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Von Vettel inspiriert: Ralf Schumacher fordert E-Fuels im Motorsport
Ralf Schumacher übt Kritik: Seiner Meinung nach läuft Deutschland Gefahr, sich beim Thema E-Fuels im Motorsport eine große Innovationschance entgehen zu lassen
(Motorsport-Total.com) - Ralf Schumacher ist der festen Überzeugung, dass die Industrie- und Motorsportnation Deutschland gerade die einmalige Chance hat, sich bei einem Zukunftsthema als Innovator zu positionieren - und befürchtet, dass die Chance nicht genutzt werden könnte. Das erklärt der Formel-1-Experte in einem aktuellen Video zum Thema E-Fuels im Motorsport auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de.
© Russart & Lösch (Fotomontage MSN)
Ralf Schumacher setzt sich dafür ein, E-Fuels im Motorsport zu fördern Zoom Download
Schumacher sagt, er könne "nicht verstehen", warum deutsche Rennserien nicht längst die Chance ergriffen haben, auf synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, zu setzen, die einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten.
Denn E-Fuels sind zwar nicht lokal emissionsfrei, weil sie fossile Kraftstoffe in Verbrennungsmotoren ersetzen und bei der Verbrennung weiterhin CO2 freigesetzt wird. Das in E-Fuels enthaltene CO2 wurde aber in der Regel zuvor dem Kreislaufsystem entnommen, zum Beispiel an Industrieschornsteinen, sodass solche Kraftstoffe unterm Strich klimaneutral sind.
Klimaneutral mit E-Fuels: Stehen wir uns im Weg?
"So sehr ich Sebastian mit seinen Bienen mag, aber sowas ist echt wichtig für uns", sagt Ralf Schumacher über das Thema E-Fuels im Motorsport. Weitere Formel-1-Videos
"Ich kann nur hoffen, dass da jemand wach wird im deutschen Motorsport, weil sonst kommt wieder ein anderer aus einem anderen Land und nimmt uns das auch wieder weg", appelliert Schumacher an die zuständigen Entscheidungsträger.
Schumacher appelliert an Rennserien: Stellt auf E-Fuels um!
Schumacher hatte zuletzt unter anderem die DTM als symbolträchtigste deutsche Rennserie dafür kritisiert, dass sie nicht schon längst auf E-Fuels umgestellt hat. Daraufhin reagierte Thomas Voss, Motorsportchef beim ADAC, der als Veranstalter der DTM auftritt, mit zwei Gegenargumenten.
Erstens: "Das Problem ist, dass wir pro Saison 300.000 bis 350.000 Liter pro Jahr allein auf der DTM-Plattform benötigen würden. Und niemand ist in der Lage, uns mit der benötigten Menge zu beliefern", meinte er kürzlich in einem Interview.
Und zweitens: "Sollte es große Mengen dieser biologischen Kraftstoffe irgendwann im normalen Straßenverkehr geben, dann reden wir über Monokulturen und Leute, die nichts zu essen haben, weil Getreidesorten in Sprit verwandelt werden."
P1 Fuels reagiert auf Vorurteile gegenüber E-Fuels
Eine Kritik, die der E-Fuel-Hersteller P1 Fuels aus Berlin (bekannt durch Sebastian Vettels Demofahrten etwa im 1992er-Williams von Nigel Mansell oder im Red Bull RB7 am Nürburgring) nicht unkommentiert im Raum stehen lassen möchte - weil sie, so argumentiert Benjamin Cuyt, bei P1 Fuels zuständig für Partnership & Sales, schlichtweg nicht stimmt.
P1 Fuels stehe gerade in sehr konkreten Verhandlungen zur Belieferung eines großen Automobilherstellers, und "da geht es nicht um 350.000 Liter, sondern da geht es um neun Millionen Liter". Selbst solche Mengen könne man aber jetzt schon "ohne Probleme" produzieren und liefern. Cuyt unterstreicht: "Ja, wir sind in der Lage, auch für eine deutsche Meisterschaft die 350.000 Liter problemlos zu liefern."
Das alte Biodiesel-Argument, dass die Landwirtschaft in Zukunft lieber Rohstoffe für E-Fuels anbauen könnte anstatt Nahrungsmittel und das ein Hungerproblem auslösen würde, lässt Cuyt ebenfalls nicht gelten, denn: Firmen wie P1 Fuels verwenden für ihre Kraftstoffe ausschließlich Biomasse zweiter Generation, und zweite Generation bedeutet, "dass keine Pflanzen angebaut werden, um daraus die Bestandteile für den Kraftstoff zu ziehen".
Sondern: "Dass man die Abfallprodukte der Nahrungsmittelindustrie nimmt. Das heißt, nur der nicht für Mensch oder Tierfutter verwendbare Teil wird verwendet. Damit stehen wir nicht in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelindustrie, sondern wir sind eher komplementär." Zum Beispiel, indem bei Weinproduzenten jene Biomasse zugekauft wird, die sonst ohnehin nicht verwertet worden wäre.
P1-E-Fuel kostet derzeit (noch) fünf Euro pro Liter
Auch das Argument, dass der Preis für E-Fuels von P1 Fuels zu hoch wäre, um damit eine Motorsportserie nachhaltig betreiben zu können, stellt Cuyt zumindest in Frage. Aktuell koste der Liter fünf Euro. Zu viel, wie ihm durchaus bewusst ist.
Aber: "Das ist natürlich ein Preis, den wir nicht halten wollen. Wir haben das klare Ziel, unsere Produktion so zu steigern und noch zu innovieren auf den Produktionsprozess, dass wir bis 2027 ein Produkt haben, das in der Produktion unter einen Dollar pro Liter kosten wird."
Schumacher: Motorsport "muss sich den Zeiten stellen"
Vor diesem Hintergrund versteht Ralf Schumacher nicht, warum nicht längst mehr Rennserien dem Vorbild von Sebastian Vettel gefolgt und auf E-Fuels umgestiegen sind. Zumal mit E-Fuels auch die bisherigen Verbrennungsmotoren und der motorsport-typische Sound erhalten werden könnten, was für viele Formel-1- und Motorsportfans ein emotional behaftetes Thema ist.
Auch der Motorsport, räumt Schumacher ein, "muss sich natürlich den Zeiten stellen und den klimatischen Veränderungen auf der Welt. Das ist uns bewusst. Aber mir ist auch bewusst, dass es mehrere Wege dorthin gibt. Auf das Thema aufmerksam geworden sind wir durch Sebastian, und ich finde es faszinierend, was da möglich ist."
"Für mich ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum es das noch gar nicht gibt bei uns. [...] Mit den Kraftstoffen und der Qualität und Quantität, die zur Verfügung stehen, mit über 100 Oktan, die man liefern kann, also da verstehe ich das gar nicht."
Auch für die Automobilhersteller, die Motorsport betreiben, sieht Schumacher den "super Vorteil", E-Fuels im kleinen Maßstab in Hochleistungs-Rennserien testen zu können: "Wie verhalten sich unsere Motoren über viele Kilometer Laufleistung? Da kann man super Erfahrung für die Straße oder für das Serienprodukt sammeln." In seinen Augen eine "Win-Win-Situation".
"Ich kann mir auch vorstellen, dass es den Motorsport noch attraktiver macht, auch für gewisse Sponsoren, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben, wie die meisten inzwischen. Deshalb verstehe ich nicht, dass man sich da so selbst im Weg steht. Vor allem wäre man der Erste, der ein Zeichen setzt. Man wäre der Formel 1 noch ein Stück voraus."
Formel 1 will ab 2026 klimaneutral fahren
Übrigens: Die Formel 1, die derzeit mit E10 fährt (also mit einem zehnprozentigen Anteil an Ethanol), stellt erst 2026 auf klimaneutralen Kraftstoff um. Dieser soll dann gar keine fossilen Bestandteile (etwa aus Erdöl) mehr aufweisen.
P1 Fuels gilt auf diesem Gebiet als einer der Vorreiter und könnte bei einem deutschen Push für E-Fuels im Motorsport eine zentrale Rolle einnehmen. Doch das Unternehmen begegnet immer wieder Vorurteilen und Skepsis - nicht nur im Motorsport, sondern auch in der Politik.
"Wir haben vor einem Jahr der kompletten deutschen Bundesregierung in einem offenen Brief das Angebot gemacht, die komplette Regierungsflotte mit unserem Kraftstoff zu betreiben. Wir haben an alle Ministerien einen offenen Brief geschickt [...]", sagt Cuyt und bedauert: "Darauf gab es sehr wenig Antworten."
Eine grundsätzliche Diskussion über E-Fuels im Motorsport, Vor- und Nachteile der Technologie und die Frage, welche Vorurteile wahr sind und welche nicht (33 Minuten), gibt's jetzt in einem Video mit Ralf Schumacher, Benjamin Cuyt und Chefredakteur Christian Nimmervoll auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. (Kanal jetzt kostenlos abonnieren und kein neues Video mehr verpassen!)