Mercedes vor Abu Dhabi: Geht der Nervenkrieg weiter?
Bei Mercedes freut man sich auf ein abschließendes Teamduell zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton im W06 Hybrid: Fokus auf Saisonvorbereitung 2016
(Motorsport-Total.com) - Die Konstrukteursweltmeisterschaft war für Mercedes seit dem Formel-1-Grand-Prix von Sotschi 2015 in Sack und Tüten, die "Formalie" Titelgewinn für Lewis Hamilton folgte ein Rennen später in Austin. Nach den zwei Siegen durch Nico Rosberg in Mexiko-Stadt und Sao Paulo steht nun auch fest, dass der Vizetitel in Stein gemeißelt ist (zum WM-Stand). Aber weder Hamilton noch Rosberg machten den Eindruck, als sei Aufstecken und es ruhig angehen zu lassen das Gebot der Stunde.
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Trotz entschiedenem WM-Kampf: Für den Rennsieg ist noch Druck im Kessel Zoom Download
Während sich die Aufregung um Hamiltons Privatunfall in einem zwei Millionen Euro teuren Pagani Zonda in Monaco bereits nach dem Brasilien-Wochenende gelegt hat, mag man immer noch rätseln, ob der Weltmeister in den vergangenen zwei Rennen sportlich tatsächlich das Nachsehen hatte oder ob die Mercedes-Box Rosberg bevorteilte, dem das Pech bis Austin an den Fersen zu kleben schien. Um nicht den Verdacht zu erwecken, dass Mercedes Spielchen spielt, mahnte Ex-Grand-Prix-Pilot David Coulthard bereits an, dass die Silbernen die Strategie in Abu Dhabi freigeben sollten.
"Er tut sich sicher schwer damit, dass ich ihm gerade seine WM-Party ein bisschen versaue", schrieb Rosberg in seiner 'Bild'-Kolumne. Seit die WM entschieden ist, scheint der Deutsche entspannter zu sein, bekommt die Starts seit den Regeländerungen, die ab Spa-Franchorchamps griffen, so hin, dass er vorne weg fahren und Hamilton dazu zwingen kann, im Windschatten bleiben zu müssen. Ein Schicksal, dass ihn davor in der gesamten Saison meist selbst ereilte - wenn er sich nicht noch durch Startplatzverluste wie in Suzuka oder Austin erst wieder an Konkurrenten in langsameren Autos vorbeikämpfen musste.
Rosberg: Rückenwind durch zwei Siege in Folge
"Hinter mir liegen zwei großartige Wochenenden in Mexiko und Brasilien. Dadurch gehe ich mit viel Rückenwind in das letzte Rennwochenende der Saison", so Rosberg, der im Qualifikationsduell des Jahres 2015 gegenüber Hamilton zwar 6:12 hinten liegt, jedoch die Bilanz seit dem Japan-Grand-Prix in fünf Rennen in Folge gut aufpolierte . Mit Blick auf 2014 gesteht Rosberg: "Das vergangene Jahr war wahrscheinlich meine größte Enttäuschung, als ich den WM-Titel dort im letzten Moment wegen eines technischen Defekts verloren habe."
Dabei kämpfte er in Abu Dhabi wie ein Löwe, um noch durch die doppelten Punkte, die beim letzten Saisonrennen 2014 einmalig in der Geschichte der Formel 1 vergeben wurden, Weltmeister zu werden. Das Hybrid-System durchkreuzt seine Pläne und verhinderte damit, dass der künstlich aufgewertete Grand Prix zum Zünglein an der Waage wurde.
Titelduell 2014: Hamilton konnte kaum schlafen
Dementsprechend erleichtert blickt auch Hamilton zurück: "Im vergangenen Jahr erlebte ich dort das wahrscheinlich intensivste Wochenende meines Lebens. Ich konnte wegen der Anspannung nicht viel schlafen und wusste nicht, was passieren würde. Diesmal gibt es keinen Druck. Ich werde gut erholt sein und versuchen, die Saison positiv abzuschließen."
Der 30-Jährige betrachtet das Rennen, das bei Tageslicht beginnt und in der Dunkelheit endet, sogar als eine Art Heim-Grand-Prix: "Nach Abu Dhabi kommen stets viele britische Fans, also ist es für mich wie eine Art Heimrennen. Für sie zu gewinnen und ihnen damit zu zeigen, wie dankbar ich für die fantastische Unterstützung bin, die ich das gesamte Jahr über genossen habe, wäre der beste Weg, um diese unglaubliche Saison abzurunden."
Natürlich will Rosberg ihm die Suppe versalzen: "Natürlich wird es wie immer eng mit Lewis und in Sao Paulo hat auch Ferrari stark zugelegt. Es wird also nicht einfach. Aber ich bin bereit für das Duell und hoffe, dass wir den Fans zum Saisonabschluss noch einmal eine großartige Show bieten können."
Fotostrecke: Top 10: Dominanteste Teams der Formel 1
#10 - Mercedes 1954-1955 (Pole-Position-Quote 62 Prozent): Der Mercedes W196 wurde in den Jahren 1954 und 1955 insgesamt nur bei 13 Grands Prix eingesetzt, doch mit acht Pole-Postions und Rennsiegen sowie zwei Fahrertiteln durch Juan Manuel Fangio war dieser Silberpfeil in seiner kurzen Einsatzzeit überaus erfolgreich und das beste Auto dieser Jahre. Fotostrecke
Auf ein entsprechendes Duell freut man sich auch in der Teamleitung. "Hoffentlich erleben wir einen guten Zweikampf zwischen Lewis und Nico, um die Saison stilgerecht abzuschließen", so der Technische Direktor Paddy Lowe, der ebenso froh wie seine Fahrer ist, das abschließende Rennen des Jahres mit weniger Anspannung als 2014 bestreiten zu können. Teamchef Toto Wolff stimmt zu: "Wir werden nicht nachlassen und ein letztes, unterhaltsames Duell zwischen unseren beiden Jungs in dieser Saison ist der perfekte Weg, um das zu zeigen."
Bestnoten für den W06
Hinsichtlich der Besonderheiten des Kurses glaubt Lowe, dass das Training von entscheidender Bedeutung sein wird: "Der Yas Marina Circuit ist eine anspruchsvolle Strecke mit vielen Kurven und gegensätzlichen Charakteristiken in jedem Sektor. Die Fahrer müssen all ihre Fähigkeiten aufbringen, um eine schnelle Rundenzeit zu erzielen. Trotz der langen Geraden ist es hier schwierig, zu überholen. Das Qualifying wird demnach sehr wichtig sein."
Lewis Hamiltons Vorschau auf Abu Dhabi
Er steht bereits als Weltmeister 2015 fest, trotzdem freut sich Mercedes-Pilot Lewis Hamilton auf die letzte Herausforderung in dieser Formel-1-Saison Weitere Formel-1-Videos
Wichtiger als das Finale scheint den Silbernen jedoch der Pirelli-Reifentest am 1. Dezember zu sein, da sich das Reifen-Reglement 2016 verändert und Ferrari - glaubt man den Worten von Niki Lauda - in der Saison 2015 gut zulegte. "2016 wird für uns als Team zweifelsohne die schwierigste Aufgabe bislang", wittert auch Wolff einen erstarkenden Kontrahenten, wenn es um die nächsten Titelvergaben bei Fahrern und Konstrukteuren geht.
Trotz der Schnippchen, die Sebastian Vettel im Ferrari mit seinen drei Saisonsiegen schlug, gibt es auch von den Piloten Bestnoten für den Mercedes W06 Hybrid. "Jeder in unseren Werken hat in diesem Jahr erneut fantastische Arbeit abgeliefert. Von einem solchen Auto träumt jeder Rennfahrer", so Rosberg, der von den Stärken seines Boliden letztlich weniger profitierte als Hamilton. Auch Paddy Lowe klopft sich und seiner Mannschaft auf die Schulter: "Es ist auch ein schöner Abschied vom W06 Hybrid, einem wirklich grandiosen Auto, das den Frauen und Männern, die es in diesem Jahr entworfen, gebaut und eingesetzt haben, alle Ehre macht."