Ricciardo kämpferisch trotz Lawson-Ansage: "Leistung mein bester Freund"
Liam Lawson besetzt 2025 ein weiteres Red-Bull-Cockpit: Daniel Ricciardo nimmt's sportlich und zeigt sich kämpferisch - Experten haben aber Zweifel an F1-Zukunft
(Motorsport-Total.com) - Genau ein Jahr ist es her, da bracht sich Daniel Ricciardo am erst dritten Wochenende nach seiner Formel-1-Rückkehr mit AlphaTauri, beim Versuch im Zandvoort-Training dem verunfallten McLaren von Oscar Piastri auszuweichen, die rechte Hand.
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Die Luft wird dünner: Für Ricciardo geht's nun gegen Perez ums letzte Cockpit Zoom Download
Liam Lawson rotierte als Ersatzmann ins Cockpit, machte seine Sache bei den folgenden fünf Rennen gut - und wird nun 2025 zum Stammfahrer in der Red-Bull-Familie befördert, wie Helmut Marko am Donnerstag ausplauderte. Was aber heißt das für Ricciardo, dessen Vertrag bei den Racing Bulls mit Saisonende ausläuft?
"Was Liam betrifft: Ich habe ihn letztes Jahr fahren gesehen, und ich denke, er hat einen großartigen Job gemacht. Ich denke, er verdient einen Platz in der Startaufstellung", lobt Ricciardo und zeigt sich als Sportsmann: "So gesehen bin ich happy für ihn."
"Wenn ihm für nächstes Jahr ein Sitz garantiert ist, ist das gut, denn er ist ein Fahrer, der es verdient. Was das aber für mich heißt?", so Ricciardo: "Wahrscheinlich ein bisschen Ungewissheit. Aber: Wenn ich performe, dann bin ich mir sicher, dass sie anderswo einen Platz für mich finden."
Heißt übersetzt: In der zweiten Saisonhälfte läuft für Ricciardo jetzt alles auf ein Duell mit Sergio Perez um das zweite Red-Bull-Cockpit hinaus. Um den Platz, den Ricciardo eigentlich schon seit seinem Comeback vor zwölf Monaten ins Auge gefasst hat.
Ricciardo geht bei Red Bull "All-in" - und erklärt warum
Dabei ist der Australier überzeugt: "Ich weiß, dass Leistung immer noch mein bester Freund ist. Wenn es mir gelingt abzurufen, was ich kann, dann denke ich bringt mich das in eine sehr gute Position, um irgendwo in der Familie zu bleiben für nächstes Jahr."
Für Ricciardo liegt der volle Fokus dabei auf dem Hause Red Bull: "Das ist so ... er liegt nur hier. Ich bin sehr zufrieden, wieder hier zu sein - auch, was die Performance betrifft, denn es ist eigentlich ganz nett, nicht anderswo zu schauen, vielleicht kleine Ablenkungen zu haben, sondern sich einfach auf das hier zu fokussieren."
Dass er damit hoch pokert, weiß Ricciardo selbst: "Es ist wie ein All-in-Ansatz, aber ich denke auch, dass dieser Ansatz am meisten aus mir herausholt. Und wenn das nicht genug sein sollte: So ist das Leben." Für den 35-Jährigen steht fest: "Das intensiviert es, aber macht es auch einfacher. Deshalb denke ich, es ist der beste Ansatz."
Auf erneute Brautschau will Ricciardo in der Formel 1 jedenfalls nicht mehr gehen: "Für mich gibt es keinen weiteren Ring mehr", stellt er klar: "Ich will es einfach mit ihnen zum Funktionieren bringen." Mit Sturheit habe diese Herangehensweise aber nichts zu tun, beteuert Ricciardo, betont vielmehr: "Ich will auch wirklich gar nirgendwo anders mehr sein."
Das Warum liefert der Aussie auch gleich mit: "Ich war ja recht offen diesbezüglich ... ich bin die letzten Jahre etwas hin und her gesprungen, und das allein kann ermüdend sein. Ich habe das Gefühl, ich habe mich in diese Position zurückgearbeitet, und Red Bull hat mir auch die Möglichkeit dazu gegeben. Das will ich nicht einfach wegwerfen."
Experte rasiert Ricciardo: "Wird nie wieder Erfolg haben"
Geht es jedoch nach dem ein oder andere Experten im Fahrerlager, war bereits das erste "Hin-und-her-Springen", wie es der Australier nennt, der große Fehler und Karriereknick in Ricciardos Formel-1-Laufbahn.
Für Ex-Rennfahrer und TV-Experte Martin Brundle steht unweigerlich fest: "Daniel hat acht Grand Prix gewonnen, inklusive eines herausragenden Monaco-Sieges, er hat 32 Podestplätze eingefahren und wirklich regelmäßig sein Weltklasse-Talent gezeigt. Aber diese Leistungen sind eine Weile her, und ich wünschte, er hätte Red Bull Ende 2018 nicht verlassen."
Damals wechselte Ricciardo zu Renault: "Das war eine emotionale und falsche Entscheidung. Er hätte gegen Max (Verstappen) im besten Auto antreten sollen, dann hätte er sein Level auf natürliche Weise noch weiter angehoben", glaubt Brundle.
Stattdessen kam es anders: Ricciardo sah beim heutigen Alpine-Team wenig Fortschritte, flüchtete deshalb 2021 zu McLaren - doch mit Ausnahme des Sensationssieges in Monza lief beim aktuellen Team der Stunde gar nichts mehr zusammen für den Mann aus Perth.
"Ricciardo schien nie wieder derselbe Fahrer zu sein. Er hat eindeutig noch Speed und Rennvermögen", urteilt Brundle schon vor der Sommerpause gegenüber Sky, "aber irgendetwas in seiner Psyche oder bei seiner Herangehensweise hält ihn zurück, und das kostet ihn Möglichkeiten und Dauerhaftigkeit."
Und geht es nach einem anderen Fahrerlager-Experten, dann auch bald sein Formel-1-Cockpit: Der niederländische Rennfahrer Tom Coronel, der unlängst bereits gegen Valtteri Bottas scharf geschossen hatte, findet bei formule1.nl auch für Ricciardo weit weniger zimperliche Worte wie Brundle.
"Er hat bei McLaren keinen Erfolg gehabt, er hat bei AlphaTauri keinen Erfolg gehabt, und er wird nie wieder Erfolg haben", lautet das harte Urteil Coronels, der dem für seine Entertainer-Künste bekannten Ricciardo zukünftig eher eine Rolle als TV-Experte empfiehlt als im Auto: "Die Formel 1 ist für die 20 besten Fahrer der Welt, und dazu gehört er schon lange nicht mehr."
Ricciardo: "Ich mache einfach weiter mein Ding"
Ricciardo indes will sich von derlei Unkenrufen nicht verunsichern lassen und gibt sich selbstbewusst: "Ich denke, es ist klar, dass ich in Sachen Ergebnisse seit Montreal mehr von dem mache, was von mir erwartet wird", erklärt der Australier, der in drei der letzten sechs Rennen in die Punkte fuhr. Mit dem Auto komme er nun besser klar, auch im Kopf habe er nach einigen Anpassungen in seinem Umfeld wieder mehr Kapazitäten.
"Es geht einfach darum, damit weiterzumachen, dann werden sich die Dinge von alleine ergeben", ist Ricciardo überzeugt, dass seine Zeit in der Königsklasse noch nicht vorbei ist: "Performance ist alles. Natürlich muss ich weiter abliefern, und das hilft dann auch meinen Chancen, um in der Startaufstellung zu bleiben."
Seine Leistungen "in der zweiten Hälfte" (der ersten Saisonhälfte) seien "definitiv besser" geworden, beteuert Ricciardo, wenngleich er mit Blick auf das anvisierte Red-Bull-Cockpit einräumt: "Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, dass das definitiv schon genug war." Ohnehin seien die Kriterien für die Entscheider subjektiver Natur, direkten Einfluss habe er deshalb keinen - weshalb Ricciardos Fazit lautet: "Ich mache einfach weiter mein Ding."
So habe er es auch schon vor Beginn der Sommerpause gehandhabt, als noch nicht klar war, dass Perez sein Cockpit vorerst behalten darf: Alles sei "unverändert", so Ricciardo am Donnerstag in Zandvoort: "Ich habe natürlich nichts ausgeschlossen, und will jetzt auch nicht sagen, dass ich nie darüber nachgedacht habe", erklärt er mit Blick auf einen möglichen Aufstieg ins A-Team.
"Ich dachte, vielleicht könnte etwas passieren. Aber ich habe auch nichts erwartet oder mir zu viel Hoffnungen gemacht. Ich wusste, dass sich möglicherweise etwas ändert, habe aber einfach weitergemacht wie gehabt - und wenn ich einen Anruf kriege, dann kriege ich einen Anruf." Diesmal blieb der aus. Bleibt abzuwarten, ob und welchen Anruf Ricciardo am Jahresende kriegt ...