Nächster Tiefschlag für Palmer: Wann reicht es Renault?
Jolyon Palmer strapaziert die Geduld seiner Bosse mit einem Unfall im Training, doch Teamchef Cyril Abiteboul will keine Verbindung zu seiner Zukunft herstellen
(Motorsport-Total.com) - Für Jolyon Palmer wird es immer enger. Nach seinem punktelosen Saisonstart muss der Brite bei Renault mehr denn je um sein Cockpit zittern, wie ein dünnhäutiges Interview heute gezeigt hat. Mit seinem Auftritt im Freien Training von Baku am Freitag dürfte der GP2-Meister von 2014 seine Chancen allerdings nicht gerade erhöht haben. In Kurve 8 verunfallte er und gab seinen Mechanikern damit wieder einiges an Arbeit mit.
"Ich war vorher ein bisschen langsam und habe beim Anbremsen ein bisschen mehr gepusht und ein Rad blockiert. Dann bin ich geradeaus in die Wand", seufzt Palmer nach seinem Fehler, der ihn den Rest der zweiten Session kostete. Viele seiner Konkurrenten machten zwar den gleichen Fehler, doch sie fuhren geradeaus in den Notausgang. Palmer dachte jedoch, er bekommt die Kurve. "Aber dann bin ich auf den Randstein gekommen und war in der falschen Richtung unterwegs."
Es ist der nächste Tiefschlag in der Saison des 26-Jährigen. Bislang wartet Palmer noch auf seinen ersten Saisonpunkt, während Teamkollege Nico Hülkenberg bereits viermal in die Punkte fuhr. Immer wieder gibt es Gerüchte über eine Ablösung des Briten, und Namen wie Robert Kubica tauchen immer häufiger auf. Zuletzt gab es auch Druck von Arbeitgeber Renault, der Palmer zum Abliefern aufforderte.
Abiteboul: Kein Ultimatum
Bringt der Crash nun das Fass zum Überlaufen? Immerhin drängen mit Sergei Sirotkin oder Oliver Rowland talentierte Nachwuchspiloten in der zweiten Reihe. Doch Teamchef Cyril Abiteboul winkt ab: "Es ist unfair, den heutigen Tag mit der Zukunft zu verbinden", sagt er. "Viele Piloten waren außerhalb der Strecke - wirklich viele. Bei Jo war es halt eine Kurve, die leider nicht vergibt", möchte er den Unfall nicht überbewerten.
Wieder einmal bemüht Abiteboul die Fakten: Palmer habe einen Vertrag bis zum Ende der Saison und es gibt kein Ultimatum an ihn. "Trotzdem muss er liefern, wie jedes einzelne Mitglied im Team." Renault nimmt Palmer aus der Schusslinie, gleichzeitig gibt man ihm aber auf den Weg mit, dass man mehr von ihm erwarte. "Zuletzt war er zweimal Elfter, aber er muss besser sein", so der Teamchef, der hofft, dass es an diesem Wochenende für Punkte reicht. "Das ist das Ziel."
Dafür müsse sich Palmer vor allem besser qualifizieren. Zu häufig scheidet der Engländer schon in Q1 aus, und bislang sah es in Baku auch nicht rosig aus. Rang 16 von heute würde morgen wieder einen vorzeitigen Feierabend bedeuten, doch Palmer beteuert, dass er sich noch deutlich steigern kann. "Auf dem Soft-Reifen hatte ich in jeder Runde eine Gelbe Flagge. Ich konnte es nicht glauben", hadert er. Doch das ging anderen Piloten genauso.
Hülkenberg hadert: Kein richtiger Versuch auf Supersoft
"Dann ging ich auf die Supersofts, aber dann gab es ein Virtuelles Safety-Car, noch eine Gelbe Flagge, und dann konnte ich endlich eine Zeit setzen. Ich konnte sie verbessern, doch dann habe ich leider die Mauer getroffen", schildert er. Das bedeutet für heute Rang 16, doch zumindest kann er sich damit trösten, dass Teamkollege Hülkenberg als 15. nur 58 Tausendstelsekunden schneller war.
Doch auch der Deutsche hadert mit den Umständen: "Es war schwierig. Ich hatte einen guten Run auf Soft, aber beim Supersoft hatte ich ständig Gelbe Flaggen", sagt er. "Wir haben die komplette Reifentemperatur verloren, von daher habe ich im Grunde keinen Supersoft-Versuch gehabt. Wo ich jetzt stehe, das ist nicht realistisch", ist er überzeugt.
Fotostrecke: FIA-Fast-Facts Baku
2017 findet zum ersten Mal ein Grand Prix von Aserbaidschan statt. Im vergangenen Jahr feierte zwar der Baku City Circuit seine Formel-1-Premiere, damals aber noch unter dem Label des 23. Grand Prix von Europa. In dieser Saison gibt es keinen Europa-Grand-Prix mehr. Fotostrecke
Viel weiter nach vorne dürfte es aber trotzdem nicht gehen, fürchtet der Deutsche: "Die Top 10 werden eine große Herausforderung morgen, es sieht schwierig aus", sagt er. Denn vor allem vom Renault-Motor kommt zu wenig Leistung, was auf der 2,2 Kilometer langen Gerade eine Menge Zeit frisst. Auch Kurve 4 ist für den Boliden eine Art Achillesferse, wie Hülkenberg meint. Und so muss Renault sehen, was morgen drin ist.
Vor allem Palmer dürfte dann unter noch größerem Druck stehen, will er den Sommer über nicht mit noch größeren Gerüchten kämpfen.