• 14. Mai 2017 · 15:40 Uhr

Formel 1 Barcelona 2017: Hamilton fightet Vettel nieder!

Ferrari hatte wieder den besseren Rennspeed, Mercedes diesmal aber den besseren Riecher: Lewis Hamilton gewinnt in Spanien vor Sebastian Vettel

(Motorsport-Total.com) - Der Europa-Auftakt der Formel 1 in Barcelona war die erwartete Weichenstellung fĂŒr den Rest der Saison. Aber nicht etwa wegen eines Wiedererstarkens von Red Bull, sondern weil sich der WM-Kampf nun tatsĂ€chlich auf ein Duell zwischen den beiden Superstars Sebastian Vettel (104 Punkte) und Lewis Hamilton (98) zuspitzt. Deren Teamkollegen Valtteri Bottas (63) und Kimi RĂ€ikkönen (49) schieden im Rennen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya nĂ€mlich aus.

Hamilton feierte nach der 64. Pole-Position den 55. Sieg seiner Karriere. Diesmal allerdings mit tatkrĂ€ftiger Hilfe des virtuellen Safety-Cars. Der Mercedes-Fahrer hatte 7,8 Sekunden RĂŒckstand auf den fĂŒhrenden Vettel, als die Gelbphase in Runde 34 ausgelöst wurde. In Runde 35 tĂ€uschten sowohl Ferrari als auch Mercedes einen Boxenstopp an - und erst in Runde 36 kam Hamilton tatsĂ€chlich rein (von Medium auf Soft).

Just in dem Moment wurde das virtuelle Safety-Car wieder aufgehoben, aber zumindest bei der Einfahrt in die Box nahm Hamilton den Vorteil noch mit. Außerdem fuhr er auf seiner Out-Lap im Mittelsektor um 1,3 Sekunden schneller als Vettel, der eine Runde spĂ€ter (inzwischen wieder komplett unter GrĂŒn) von Soft auf Medium wechselte. Und als Vettel aus der Box rausfuhr, hatte er Hamilton plötzlich neben sich!

Vettel bremste spĂ€t, Hamilton ließ innen die TĂŒr offen - und musste außen in die asphaltierte Auslaufzone, um eine Kollision zu vermeiden. Vorwurf in Richtung Ferrari gibt's von Mercedes dafĂŒr keinen: "Lewis hĂ€tte das Gleiche gemacht, wenn es umgekehrt gewesen wĂ€re", winkt Niki Lauda ab, und auch Hamilton selbst sagt: "So muss Racing sein! Ich liebe es."

Zumal er von da an fĂŒr den letzten Stint die weicheren und schnelleren Reifen hatte. Vettels GlĂŒck: "Meistens hatte ich ein Auto vor mir, das mir Windschatten spendete." So wurde Hamiltons DRS-Vorteil kompensiert. Aber in Runde 43 dann der FĂŒhrungswechsel: "Keine Chance, keine Chance", funkte Vettel, als der Silberpfeil mit einem riesigen GeschwindigkeitsĂŒberschuss an ihm vorbeizog.

Mercedes-Sportdirektor Toto Wolff und Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche flippten in der Box fast aus, aber der Sieg war damit noch nicht in trockenen TĂŒchern. Denn schon kurz nach dem Manöver meldete Hamilton ĂŒberhitzende Hinterreifen - und Vettel hatte mit den hĂ€rteren Mediums fĂŒr das Finish theoretisch die besseren Karten.

Letztendlich konnte Vettel nicht mehr ernsthaft attackieren. Also dachte man bei Ferrari kurz darĂŒber nach, einen zusĂ€tzlichen Boxenstopp einzulegen und auf Soft zu wechseln, um im Falle einer Safety-Car-Phase am Ende die frischeren Reifen zu haben. Aber: "Im Endeffekt hĂ€tte es keinen Unterschied gemacht", winkt Vettel ab.

Entschieden haben das Rennen zwei Faktoren. Zuerst verlor Vettel "drei oder vier Sekunden", als er nach dem ersten Boxenstopp von Bottas aufgehalten wurde, der einen extrem langen ersten Stint fuhr. Der Mercedes sei "ein Bremsklotz" gewesen, Ă€rgert sich Vettel ĂŒber die taktischen Spielchen, macht der Konkurrenz aber keinen Vorwurf. Zumal er zugibt: "Lewis hat den besseren Job gemacht."

Der zweite entscheidende Faktor war die Gelbphase, durch die er 7,8 Sekunden Vorsprung verlor. Dabei hatte alles so gut angefangen, als er am Start die FĂŒhrung ĂŒbernahm. "Lewis und ich hatten beide Wheelspin", so der Ferrari-Fahrer, "aber ich habe sofort die Kupplung gezogen, um noch einmal neu anzufangen. Damit konnte ich die entscheidenden Meter gutmachen."

"Sebastian", streut Hamilton Rosen, "war unglaublich schnell, aber das Team hat die Strategie perfekt hinbekommen. Er ist so fantastisch gefahren. Es ist ein Privileg, gegen so einen Fahrer anzutreten." Zumal es körperlich ein anstrengender Grand Prix war, wie man am Boxenfunk hören konnte: "Ich habe fast zwei Kilo verloren. Barcelona ist eines der hÀrtesten Rennen", gibt Hamilton zu. Lauda lobt: "HÀtten wir den Lewis nicht, hÀtten wir nicht gewonnen."

Die Dominanz der beiden Topfahrer in den beiden Topteams war erdrĂŒckend. Daniel Ricciardo (Red Bull) fĂŒhlte sich auf dem Podium wie ein Statist: "Wir nehmen mit, was wir mitnehmen können. Schön, mal wieder hier zu stehen." Sein RĂŒckstand nach 66 Runden: 1:15.8 Minuten. Alle anderen wurden sogar ĂŒberrundet.

Zwei große Namen mussten sich gleich am Start verabschieden: Max Verstappen (Red Bull) wollte sich außen an RĂ€ikkönen vorbeibremsen, der wurde aber nach außen getragen, weil innen Bottas war. "Drei Autos ist halt eins zu viel", analysiert Formel-1-Experte Marc Surer. Die Rennleitung sah das Ă€hnlich und sprach keine Strafen aus.

Bottas konnte zunĂ€chst als Dritter weiterfahren, aber das Tempo von Vettel und Hamilton nicht gehen. Nach 38 Runden war Endstation: Der Phase-1-Motor, der am Samstagmorgen unplanmĂ€ĂŸig anstelle des neuen Phase-2-Antriebs eingebaut wurde und schon die ersten vier Saisonrennen auf dem Buckel hatte, quittierte den Dienst.

Angesichts der AusfĂ€lle von drei Topfahrern war die TĂŒr weit offen fĂŒr Außenseiter. Das nutzte Force India, um weitere wertvolle WM-Punkte zu sammeln: Sergio Perez wurde Vierter, Esteban Ocon FĂŒnfter. In der Konstrukteurswertung liegt das Team nun schon 32 Punkte vor Toro Rosso auf dem vierten Platz.

Nico HĂŒlkenberg (Renault) wurde nach einer soliden Vorstellung Sechster und fuhr 3,9 Sekunden vor Pascal Wehrlein (Sauber) ĂŒber die Ziellinie. Der wurde wegen einer FĂŒnf-Sekunden-Strafe zwar als Achter statt Siebter gewertet (hinter Toro-Rosso-Fahrer Carlos Sainz), war aber die eigentliche Sensation des Rennens. Sein langer erster Stint war dank Gelbphase die goldrichtige Taktik.

Wehrlein gibt zu, dass ihn die Strafe "ein bisschen" Ă€rgert, "trotzdem war es ein super Rennen. Das hĂ€tte ich ĂŒberhaupt nicht erwartet." Und HĂŒlkenberg? "Die ersten zwei, drei Kurven und die erste Runde waren sehr erfolgreich. Ansonsten habe ich eigentlich gar nichts gemacht. Die Kollegen haben sich selbst zur Seite gerĂ€umt", spielt er seine Leistung herunter.

Lokalmatador Fernando Alonso (12./McLaren) hĂ€tte nach dem Start schon FĂŒnfter sein können, aber stattdessen fiel er in der ersten Runde auf Platz elf zurĂŒck. Der Spanier fuhr Rad an Rad mit Felipe Massa (Williams) durch die erste Kurve und wurde dabei abgedrĂ€ngt. Die meisten der 94.623 Zuschauer wĂŒnschten Massa daraufhin einen Reifenschaden an den Hals - und wurden erhört.

Sainz wurde letztendlich als Siebter gewertet, sieben Positionen vor Kevin Magnussen (Haas), von dem er sich beim ersten Boxenstopp nach einem beinharten Duell beim Rausfahren abgedrĂ€ngt fĂŒhlte. Die Rennleitung sah das aber anders und sprach keine Strafe aus. Und Daniil Kwjat (Toro Rosso) wurde nach einem katastrophalen Qualifying heute guter Neunter.

Weiter geht's mit der Formel 1 in zwei Wochen beim Grand Prix von Monaco. Dort beginnt das Training traditionell schon am Donnerstag - und 2017 ohne Alonso. Denn der McLaren-Star rĂ€umt sein Cockpit fĂŒr Jenson Button, um an den 500 Meilen von Indianapolis teilnehmen zu können. DafĂŒr findet schon morgen das erste Training statt.

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