Neuer Vertrag zeigt, warum Silverstone und die Formel 1 sich brauchen
Silverstone hat in dieser Woche einen langfristigen neuen Formel-1-Vertrag verkündet, der für beide Seiten ein lohnendes Geschäft ist
(Motorsport-Total.com) - Die Bekanntgabe, dass Silverstone weitere zehn Jahre im Formel-1-Kalender bleiben wird, war für alle Seiten eine gute Nachricht. In den vergangenen Jahren wurden immer mehr und mehr Austragungsorte langfristig unter Vertrag genommen. Die Zahl der Rennen, die einen garantierten Vertrag bis mindestens 2030 hat, ist bereits zweistellig.
Den längsten Vertrag besitzt aktuell Melbourne, die bis 2037 in der Formel 1 sein werden. Für die Formel 1 bedeuten die langfristigen Verträge, dass die Organisation einen stetigen Strom von Einnahmen aus den Antrittsgeldern hat, der weit in die Zukunft reicht.
Für die Rennveranstalter sah es langsam nach einem Reise-nach-Jerusalem-Spiel aus, da es unwahrscheinlich ist, dass der Kalender je über 24 oder 25 Events hinaus steigen wird. In anderen Worten: Wenn du blinzelst, kannst du schon raus sein.
Nach der Bestätigung von Suzuka bis 2029 Anfang des Monats war Silverstone das letzte Rennen mit einem 2024 auslaufenden Vertrag, das keinen garantierten Platz über diese Saison hinaus hatte.
Die Nachricht aus Japan kam kurz nach einer Ankündigung, dass Barcelona seinen Platz im Kalender verlieren könnte, weil es ab 2026 einen neuen Stadtkurs in Madrid geben wird. Und in Großbritannien wird immer wieder über ein Rennen in London gesprochen.
Sollten die britischen Fans ein wenig nervös geworden sein, hätten sie sich keine Sorgen machen müssen. Es war alles unter Dach und Fach, und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann die Ankündigung für Silverstone erfolgen würde.
Das Fazit ist, dass die Formel 1 zwar neue Märkte erkundet und immer mehr Stadtkurse anstrebt, ihr Boss Stefano Domenicali aber sehr wohl weiß, dass der Sport einen Kern traditioneller Austragungsorte behalten muss.
Das erklärt auch, warum die Zukunft von Suzuka trotz des zaghaften Interesses eines potenziellen Stadtrennens im nahe gelegenen Osaka gesichert wurde.
Als Heimrennen von sieben Teams und dem Sitz der Formel-1-Organisation selbst nimmt Silverstone einen besonderen Platz in der natürlichen Hierarchie der Austragungsorte ein.
In Silverstone herrscht keine Sorge
"Ich hätte nie gedacht, dass irgendjemand den Britischen Grand Prix ausstechen würde", sagt der Geschäftsführer der Rennstrecke, Stuart Pringle.
"Im Jahr 2025 wird er 75 Jahre alt. Es ist eines der besten Rennen des Jahres, in den meisten Jahren. Es ist das Rennen mit den meisten Zuschauern. Es ist sehr beliebt bei den Teams, die vor Ort ansässig sind, und es ist das nachhaltigste Rennen, da die Teams praktisch keine Flugreisen unternehmen müssen, um hierher zu kommen, und 98 Prozent der Zuschauer aus Großbritannien kommen.
"Wir bieten der Meisterschaft einen großen Mehrwert, und wir zahlen mehr als genug. Ich war immer zuversichtlich, was unsere Position angeht."
Laut Pringle haben die Ankündigungen von Vertragsverlängerungen für andere Austragungsorte den Verhandlungen mit der Formel 1 keine zusätzliche Dringlichkeit verliehen: "Wir würden nicht plötzlich aus den Top drei oder vier Grands Prix des Jahres rausfallen", sagt er. "Und wenn es 24 Rennen im Jahr gibt, würden wir dann wirklich 24 Plätze zurückfallen?"
"Und ich denke, es ist auch klar, dass die Formel 1 Erfahrung schätzt. Es ist ein großes Risiko, neue Sponsoren zu gewinnen. Das ist nicht einfach. Als Liberty Media Las Vegas veranstaltete, haben sie aus erster Hand erfahren, dass es Herausforderungen gibt."
Fotostrecke: Die Vertragslaufzeiten der aktuellen Formel-1-Strecken
Imola (Italien): bis 2025 Fotostrecke
"Ich finde übrigens, dass sie einen fantastischen Job gemacht haben. Ich war dort und fand, dass es ein außergewöhnlicher Grand Prix war. Aber es ist sehr, sehr schwierig. Und es birgt Risiken."
"Außerdem gibt es eine Menge Wissen von diesem Geschäft und eine Menge Erfahrung unter den drei Top-Leuten von uns, die den Grand Prix leiten. Ich selbst, unser Betriebsdirektor und unser Streckenchef haben zusammen mehr als 80 Grands Prix organisiert. Wir haben also eine Menge Wissen, und das ist sehr wertvoll."
Genauso wenig wie Pringle befürchtete, gegen eine Bewerbung aus einem anderen Land zu verlieren, hatte er Angst vor einer möglichen Bedrohung durch ein Angebot für ein Rennen in London.
"Niemand wird ihnen mehr Geld zahlen", sagt er. "Das könnten sie gar nicht. Die Kosten sind aus dem Ruder gelaufen. In Großbritannien gibt es keine öffentliche Unterstützung. Es war einfach in jeder Hinsicht ein Haufen heißer Luft."
"Und ich könnte eine Stunde damit verbringen, jedes Argument zu zerpflücken. Es war immer Unsinn. Und wir haben uns auch nicht unter Druck gesetzt gefühlt, irgendetwas zu unterschreiben. Wir haben unterschrieben, weil es das Richtige für Silverstone war. Und die Formel 1 war sehr daran interessiert, Silverstone langfristig im Kalender zu halten."
Alles besser unter Liberty Media
Die Welt hat sich in Silverstone verändert und der BRDC (British Racing Drivers' Club) musste sich regelmäßig mit Bernie Ecclestone auseinandersetzen, der es den Veranstaltern seines eigenen Heimrennens nie leicht gemacht hat.
Unter Liberty Media haben sich die Beziehungen zwischen der Formel 1 und den Rennveranstaltern weltweit dramatisch verbessert, zunächst unter dem früheren CEO Chase Carey, dann unter Domenicali, der in seinem früheren Leben unter anderem die Rennstrecke von Mugello leitete. Er kennt beide Seiten der Geschichte.
"Ich denke gar nicht mehr an das alte Regime", sagt Pringle über die Ecclestone-Zeit. "Das ist längst Geschichte. Die Formel 1 hat in den letzten fünf, sechs Jahren ein fantastisches Produkt geschaffen. Es ist den Preis, den sie verlangen, absolut wert. Und sie führen ein erfolgreiches Geschäft und ermöglichen es uns, dasselbe zu tun."
"Wir sind sehr dankbar. Man kann ein vernünftiges Gespräch führen, wir haben eine sehr enge Arbeitsbeziehung, die von gegenseitigem Respekt und Professionalität geprägt ist, mit sehr offenen Kommunikationslinien."
Ralf Schumacher kritisiert F1-Kalender: Geht doch nur ums Geld!
Mal ganz ehrlich: Wer von euch schaut noch wirklich jedes Formel-1-Rennen? Unser Experte Ralf Schumacher glaubt, dass 24 Rennen zu viel sind. Weitere Formel-1-Videos
"Ich denke, wir haben einfach Glück, dass sie in Großbritannien sind. Ich kann innerhalb einer Stunde in ihrem Büro sein und sie kommen hierher, das macht es einfach. Und unsere Interessen decken sich. Wenn es ihnen gut geht, geht es uns gut, und wenn es uns gut geht, geht es ihnen gut", so Pringle.
"Wir sind sehr zuversichtlich, was unsere Arbeit und unseren Beitrag zur Meisterschaft angeht, denn die Formel 1 weiß, dass wir gute Arbeit leisten."
Wenn es bei der Bekanntgabe am Donnerstag eine Überraschung gab, dann war es die Vertragslaufzeit: Silverstone unterschreibt in der Regel für fünf Jahre, und die jüngste Vertragsverlängerung in Suzuka war ähnlich lang, was darauf hindeutet, dass nicht jeder in der Lage ist, sich langfristig zu binden, oder sogar von der Formel 1 dazu ermutigt wird.
Gab es angesichts des enormen finanziellen Aufwands, den ein 10-Jahres-Vertrag mit sich bringt, Risiken für Silverstone? "Ein langfristiger Vertrag birgt viel weniger Risiken als wenn es gar kein Rennen gibt", sagt Pringle. "Und gibt es über einen Zeitraum von zehn Jahren Schwankungen? Ja, auf jeden Fall."
"Aber wenn ich auf 74 Jahre Formel-1-Rennen in Silverstone zurückblicke, war es immer sehr beliebt. Wir haben natürlich kalkuliert und wissen, wie viele Zuschauer wir jedes Jahr mindestens brauchen."
"Und man denke nur an die Aufregung um die Bekanntgabe von Lewis Hamilton und Ferrari. Das hatten wir nicht auf dem Schirm, als wir den Vertrag unterschrieben haben."
Investitionen in die Zukunft
Ein weiterer wichtiger Grund für den Zehnjahresvertrag war die Kontinuität, die er bietet und die der Rennstrecke das Vertrauen gibt, in die Zukunft zu investieren. "Wir wollten einen längerfristigen Vertrag, um unsere Investitionen in die Erneuerung von Silverstone fortsetzen und erhöhen zu können", sagt Pringle.
"Wir haben viel zu tun, um sicherzustellen, dass Silverstone eine Weltklasse-Sportstätte bleibt, und dafür brauchen wir Gewissheit über unsere zukünftigen Geschäfte. Das war der Hauptgrund."
Die Rennstrecke hat Pläne, die das Formel-1-Äquivalent einer Stadion-Tour, eine Kartbahn, einen Simulator und eine größere Bühne beinhalten.
"Und dann sind da noch all die weniger glamourösen Dinge", fügt Pringle hinzu. "Es gibt eine Menge Dinge, die wir tun müssen, die nicht so glamourös sind - die Erneuerung der Zufahrtsstraße, die Verbesserung der Wasser- und Stromversorgung und der Kanalisation."
"Wenn man es mit solchen Zahlen zu tun hat wie wir, muss die Infrastruktur stimmen, und wir waren mehrere Jahrzehnte lang nicht in der Lage, das in Angriff zu nehmen."
Pringle ist fest davon überzeugt, dass die Zukunft für Silverstone nur besser werden kann, vielleicht mit etwas zusätzlicher Hilfe aus Hollywood: "Da ein Großteil der Dreharbeiten hier stattfand, wird Brad Pitts Formel-1-Film für Silverstone das tun, was Herr der Ringe für Neuseeland getan hat", meint er.
"Er wird uns definitiv zu einem touristischen Ziel machen und uns als Geburtsort und Zentrum der Formel 1 bestätigen."