"Pirelli ist das Problem": Erneut harte Kritik am Reifenhersteller
Lewis Hamilton schießt scharf gegen Pirelli - Auch viele andere Fahrer beschweren sich über die Reifen - Halten die Supersofts am Sonntag länger als zwei Runden?
(Motorsport-Total.com) - Pirelli und Spa - Das passt irgendwie nicht zusammen. Im vergangenen Jahr übte Sebastian Vettel nach einem Reifenplatzer in der Schlussphase des Rennens massive Kritik am Reifenhersteller der Formel 1. Ein Jahr später stehen die Italiener an gleicher Stelle nun schon wieder im Mittelpunkt des Interesses. Mit 23,5 psi vorne und 22 psi hinten sind die Reifendrücke in diesem Jahr - auch als Reaktion auf den Vettel-Unfall im Vorjahr - so hoch wie nie zuvor auf der Ardennen-Achterbahn.
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Harte Kritik an Pirelli: Weltmeister Lewis Hamilton nimmt kein Blatt vor den Mund Zoom Download
"Ab Runde drei wird nicht mehr viel gehen. Diese Reifen sind dermaßen schlecht, sie bauen unglaublich ab. Der Medium und der Soft sind für das Rennen okay, aber der Supersoft ist einfach nur furchtbar. Ich bin ihn gefahren. Nach zwei Runden war Schluss", wettert Lewis Hamilton, dem am Sonntag eine Aufholjagd bevorsteht. Er muss das Rennen von hinten aufnehmen, weil an seinem Auto mehrfach der Antrieb gewechselt wurde.
Auf die Frage, was genau das Problem sei, erklärt Hamilton unmissverständlich: "Pirelli ist das Problem." Der Weltmeister erklärt: "Die Reifen werden auf dieser Strecke bei diesen Temperaturen extrem heiß. Im vergangenen Jahr sind hier einige Pneus geplatzt. In diesem Jahr müssen wir mit noch höherem Luftdruck fahren. Wir haben mehr Abtrieb als im Vorjahr, was zusätzlich auf die Reifen geht."
"Verrückt": Sogar Routinier Button sprachlos
"Es wird ein Kampf, die Reifen über die Runden zu bringen", ist sich der Mercedes-Pilot sicher. Sebastian Vettel schimpfte derweil noch während des Qualifyings am Funk über die Pneus. Er hatte in der letzten Kurve keinen Grip mehr und verlor nach eigener Aussage mindestens anderthalb Zehntel. "Ich hatte eigentlich alles so vorbereitet, dass die letzte Ecke gut ist. Aber so war es nicht", berichtet der Ferrari-Pilot.
"Generell haben wir uns heute alle schwer getan, gerade in der letzten Kurve, die Leistung dann auf den Boden zu bringen. Weil die Reifen dann doch sehr heiß werden - an der Stelle zu heiß", so der Deutsche, der auf die Frage, ob die Pneus in diesem Jahr halten, etwas süffisant antwortet: "Da müsste man jetzt Pirelli fragen. Wir wissen, was wir vorhaben, was wir machen wollen. Wir gehen davon aus, dass die Reifen halten."
"In meiner ganzen Formel-1-Karriere zuvor musste ich noch nie so fahren", wundert sich Button, der bereits seit der Saison 2000 in der Königsklasse an den Start geht und damit der dienstälteste Pilot im Fahrerfeld ist. "Es ist schade, dass der Druck so hoch ist, denn momentan sind wir wegen der Reifen in einer Position, in der du nicht pushen kannst. Du rollst die ganze Zeit nur herum", so Button.
Sicherheit geht vor, aber...
"Vermutlich habe ich als Fahrer noch nie so sehr auf die Reifen achten müssen", bestätigt auch Valtteri Bottas, für den es daher "unmöglich" ist, das Rennen mit einem Stopp zu beenden. Williams-Teamkollege Felipe Massa, der die Reifendrücke bereits am Freitag als "Witz" bezeichnete, legt ebenfalls noch einmal noch und erklärt: "Mein sechsjähriger Sohn könnte in der Aufwärmrunde schneller fahren als ich - viel schneller."
Fotostrecke: Schwarzes Gold: Alle Reifenhersteller der F1
In der Geschichte der Formel 1 engagierten sich neun verschiedene Reifenhersteller: Zwei davon hatten oder haben ihren Ursprung in Großbritannien, zwei in den USA und jeweils einer in Deutschland, Japan, Belgien, Frankreich und Italien. Hochzeiten des später als "Reifenkrieg" bezeichneten Szenarios mit mehreren Zulieferern zum gleichen Zeitpunkt sind die Jahre 1954 und 1958, als sechs verschiedene Firmen ihre Produkte ins Rollen bringen. 1950 beginnt alles mit vier Marken... Fotostrecke
"Es ist so, als würdest du mit einem Ballon fahren", ärgert er sich. "Die Sicherheit ist das Wichtigste", ist sich der Brasilianer bewusst. Trotzdem sei die Situation an diesem Wochenende "nicht gut". Williams-Chefingenieur Rob Smedley zeigt etwas mehr Verständnis. Er erinnert an den Vettel-Vorfall aus dem Vorjahr und erklärt: "Pirelli beschützt seine Position. Sie wollen keine Reifenschäden."
"Die hohen Streckentemperaturen haben den Abbau und den Verschleiß, der auf dieser Strecke sowieso schon groß ist, noch einmal erhöht. Wir erwarten zwei oder drei Boxenstopps pro Auto", erklärt Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery. Er geht davon aus, am Sonntag viele verschiedene Strategien zu erleben. Smedley merkt allerdings an, dass die Teams Gefahr laufen, im Verkehr festzustecken, wenn sie zu früh zum ersten Boxenstopp kommen.
Wetterumschwung als letzte Hoffnung?
Daniel Ricciardo geht jedenfalls davon aus, dass man mit den Supersofts "nur eine Handvoll Runden" fahren kann. Aus der Spitzengruppe startet übrigens lediglich Max Verstappen mit den superweichen Reifen, alle anderen fahren auf der Soft-Mischung los. "Ich glaube, dass das ein Nachteil ist. Der Supersoft wirft relativ schnell Blasen, und der Soft geht vielleicht ein bisschen länger", erklärt Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei 'Sky'.
"Das Rennen ist morgen so lang, und alle Reifen werden in die Grenze der Haltbarkeit gehen. Insofern ist für morgen alles offen. Ich denke, dass es drei oder vier mögliche Sieger gibt", sagt Wolff und verrät: "Ich komme hier seit 20 Jahren her, und ich habe schon minus 34 Grad erlebt, aber noch nie plus 34! Es ist eine ganz neue Situation. Morgen soll es ein bisschen kühler sein." Kurz vor dem Rennstart um 14:00 Uhr gibt es sogar eine kleine Chance auf Regen.
"Wie hatten Rennen, zum Beispiel in Baku, in denen wir dadurch einen großen Vorteil hatten." In Spa scheint nun das Gegenteil der Fall zu sein. Interessant: Laut Pirelli ist am Sonntag eine Zweistoppstrategie die schnellste Option. Die Italiener schlagen zwei Stints auf Soft (je 15 Runden) und einen auf Medium (14 Runden) vor. Außerdem empfiehlt Pirelli, den superweichen Reifen im Rennen nicht länger als neun Runden zu verwenden. Angesichts einiger Aussagen scheint das bereits ziemlich optimistisch zu sein...