Plötzlich angreifbar: Reifendruck bringt Mercedes aus der Spur
Von einer Mercedes-Dominanz war beim Rennen der Formel 1 in Spa wenig zu sehen: Der Grund dafür waren die von Pirelli vorgeschriebenen Reifendrücke
(Motorsport-Total.com) - Mit ihren langen Vollgaspassagen und vielen schnellen Kurven hätte die Rennstrecke von Spa-Francorchamps für Mercedes in der Formel 1 eigentlich wie gemacht sein sollen. Doch während die Silberpfeile vor der Sommerpause die Konkurrenz bei vielen Rennen geradezu dominiert hatte, war von einer Mercedes-Übermacht beim Grand Prix von Belgien lange nichts zu sehen. Denn das Weltmeisterteam wurde von den von Pirelli vorgeschriebenen hohen Reifendrücken auf dem falschen Fuß erwischt.
"Unsere komplette Entwicklung und die Simulationen waren auf einen Reifen ausgerichtet, der sich vollkommen anders verhält", sagt Motorsportchef Toto Wolff. "Wenn die Auflagefläche nur noch halb so groß ist, dann ist das sehr schwierig." Pirelli hatte in Spa-Francorchamps ungewöhnlich hohe Luftdrücke von 1,62 Bar für die Vorderreifen und 1,51 Bar vorgeschrieben.
"Ich verstehe, warum Pirelli das macht", zeigt Wolff für die Vorgaben der Italiener Verständnis. "Wir fahren die letzte Saison mit diesen Reifen und hatten im vergangenen Jahr einige Schäden. Die Sicherheit ist für einen Reifenhersteller das Wichtigste, deswegen blasen wir sie wie Ballons auf." Nach dem Reifenschaden von Sebastian Vettel hatte Pirelli im vergangenen Jahr viel Kritik einstecken müssen. Durch die höheren Reifendrücke sollte die Belastung der Seitenwand reduziert werden und der Reifen damit weniger anfällig für Beschädigungen sein.
Simulation passte nicht zum Reifen
Ein Nebeneffekt dieser hohen Reifendrücke war eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses. Im zweiten und dritten Freien Training fuhr Nico Rosberg mit den Plätzen sechs und sieben für Mercedes-Verhältnisse regelrecht hinterher, im Qualifying waren ihm Max Verstappen (Red Bull) und Kimi Räikkönen (Ferrari) dicht auf den Fersen und hatten in Q3 beide weniger als zwei Zehntelsekunden Rückstand auf den Mercedes-Piloten.
"Es war ein seltsames Wochenende, wir mussten uns sehr auf die Reifendrücke einstellen", sieht auch Rosberg den Grund dafür in den Vorgaben von Pirelli. "Aufgrund der Reifendrücke waren wir an diesem Wochenende mit dem Auto in einem anderen Bereich. Das war sicherlich einer der Gründe, warum es im Qualifying so eng war." Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es Mercedes im Laufe des Wochendes jedoch immer besser, den W07 auf die veränderten Reifendrücke einzustellen. "Wir haben gute Arbeit geleistet, denn wir mussten das Auto ziemlich umbauen. Im Rennen sah es dann wirklich gut aus", lobt Rosberg die gemeinsamen Anstrengungen.
Dennoch musste Mercedes bei der Abstimmung nach Einschätzung von Wolff größere Kompromisse eingehen als die Konkurrenz. "Natürlich hat unser Auto eine Menge Abtrieb, daher trifft es uns härter. Wir können nicht mit so viel Abtrieb fahren, wie wir wollen, denn das hält der Reifen nicht aus", sagt der Sportchef, der das allerdings nicht als Ausrede für die am vergangenen Wochenende weniger dominante Vorstellung gelten lassen will.
Keine Kritik an Pirelli von Mercedes
"Würden wir die Mikrofone ausschalten, würde ich vielleicht herumjammern und mich beklagen, wie unfair das ist. Ich will unsere Strategie nicht anhand von Temperaturen und Reifendrücken ausrichten, aber so ist es nun einmal", sagt der Österreicher. "Es wäre unsportlich, nach Ausreden zu suchen. Man muss sich so gut wie möglich darauf einstellen."
Auch von Vorwürfen in Richtung Pirelli sieht Wolff ab und zeigt vielmehr Verständnis für die Zwickmühle, in der der Reifenlieferant steckt. "Sie haben es nicht leicht uns einen Reifen zu geben, der den Teams und den Ingenieuren gefällt und den Zuschauern eine tolle Show bietet. Es wird immer Klagen geben", meint Wolff. Und das könnte auch am nächsten Wochenende wieder der Fall sein. "In Monza werden die Drücke wieder ziemlich hoch sein. Es ist zwar eine andere Strecke, aber das könnte für uns wieder ziemlich schwierig werden", erwartet Rosberg.