Reifenrätsel für Red Bull: Verstappen auf P7 "schockierend und unglaublich"
Nimmt die WM für Max Verstappen jetzt wirklich eine andere Wendung? Red Bull im Monza-Qualifying chancen- wie ratlos - und plötzlich sogar nur noch vierte Kraft
(Motorsport-Total.com) - "Es sind dunkle Zeiten dort", urteilt Ex-Weltmeister Nico Rosberg in Bezug auf Red Bull nach dem Qualifying zum Großen Preis von Italien: Mehr als Platz sieben ist für Weltmeister Max Verstappen am Samstag in Monza nicht drin, das schlechteste Qualifying-Ergebnis des Niederländers seit dem Q2-Aus in Singapur vor fast einem Jahr!
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Max Verstappen kommt im Monza-Qualifying nicht über Rang sieben hinaus Zoom Download
Sky-Experte Rosberg schlägt deshalb Alarm: "Max versteht es jetzt auch nicht mehr, und alles gleitet ihnen aus der Hand - was so unerwartet ist, wirklich unreal." Der Deutsche glaubt mit Blick auf das bis vor kurzem dominierende Team: "Es ist eine harte Situation für sie, denn da kann auch schnell Panik ausbrechen intern. Beide Weltmeisterschaften sind gefährdet - auch die Fahrer-WM, wenn es so weitergeht."
Zwar hat der WM-Führende noch 70 Punkte Vorsprung auf Herausforderer Norris, doch während der Brite am Sonntag von der Pole startet, liegt auch Mercedes und Ferrari in Monza vor Red Bull. Verstappen macht nach dem Qualifying aus seinem Herzen jedenfalls keine Mördergrube, sagt in Bezug auf die WM: "Die letzten Rennen waren nicht gerade großartig, richtig? Wir müssen wirklich versuchen es rumzudrehen und wettbewerbsfähiger zu werden."
Allein: Positive Anzeichen dafür gibt es nach der Zeitenjagd am Samstag absolut keine - ganz im Gegenteil: "Es ist sehr schwer zu fahren und eine gute Balance darin zu finden", sagt Verstappen bei Sky in Bezug auf sein Auto, und räumt ein: "Wenn du ein Problem hast, und versuchst das zu beheben, dann gibt es ein neues Problem. Es ist einfach nicht besonders fahrbar."
Verstappen: In Q3 "alles wieder schlecht"
Dabei ist der zweite Platz in Q2 am Samstag zunächst ein kurzer Hoffnungsschimmer, "aber irgendwie hat sich in Q3 dann alles wieder schlecht angefühlt", so Verstappen, der vor allem schlecht durch die beiden Lesmo-Kurven kommt, und rätselt: "Ich hatte viel Untersteuern auf beiden Reifensätzen, das ist nicht erklären kann. Aber das hat mich viel Rundenzeit gekostet, denn du kannst in den Kurven nicht so pushen."
Teamchef Christian Horner teilt die Verwunderung: "Wir verstehen einfach nicht, dass wir mit gebrauchten Reifen eine 19,6-er Zeit fahren, und dann mit zwei neuen Reifensätzen nicht mal die 20-er Marke knacken können", erklärt der Brite: "Die anderen konnten sich alle verbessern, aber wir waren meilenweit davon entfernt." Horner: "Wir müssen herausfinden, warum wir auf älteren Reifen die Zeit fahren können, und auf neuen Sätzen nicht mal in die Nähe davonkommen - und zwar schnell."
Sky-Experte Rosberg urteilt indes: "Dieses Wochenende verstehen sie einfach die Reifen nicht. Mit den Reifen über eine Runde gibt es so viel zu beachten, die Temperaturen der Bremsen und Heizdecken, die Drücke, und selbst der Luftfluss, um die Bremsen zu kühlen, hat einen Einfluss. Es gibt so viele Komponenten, um den Reifen zum Funktionieren zu bringen, und da tappt Red Bull gerade im Dunkeln, was los ist, warum sie solche Inkonstanz haben. Aber das ist schockierend und unglaublich, wo Verstappen ist."
Marko räumt ein: "Situation wird ernster"
Horner erklärt in Bezug auf seinen Starpiloten: "Die Balance ist für ihn einfach nicht da, das konnte man ja auch in seinen Kommentaren hören." Fakt sei: "Es gibt etwas am Auto, das momentan ganz eindeutig nicht funktioniert, und wir müssen das entdecken und verstehen", so der Teamchef, der allerdings davon ausgeht: "Es wird eine technische Lösung für ein technisches Problem geben."
Auch Motorsportberater Helmut Marko zeigt sich nach dem Qualifying besorgt: "Die Situation wird ernster", sagt der Österreicher bei Sky, und fordert: "Wir müssen den Punkt finden, wo wir falsch abgebogen sind, und da muss man ab Miami schauen, weil ab dem Zeitpunkt war unsere Souveränität (weg) ... die Rennen, die der Max noch gewonnen hat, waren Rennen, die Max aufgrund seiner Qualität gewonnen hat."
Ein einfaches Unterfangen werde die Fehlersuche aber nicht: "Bei der Komplexität dieser Autos wird das sehr, sehr schwierig sein, aber Gott sei Dank haben wir bis Baku einige Zeit, weil zwischen Zandvoort und jetzt war es praktisch unmöglich, was zu machen", so Marko.
Beim Großen Preis der Niederlande begann Red Bull vergangenes Wochenende mit seinen sogenannten Frankenstein-Experimenten, die auch in Monza weitergehen - Teamchef Horner erklärt dazu: "Wir schauen uns natürlich alles an, sind letzte Woche ältere Spezifikationen gefahren, um zu sehen, ob das einige der Probleme beseitigt. Aber die Realität war, dass wir immer noch die gleichen Probleme mit dem Handling hatten."
Horner: "Jetzt auch noch hinter Ferrari und Mercedes"
Parallel steigt aber der Druck, denn: "Wir können sehen, dass McLaren über die letzten Rennen einen signifikanten Schritt gemacht hat, und jetzt sind wir hier auch noch hinter Ferrari und Mercedes. Es gibt also viel zu tun", sagt Horner: "Erst morgen kämpfen wir um Punkte, aber von den Plätzen sieben und acht aus wird das natürlich schwer."
Marko hofft trotz des schwachen Samstags aber noch auf ein erfolgreiches Rennen: "Gott sei Dank ist das Monza, wo man überholen kann. Ich meine, es wird ein sehr, sehr intensives, hartes Rennen werden. Ich glaube nicht, dass irgendjemand wegfahren kann, auch nicht die beiden McLarens, außer die machen ein tolles Windschattenspiel und kämpfen nicht gegeneinander."
Deshalb hofft der Österreicher: "Da ist noch nicht alles verloren. Aber wenn wir im Rennen auch die gleiche Unperformance haben, dann schaut es schlecht aus."
Verstappen selbst sieht genau diese Gefahr allerdings gegeben, klingt deshalb wenig optimistisch: "All die Longruns, die ich gemacht habe, waren auch nicht gerade vielversprechend. Das Problem ist, dass unser Auto nicht wirklich ausbalanciert ist, und wenn du die Balance nicht hast, dann bist du hart zu den Reifen und alles wird noch schwieriger im Rennen. Und ich denke, das wird morgen auch passieren."
Perez erklärt: "Deshalb kannst du es nicht beheben ..."
Teamkollege Sergio Perez, der am Samstag direkt hinter Verstappen den achten Platz belegt, schlägt in die gleiche Kerbe: "Ich hoffe, das Auto fühlt sich morgen ein bisschen mehr verbunden an. Am Kurveneingang pusht man nicht so viel (wie im Qualifying), hoffentlich bringt uns das etwas zurück, und wir können eine stärkere Rennpace haben. Aber es wird wirklich schwer zu überholen", glaubt der Mexikaner.
Mit Blick auf die allgemeinen Probleme seines Rennstalls erklärt Perez: "Ich habe die ja schon eine Zeit lang. Wie ich schon öfter gesagt habe, haben sie mir offenbar schon früher im Jahr wehgetan als Max, aber jetzt kommen sie auch bei ihm an." Perez' bitteres Fazit: "Ich glaube nicht, dass es etwas ist, wofür wir eine schnelle Lösung haben."
Als Grund für seine eher düstere Lesart der Situation nennt der Red-Bull-Pilot ganz einfach die Natur der Probleme: "Das ist die Unverbundenheit. Du hast zwei verschiedene Balancen, eine am Kurveneingang, eine am Scheitelpunkt, deshalb kannst du es nicht beheben. Du kannst nicht in eine Richtung gehen, weil du ja beide hast." Klingt nach dem nächsten Rätsel, das Red Bull schnellstmöglich lösen muss.