag."
Daniel Ricciardo: Wie er im Cockpit so cool bleibt
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Und wenn sich im Rennen Gelegenheiten auftun, dann "verlange und erwarte ich von mir, dass ich sie nutze", sagt Ricciardo. "Es muss einem einfach bewusst sein, was möglich ist. Wir gewinnen nicht jedes Wochenende. Und wenn man den Sieg einmal gerochen hat, dann sorgt das für die nötige Motivation und den Hunger. Es macht Spaß, wenn ich diese Chance sehe."
Das Wunder von Baku
In Schanghai habe er den Sieg durch die Safety-Car-Phase gerochen. Ähnlich sei es ihm im Vorjahr in Baku gegangen. "Ich war ganz hinten, man sieht ein Auto vor sich und versucht, es zu überholen. Dann sieht man das nächste und versucht es wieder. Und plötzlich hatte Sebastian die Strafe und Lewis das Problem mit der Nackenstütze. Es war verrückt, aber auch da habe ich eine Chance gerochen."
Das entscheidende Manöver gelang ihm dann in der Endphase, als das Rennen nach der Unterbrechung freigegeben wurde. "Mir war klar, dass der Restart wichtig werden würde, um die Williams vor mir zu überholen", erinnert er sich an die Aktion, als er an drei Autos gleichzeitig vorbeiging. "Das war für mich im Nachhinein das Manöver, mit dem ich das Rennen gewonnen habe."